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       # taz.de -- Diskussion über NS-Straßenname: Varel kommt nicht aus der Kriegsverbrecher-Sackgasse
       
       > In der Tradition der NS-Propaganda heißt in Varel bis heute eine Straße
       > nach Friedrich Bonte. Die Grünen wollen das ändern, die anderen nicht.
       
   IMG Bild: Brennende Schiffe im Hafen während der zwei Monate dauernden Schlacht um Narvik beim deutschen Überfall auf Norwegen 1940
       
       Eine richtige Sackgasse ist die kurze Kommodore-Bonte-Straße in Varel am
       Jadebusen nicht. Denn am Ende gibt es eine Kehre, an der man einmal im
       Kreis fahren kann, um nach 150 Metern wieder am unscheinbaren blauen
       Straßenschild vorbeizukommen. Das passt gut zur politischen Debatte über
       den Namen der Straße. Denn die, erstmals 1999 angestoßen, kommt seit Jahren
       nicht so richtig vom Fleck.
       
       Dieses Jahr haben die Grünen erneut die Initiative ergriffen. Der Rat der
       Stadt befasst sich nun am 17. Dezember mit ihrem Antrag, die [1][nach dem
       Marineoffizier Friedrich Bonte] benannte Straße umzubenennen.
       
       Bonte habe sich durch seine Mitgliedschaft in einem Freikorps nach dem
       Ersten Weltkrieg „eindeutig als Antidemokrat erwiesen“, sein Name sei „nach
       seinem Tod für die Heldenverehrung und die Ideologie des NS-Regimes“
       benutzt worden, schreiben die Grünen in ihrem Antrag vom September. „Dieser
       Sachverhalt ist für eine demokratisch verfasste Stadtgesellschaft wie Varel
       nicht tragbar“.
       
       Stattdessen solle die Straße nach dem norwegischen Komponisten Edvard Grieg
       benannt werden, weil auch die Nachbarstraßen Namen von Komponisten tragen,
       Mozart und Beethoven etwa.
       
       ## Noch mehr problematische Straßennamen
       
       Ebenfalls umbenennen wollen die Grünen die Hindenburgstraße in Varel – in
       Willy-Brandt-Straße. Aus militärgeschichtlicher Sicht sei das Festhalten am
       Namen Hindenburg nicht mehr haltbar, schreiben sie in einem zweiten Antrag.
       Auch in der Bundeswehr wird derzeit debattiert, ob der letzte
       Reichspräsident, [2][der Hitler zum Reichskanzler ernannte, noch mit dem
       Traditionsverständnis der Truppe vereinbar ist] und Kasernen nach ihm
       benannt werden können.
       
       Bonte wiederum gilt in der Bundeswehr nach einer Überprüfung durch die
       Marine als nicht mehr [3][den Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur
       Traditionspflege] von 2018 entsprechend.
       
       Der Marineoffizier, der 1940 beim deutschen Überfall auf Norwegen fiel, war
       als Kommodore an der Planung und Durchführung des sogenannten Unternehmens
       Weserübung beteiligt, mit der das nationalsozialistische Deutschland das
       neutrale Norwegen und Dänemark überfiel. Er führte den deutschen
       Flottenverband, der den Hafen von Narvik angriff, und kam dort bei
       Gefechten ums Leben.
       
       Zuvor hatte Bonte 1919 nach dem Ersten Weltkrieg im Freikorps
       Marine-Brigade Ehrhardt gekämpft, das vor allem [4][bei der Niederschlagung
       der Münchner Räterepublik] eingesetzt wurde.
       
       [5][Unter Fachhistoriker:innen ist die historische Bewertung Bontes
       weitgehend unumstritten]. Er war Teil der militärischen Führung eines
       völkerrechtswidrigen Angriffskrieges. Zwar gibt es keine Hinweise darauf,
       dass Bonte zu den ideologischen Hardlinern des Regimes zählte, doch seine
       militärische Rolle ist klar: Er handelte im Dienst einer verbrecherischen
       Kriegsführung.
       
       Noch während des Krieges stilisierte das NS-Regime Bonte zum Helden,
       zahlreiche Straßenbenennungen gehen auf diese propagandistische Aufladung
       zurück. Die Kommodore-Bonte-Straße in Varel wurde 1941 benannt.
       
       ## Umbenennung ist unwahrscheinlich
       
       Dass die beiden Straßen in Varel nun umbenannt werden, ist
       unwahrscheinlich. Alle anderen Fraktionen unterstützen den Antrag der
       Grünen nicht. Die SPD, im Rat die größte Fraktion, hat einen
       Alternativantrag eingereicht und möchte erst mal eine stärker moderierte
       Debatte und die Bürger:innen einbinden.
       
       Denn im Zuge der Diskussion um die Umbenennungen hatte die Stadtverwaltung
       im Oktober Anhörungen der Anwohner:innen, Gewerbetreibenden und
       Eigentümer:innen in der Kommodore-Bonte-Straße und der
       Hindenburgstraße durchgeführt. Diese lehnen die Umbenennung demnach weit
       überwiegend ab.
       
       Bei der Kommodore-Bonte-Straße mit 76 Betroffenen meldeten sich 27 zu Wort,
       davon waren vier für und 23 gegen eine Umbenennung; aus der
       Hindenburgstraße mit 91 Adressaten äußerten sich 44 Betroffene. 43 wollten
       am Namen Hindenburg festhalten, nur eine Stimme war dagegen. Kritisiert
       wird dabei vor allem, dass durch die Umbenennung „unnötiger“ Stress,
       Aufwand und Kosten entstünden.
       
       In Leserbriefen an die lokale Presse wird teils scharf kritisiert, die
       Grünen hätten „nichts Besseres im Kopf“ als solche „sinnbefreiten“
       Maßnahmen und sollten „die Finger von diesem Unsinn“ lassen.
       
       Die Verwendung der Namen sehe zwar auch die SPD kritisch, schreibt der
       Ortsverein in seinem Alternativantrag. „Das Wichtigste für uns ist jedoch,
       dass an diesen Personen auch zukünftige Generationen ‚lernen‘ können,
       welche Geschichte sie aufweisen und welche Punkte kritisch sind“. Deshalb
       solle es eine offene Diskussion geben oder „ein Verfahren, in dem diese
       geschichtliche Perspektive entwickelt wird“.
       
       Sollte am Ende eine Kontextualisierung etwa mit einer Tafel stehen, sei das
       für die SPD „in Ordnung“. Auch eine Umbenennung würde sie mittragen, wenn
       diese gewünscht sei.
       
       ## Auch in Wilhelmshaven Streit über Bonte
       
       Unterstützung bekommen die Grünen für ihre Anträge unter anderem vom
       Arbeitskreis Juden in Varel. Dass die beiden Straßen auch 80 Jahre nach dem
       Ende der Nazidiktatur noch nicht umbenannt seien, sei eine politische
       Stellungnahme. „In einer Zeit, in der rechtes Gedankengut zunehmend populär
       wird und rechte Parteien erschreckenden Zulauf finden, wäre eine
       Umbenennung ein starkes Zeichen und eine Aufarbeitung unserer
       Stadtgeschichte, die Varel gut anstünde“, schreibt der Arbeitskreis in
       einem Brief an Bürgermeister Gerd-Christian Wagner (SPD).
       
       [6][Auch in Wilhelmshaven ist der Name Bonte seit Jahren umstritten]. Dort
       tragen mit der Bontestraße und dem Bontekai gleich zwei Orte den Namen des
       Marineoffiziers. Trotz wiederkehrender Kritik von Historiker:innen und
       Initiativen hat sich die Stadt bislang gegen eine Umbenennung entschieden.
       
       Stattdessen setzt man dort auf Kontextualisierung: Informationstafeln
       sollen auf Bontes Rolle im nationalsozialistischen Angriffskrieg hinweisen.
       Kritiker:innen halten das für unzureichend und sprechen von einer
       fortgesetzten Ehrung, die durch erklärende Zusatztexte nicht aufgehoben
       werde. Die Debatte ist damit [7][auch in Wilhelmshaven politisch
       festgefahren, aber keineswegs beendet].
       
       15 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Diskussion-um-NS-Strassennamen/!5843335
   DIR [2] /Namen-fuer-Bundeswehrkasernen/!5961510
   DIR [3] https://www.bmvg.de/resource/blob/23234/6a93123be919584d48e16c45a5d52c10/20180328-die-tradition-der-bundeswehr-data.pdf
   DIR [4] /100-Jahre-Freistaat-Bayern/!5544530
   DIR [5] /Historikerin-ueber-NS-Kriegsverbrecher/!5846240
   DIR [6] /Diskussion-um-NS-Strassennamen/!5864067
   DIR [7] https://wattmitmedien.kurs.jade-hs.de/26883/bontekai-die-dinge-beim-namen-nennen/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Robert Matthies
       
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