# taz.de -- Umweltverband zu Bauernprotest: „EU-Agrarsubventionen sollten komplett gestrichen werden“
> Die geplante Bauerndemo in Brüssel sei rückwärtsgewandt, so Matthias
> Wolfschmidt vom Umweltverband nature solidarity. Er fordert eine
> Pestizidabgabe.
IMG Bild: „Die Landwirtschaft ist der größte Umweltzerstörer in der Europäischen Union, hauptverantwortlich für enormen Artenverlust“
taz: Herr Wolfschmidt, am Donnerstag will [1][der EU-Bauernverband
Copa-Cogeca] gegen die Agrarpolitik in Brüssel demonstrieren. Was halten
Sie von diesem Aufruf?
Matthias Wolfschmidt: Der ist erstaunlich rückwärtsgewandt. Sie rufen im
Kern danach, dass die Subventionen möglichst nicht gekürzt werden sollen
und dass alles so bleibt, wie es ist. Und gleichzeitig will man dann eine
Deregulierung. Dieser Ruf nach Deregulierung passt natürlich nicht zu dem
Umstand, dass man weiterhin Subventionen hat, die genau dafür gezahlt
werden, dass die Landwirte die ganzen Regulierungen einhalten.
taz: Warum kann denn Ihrer Meinung nach nicht alles so bleiben?
Wolfschmidt: Die Landwirtschaft ist der größte Umweltzerstörer in der
Europäischen Union, hauptverantwortlich für enormen Artenverlust und
Gewässerbelastungen. Wir haben Pestizidrückstände in 80 Prozent der
landwirtschaftlichen Böden. 75 Prozent der Ackerböden werden überdüngt.
Ungefähr ein Drittel der Bestäuberinsekten sind gefährdete Arten. Bei den
Feldvögeln sind die Populationen gegenüber 1990 um über 40 Prozent
geschrumpft. Und wir haben ein Höfesterben, das unvermindert weitergegangen
ist.
taz: Was tun?
Wolfschmidt: Die EU-Agrarsubventionen sollten komplett gestrichen werden.
Seit der Jahrtausendwende hat die EU knapp 1,5 Billionen Euro dafür
gezahlt. Stattdessen sollten wir mit marktbasierten Instrumenten
umweltfreundliches Verhalten von Landwirtinnen und Landwirten belohnen. Zum
Beispiel über Abgaben auf Pestizide, Mineraldünger und CO2. Wenn man nur
noch bestimmte Kontingente für Pestizide erlaubt und die Preise
entsprechend anziehen lässt, werden die Landwirte automatisch weniger
Pestizide einsetzen, und es wird insgesamt eine umweltfreundlichere
Landwirtschaft geben.
taz: Diese Abgaben würden die Produktionskosten der Landwirte erhöhen, und
die Bauern verdienten noch weniger. Wie wollen Sie damit umgehen?
Wolfschmidt: Die Produktionskosten werden sich erhöhen. Und die
Wettbewerbssituation auf dem Weltmarkt, wo es nur um den niedrigsten Preis
geht, wird sich verändern. Deswegen schlagen wir vor, ein
Grenzausgleichsregime einzuführen, also Zölle für Produkte aus
Herkunftsstaaten, wo die Umweltgesetzgebung weniger rigide ist, als es
hoffentlich in Zukunft in der Europäischen Union ist. Das wird dazu führen,
dass die Bauern höhere Preise für ihre Produkte erlösen.
taz: Und die Verbraucher müssten mehr bezahlen für die Lebensmittel.
Wolfschmidt: Ja, die Verbraucher müssen dafür bezahlen. Bei Backwaren ist
der Rohstoffanteil am Gesamtpreis sehr niedrig, bei Gemüse sehr hoch. Wir
plädieren für einen entsprechenden sozialen Ausgleich. Wir wollen, dass mit
dem Geld, das bisher in die Agrarsubventionen fließt, gute und gesunde
Lebensmittel für alle bezahlbar bleiben. Die Mehrwertsteuer auf
Grundnahrungsmittel könnte man komplett streichen, weil man ja an anderer
Stelle jede Menge öffentlicher Gelder einspart.
taz: Würden ohne Subventionen nicht noch mehr Höfe aufgeben?
Wolfschmidt: Die Höfe geben ja jetzt schon auf, zum Beispiel weil sie keine
Nachfolgerinnen oder Nachfolger finden. Wenn die Subventionen wegfallen,
umweltfreundliches Wirtschaften sich auszahlt und ein fairer Grenzausgleich
gegen Billigimporte aus Drittstaaten gilt, muss das die Agrarstruktur nicht
negativ beeinflussen. Es wird sogar leichter für innovative Leute mit
kleineren Höfen, Nischen zu finden und intelligente Produktionsweisen zu
entwickeln, mit denen sie im Markt bleiben können.
taz: Sie haben [2][Ihre Organisation] gerade erst gegründet. Warum ist sie
nötig, wo doch schon viele Umwelt- und Verbraucherverbände das Thema
bearbeiten?
Wolfschmidt: Weil nature solidarity die einzige Organisation ist, die
dieses marktwirtschaftliche Konzept in den Mittelpunkt stellt und nicht
versucht, den Agrarsektor über weitere Subventionen noch irgendwie dazu zu
bewegen, ein bisschen umweltfreundliche Zusatzleistungen zu erbringen, die
dann Gemeinwohlleistungen genannt werden. Denn das funktioniert nicht. Und
anstatt unsere Zeit in Kommissionen zu vergeuden, machen wir das, was wir
früher bei Foodwatch gemacht haben, wo ich viele Jahre gearbeitet habe:
konfrontative Kampagnen. Wir benennen die Verursacher und die Profiteure
des heutigen, enorm zerstörerisch mit der Natur umgehenden
Ernährungssystems, das unsere Zukunftsaussichten und die der nächsten
Generation in hohem Maße gefährdet.
taz: Wie finanzieren Sie sich?
Wolfschmidt: Nature solidarity ist ein eingetragener, als gemeinnützig
anerkannter Verein. Er lehnt Finanzierungen durch staatliche Stellen oder
Unternehmen ab und setzt auf private oder institutionelle Förderer. Derzeit
ist das nur die gemeinnützige GmbH Olin. Die fördert vor allem
Umweltverbände, die gemeinnützig sind. Hinter ihr steht der Hamburger
Kaufmann Alexander Szlovák, der einen Teil des aus seiner Familie
stammenden Vermögens in diese gemeinnützige GmbH gegeben hat.
16 Dec 2025
## LINKS
DIR [1] /Doppeltes-Spiel-des-Agrarverbandes/!6009938
DIR [2] https://nature-solidarity.org/
## AUTOREN
DIR Jost Maurin
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