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       # taz.de -- Gewalt gegen Frauen in Südafrika: Südafrikas zweite Epidemie
       
       > In Südafrika galt wegen Corona wochenlang ein Alkoholverbot. Seit es
       > aufgehoben wurde, steigt die Gewalt gegen Frauen drastisch an.
       
   IMG Bild: Proteste gegen Gewalt an Frauen in Johannesburg am 27. Juni (GBV=Gender Based Violence)
       
       Kapstadt taz | „Als mein Freund das letzte Mal betrunken war, hat er mich
       beinahe zu Tode gewürgt.“ Die 22-jährige Esihle Dimanda macht eine Pause,
       holt mehrfach tief Luft, bevor sie fortfährt: „Wenn meine Freundin Cebisa
       (beide Namen geändert) nicht zufällig an unsere Tür geklopft hätte, würde
       ich jetzt nicht hier sitzen.“ Auch die Tatsache, dass Esihle in wenigen
       Wochen ein Baby erwartet, bringt ihren Partner nicht davon ab, sie zu
       verprügeln. „Wenn er mich schlägt, renne ich meist rüber zu Cebisa“,
       erzählt die werdende Mutter.
       
       Esihles Eltern starben beide jung. Mit der Coronakrise verlor sie ihren Job
       als Kellnerin. Die Freundin ist das letzte Stück heile Welt, das Esihle
       bleibt. Von dort, einem kleinen Haus im Kapstädter Township Khayelitsha,
       erzählt sie am Telefon von den Misshandlungen.
       
       Die Misshandlungen durch Esihles Freund sind Teil dessen, was Präsident
       Cyril Ramaphosa inzwischen als „zweite Epidemie“ in Südafrika bezeichnet.
       Laut dem Präsidenten stieg die Gewalt gegen Frauen und Kinder nach der
       Lockerung der Coronaschutzmaßnahmen am 1. Juni drastisch an. Es war der
       Tag, an dem der Alkohol in die Geschäfte zurückkehrte. Mindestens 21 Frauen
       und Kinder sind Ramaphosa zufolge in den letzten Wochen ermordet worden.
       
       Dem Gewaltexzess war ein weltweit beachtetes Experiment vorausgegangen.
       Zwei ganze Monate lang [1][durfte in Südafrika kein Alkohol verkauft]
       werden. das sollte Infektionen durch gemeinsames Trinken verhindern und
       Krankenhäuser durch den Wegfall alkoholbedingter Einweisungen entlasten.
       Der Plan schien aufzugehen. Laut dem [2][South African Medical Research
       Council] (SAMRC) konnte die Anzahl die Unfallbehandlungen beinahe
       gedrittelt werden.
       
       ## Gefahr für Frauen: „Rauschtrinken“ der Männer
       
       Seit dem 1. Juni dürfen die Südafrikaner*innen zu festgelegten Zeiten
       wieder Alkohol kaufen. Leane Ramsoomar vom SAMRC sieht Hinweise dafür, dass
       dies die verstärkte Gewalt gegen Frauen begünstigt hat. So registrierten
       zum Beispiel die Krankenhäuser in der Provinz Westkap seit dem 1. Juni 70
       Prozent mehr Verletzungen in Zusammenhang mit Alkoholkonsum. Eindeutige
       Aussagen seien in Ermangelung von Studien für diesen Zeitraum aber noch
       nicht möglich. Gerade in der jetzigen Coronakrise fehlten nun aber eben
       jene Krankenhausbetten und Mediziner*innen für die Behandlung von
       Covid-19-Patient*innen.
       
       Daneben hebt Ramsoomar das problematische Konsumverhalten der
       Südafrikaner*innen hervor. „Rauschtrinken“, also starker Alkoholkonsum
       innerhalb kurzer Zeitspannen, sei laut Studien der WHO in Südafrika äußerst
       verbreitet. „Unsere Forschung zeigt, dass Männer insbesondere nach dem
       Rauschtrinken größere Gefahr laufen, Gewalt gegen ihre Partnerin
       auszuüben“, erklärt die Wissenschaftlerin.
       
       Für Nadia Mayman vom Bonteheuwel Peace Forum und Rafika Aziz vom Ihata
       Shelter steht der Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und
       geschlechtsspezifischer Gewalt außer Frage. Die beiden Sozialarbeiterinnen
       engagieren sich in unterschiedlichen Kapstädter Hilfsorganisationen, machen
       aber ähnliche Erfahrungen. „Viele Frauen arbeiten inzwischen wieder“,
       erklärt die 50-jährige Mayman. „Wenn sie mit ihrem Gehalt nach Hause
       kommen, werden die Partner der Frauen oft gewalttätig, um an das Geld zu
       kommen.“
       
       Auch Esihle weiß, wie es sich anfühlt, wenn Sucht und Misogynie jede
       Menschlichkeit ausradieren. „Als ich noch als Kellnerin arbeitete, musste
       ich ihm oft mein ganzes Gehalt geben“, erzählt Esihle frustriert. Ihr hart
       erarbeitetes Geld endete in Form kleiner weißer Tik-Kristalle – der
       südafrikanischen Version von Crystal Meth – in der Pfeife ihres Freundes.
       
       ## #WomensLivesMatter
       
       Die Aufregung über die Gewalt gegen Frauen ist in Südafrika allgegenwärtig.
       Täglich überschlagen sich die Schlagzeilen über Morde und Vergewaltigungen.
       Twitter wird zum Stimmungsbarometer der Social-Media-affinen Bevölkerung:
       Viele der meistgenutzten Hashtags des Landes fordern Gerechtigkeit für
       Mordopfer: #JusticeForTshego, #JusticeforNaledi, #JusticeforSanelisiwe,
       #JusticeForDanielle oder #WomensLivesMatter. In seiner Rede am 17. Juni las
       Präsident Ramaphosa die Namen ermordeter Frauen vor.
       
       Esihle befürchtet, dass auch sie bald auf der Liste stehen könnte. Noch
       größere Angst hat sie aber um ihr Ungeborenes: „Wenn er mich zu Tode
       prügelt, was passiert dann mit meinem Baby?“
       
       Sozialarbeiterin Nadia Mayman bemüht sich jeden Tag, dass Frauen wie Esihle
       nicht in der nächsten Ansprache des Präsidenten auftauchen. Ihr Kampf ist
       kräftezehrend: „Wir brauchen sichere Zufluchtsorte für Frauen, die von
       ihren Partnern misshandelt werden. Unsere Aufnahmezentren sind völlig
       überlastet. Wenn die Frauen nirgendwohin können, bleibt ihnen oft keine
       andere Option, als zu den gewalttätigen Männern zurückzukehren.“
       
       2 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Alkohol--und-Tabakverbot-in-Suedafrika/!5678281
   DIR [2] https://www.samrc.ac.za
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tycho Schildbach
       
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