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       # taz.de -- Queerer Club in Berlin macht dicht: Ein letzter Tanz
       
       > Am 1. November feierte der legendäre queere Berliner Club SchwuZ seine
       > letzte Party. Nach 48 Jahren meldete der Club Insolvenz an.
       
   IMG Bild: Abschied von der Ikone: zum letzten Mal im SchwuZ
       
       „Scheiße, ich kann kaum glauben, dass ich das zum letzten Mal sage“,
       spricht Absolut Absythia ins Mikrofon: „Willkommen im SchwuZ.“ Am 2.
       November um ein Uhr nachts eröffnet die Dragqueen eine bedeutungsvolle Show
       im queeren SchwuZ-Club. Die „Kathedral“-Tanzfläche des Clubs ist voll mit
       Menschen aller Altersgruppen und Gender. Sie sind gekommen, um eine
       Berliner Legende zu verabschieden. Es ist der letzte Abend im SchwuZ.
       
       Der Club war eine Institution für Berlins queere Gemeinschaft, ein
       historischer „Safe Space“ – und irgendwann auch für Touris und Jugendliche
       ein Ort, um den man in der Szene nicht herum kam. 48 Jahre lang sorgte das
       SchwuZ, eigentlich „SchwulenZentrum“, für den Ruf Berlins als
       Regenbogenhauptstadt – und für das Glück seiner Besucher:innen und
       Künstler:innen gleichermaßen.
       
       [1][Doch im Sommer kündigte das SchwuZ Insolvenz an]: Man bekam den Club
       nicht mehr voll. Es wurde lautstark nach Solidarität gerufen, eine
       Spendenaktion gestartet und nach Investor:innen gesucht. Aber nichts
       hat geholfen und Ende Oktober kam die Nachricht: Das SchwuZ macht dicht.
       
       Dass es vorbei ist, kann Chuong kaum glauben. „Es ist ein Teil unserer
       Geschichte, unserer Gemeinschaft, unserer Identität“, fasst der Partygast
       zusammen, dessen goldenes Netzoberteil aus einem pinken Sweatshirt
       herausragt. Er habe den Club an drei verschiedenen Orten besucht: zunächst
       in einer Fabriketage im Süden Berlins, dann im alternativen Viertel
       Kreuzberg. 2013 zog der Club schließlich an seinen letzten Standort in die
       hohen und breiten Räume der ehemaligen Kindl-Brauerei in Neukölln. Aber
       auch wenn es in der letzten Zeit bergab ging: An diesem Abend sind die drei
       Tanzflächen bis in die letzten Ecken so voll wie in den goldenen Zeiten des
       Clubs.
       
       Auf der Bühne tritt die Dragqueen Kaey auf. Sie erinnert an eine Zeit, in
       der die Eintrittspreise dreimal niedriger waren als heute und an eine
       Bühne, die immer sowohl für langjährige Legenden als auch für junge Talente
       offen gewesen sei. An einen Ort, an dem es nicht nur darum ging, etwas zu
       konsumieren, sondern auch darum, mitzugestalten.
       
       Das gilt auch über den eigentlichen Club hinaus. Zu seinen Ablegern
       gehörten der queere Buchladen Prinz Eisenherz – erste queere Buchhandlung
       Deutschlands –, der erste Berliner Christopher Street Day und die
       Siegessäule. Das queere Stadtmagazin ist heute eines der größten
       Stadtmagazine Europas mit dieser Zielrichtung. Hier begann auch die
       Geschichte der ersten Tuntengruppen in den 80er Jahren.
       
       ## In den Farben der Transflagge
       
       Auf der Bühne des Clubs stimmt Kaey das Lied „Creep“ von Radiohead an. „I
       wish I had the perfect body“, singt die Queen und streicht mit einer Hand
       an ihrem Kleid in den Farben der Transflagge entlang. Die
       Zuschauer:innen singen bis zu den letzten Tönen mit. Trotz der traurigen
       Angelegenheit lächeln die Gesichter: „So fuckin’ special.“
       
       „Dieser Laden ist so etwas wie das Stonewall in den USA“, sagt Jyn. In den
       70er Jahren organisierten sich Studierende hier, um gegen Paragraf 175, der
       Homosexualität unter Strafe stellte, zu protestieren. Und im Laufe der 80er
       wurde der Club zu einem Mittelpunkt des politischen Aktivismus für sexuelle
       Aufklärung und den Kampf gegen Aids. An der Bar neben der zweiten
       Tanzfläche steht der*die ehemalige Türsteher*in mit einem Glas in der
       Hand und unterhält sich mit einem Kollegen von damals.
       
       „Unsere Gäste waren schon ein bisschen verrückt“, sagt Jyns Kollege. Er
       erinnert sich an Kund:innen, die ihn nach Koks fragten – genau dieselben,
       die er drei Stunden zuvor hereingelassen hatte. Jyn erzählt von Morgenden,
       an denen man die Kunden aus den Darkrooms herausholen musste. „Kommt ihr
       dann langsam zum Schluss, na?“, war sein*ihr Standardspruch, als er*sie
       gegen sieben Uhr morgens den Ort leerte.
       
       An diesem Abend betrauert er*sie einen Ort, der für die Community da sein
       könnte, es aber schon lange nicht mehr war. Nur dass die Führung das lange
       nicht gecheckt habe. [2][Die Kündigung von 30 Mitarbeitenden im Mai],
       darunter auch langjährige Teammitglieder, sei ein fatales Symbol dafür
       gewesen, dass der Club einen Teil seiner Stammzielgruppe aus dem Blick
       verloren habe. „Wenn man sich ‚Community‘ oben auf die Flagge schreibt und
       dann so mit der Community umgeht …“, sagt er*sie – und mimt einen
       Stinkefinger. Die Insolvenzgründe bestanden aber schon lange
       unterschwellig, vermutet er*sie.
       
       Schon im Sommer hätten mehrere Mitarbeitende von sich aus gekündigt,
       [3][teilt der ehemalige künstlerische Leiter des Clubs, LCavaliero Mann],
       im Gespräch mit: „Natürlich ist es danach nicht mehr so einfach, wenn man
       kein Team hat, das voller Motivation und Begeisterung Ideen umsetzen kann
       …“ Es habe an Vertrauen und Leidenschaft in der Mannschaft gefehlt. Die
       Krise des SchwuZ hatte jedoch schon vorher begonnen – die Zahlen für das
       Jahr 2024 waren katastrophal.
       
       Und doch, so glaubt Mann, hätte es gerettet werden können – mit einer
       Marketingstrategie, einer stärkeren Einbindung der Community, einer Klärung
       der Konflikte, Einsicht in die eigenen Fehlentscheidungen seitens der
       Führungskräfte und einer künstlerischen Leitung. „Es hat eine Person
       gefehlt, die eine Vision entwickelt und den Überblick behält. Ohne ein
       motiviertes Team einen Communityort wie das SchwuZ aus einer Krise zu
       führen, scheint mir schlicht unmöglich“, meint Mann. Ob die Maßnahmen
       schnell genug ergriffen wurden und die Situation ernst genug genommen
       wurde? Der ehemalige künstlerische Leiter sehe da „zweifelnde
       Fragezeichen“.
       
       ## Neue Partykonzepte versucht
       
       „Diese Trendwende ließ sich nicht so schnell umsetzen“, verteidigt die
       heutige Geschäftsführerin Katja Jäger. Seit sie Anfang 2025 die Leitung
       übernommen habe, habe sie versucht, neue Partykonzepte zu entwickeln und
       neue Künstler*innen einzuladen. An der wiederkehrenden Kritik der
       Community an der Programmgestaltung – insbesondere an den eher beliebigen
       Pop-Playlists – sei etwas dran. „Die Signale aus der Community waren
       durchaus vorhanden, wurden jedoch über längere Zeit nicht ausreichend in
       die strategische Weiterentwicklung übersetzt“, sagt Jäger. Doch die Zeit,
       um die notwendigen Änderungen durchzuführen, sei zu kurz gewesen.
       
       Die Geschäftsführerin weigert sich jedoch, in der Schließung des Clubs ein
       reines „SchwuZ-Problem“ zu sehen. Man müsse sich der gesamten Notsituation
       der Clublandschaft stellen. „Der Ort fasst über tausend Leute. Und den
       Durchlauf zu bekommen, ist extrem schwer, auch weil die Menschen weniger
       Geld im Portemonnaie haben“, so Jäger.
       
       Bereits im Frühjahr habe sie befürchtet, dass die Defizite angesichts der
       überschaubaren Besucherzahlen jeden Abend auf Dauer nicht tragbar seien.
       Diese Befürchtungen haben sich im Sommer bewahrheitet. Der Club war schon
       mehrmals fast an Finanzkrisen zerbrochen. Nur reichte diesmal die
       Unterstützung der Gemeinde nicht aus. Von den benötigten 300.000 Euro
       wurden in der Spendenaktion bis Anfang November lediglich 50.000 Euro
       gesammelt. Jäger will die Unterstützung der Gemeinschaft aber nicht infrage
       stellen. Auch hier sei es eine zu große Aufgabe in zu kurzer Zeit gewesen.
       
       Manche glauben gar nicht so recht ans Ende: „Die Schließung ist eine
       Veränderung, aber es wird weitergehen“, versichert etwa Michael in seinem
       grauen Paillettenanzug. Seit 43 Jahren arbeitet er bereits ehrenamtlich im
       Club. „Das ist mein Zuhause“, sagt der Rentner und zeigt auf den Schlüssel
       des Clubs an seinem Handgelenk. Seit vielen Jahren ist er auch Mitglied des
       SchwuZ-Vereins. Darin unterstützen etwa 100 Mitglieder:innen seit 1995
       die Geschäftsführung und sollen die SchwuZ-Struktur schützen. „Es ist mehr
       als Optimismus. Es ist das Wissen, dass es weitergehen wird. Ich weiß nur
       nicht, wann“, sagt Michael.
       
       Auch Jyn ist Vereinsmitglied und an diesem Abend nicht traurig. Ein paar
       Tage zuvor hat die SchwuZ-Mitgliederversammlung ihm*ihr Hoffnung gemacht:
       Es wird bereits überlegt, wie das SchwuZ fortgesetzt werden könnte. „Es ist
       das Ende einer Ära in Neukölln, aber das SchwuZ an sich … Ich glaube und
       ich hoffe, dass die Leute und auch der Verein etwas daraus machen“, sagt
       er*sie. Was und wie, ist noch unklar. Man wolle sehen, was möglich ist, in
       welcher Form und auf welchen freien Flächen. „Vielleicht musste der Club
       sterben, damit das SchwuZ weiterlebt?“, überlegt Jyn laut.
       
       Vor dem Eingang des Clubs stehen ein paar rote Kerzen vor einem kleinen
       Herz aus einer Girlande und einem Pappschild. „Am Ende wird alles gut. Und
       wenn es nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende“, steht darauf
       geschrieben.
       
       7 Nov 2025
       
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