# taz.de -- Politische Gefangene in Belarus: Endlich frei
> Nach Gesprächen in Minsk lässt Belarus 123 politische Gefangene frei,
> darunter Bürgerrechtlerin Kolesnikowa. Die USA hoben Sanktionen gegen
> Belarus auf.
IMG Bild: Maria Kolesnikowa mit Generalmajor Kyrylo Budanow, dem Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, nach ihrer Freilassung
Endlich: Sie ist frei, die belarussische Bürgerrechtlerin Maria Kolesnikowa
und mit ihr 122 weitere [1][politische Gefangene]. Das berichten die
belarussischen Medien Nascha Niwa und Zerkalo sowie die belarussische
Menschenrechtsorganisation Vjasna. In einem am Samstag geteilten Video ist
zu sehen, wie Kolesnikowa einen Freudenschrei ausstößt und dann Viktor
Babariko, der gerade aus einem Bus steigt, um den Hals fällt.
Kolesnikowa hatte 2020 die Wahlkampagne von Babariko geleitet, seine
Kandidatur wurde jedoch nicht registriert. Nach Babarikos Festnahme im Juni
2020 – er wurde 2021 wegen Bestechung und Steuerhinterziehung zu 14 Jahren
Haft verurteilt – hatte sie mit [2][Swetlana Tichanowskaja] und Veronika
Tsepkalo die [3][Oppsitionsbewegung] in Belarus angeführt.
Am 7. September 2020 war Kolesnikowa vom belarussischen Geheimdienst
festgenommen worden. Dem Versuch, sie in die Ukraine zu bringen,
widersetzte sich die heute 43-Jährige, indem sie ihren Pass zerriss. Am 6.
September 2021 erging in Minsk das Urteil: elf Jahre Haft wegen Extremismus
und „Gefährdung der nationalen Sicherheit“.
Die ganze Zeit ihrer Haft über war Kolesnikowa komplett von der Außenwelt
und ihrer Familie abgeschnitten. Informationen von Nascha Niwa zufolge war
sie vor Kurzen aus einer Strafkolonie in eine Untersuchungshaftanstalt
verlegt worden, um zuzunehmen und „vorzeigbarer“ auszusehen.
## Auch Friedensnobelpreisträger unter den Freigelassenen
Unter den Freigelassenen, darunter Staatsbürger*innen Polens,
Lettlands, Litauens, Großbritannines, der USA, Australiens, Japans und der
Ukraine, ist auch Ales Beljatzki, Leiter der Menschenrechtsorganisation
Vjasna. Er wurde 2022 mit zwei anderen Organisationen mit dem
Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Beljatzki und acht Ex-Gefangene wurden am Samstag nach Litauen, weitere 114
Personen, darunter Kolesnikowa, in die Ukraine gebracht. Diese Personen
seien laut der Pressesprecherin des belarussischen Präsidenten Alexander
Lukaschenko Natalia Esmont gegen verletzte russische Staatsbürger*innen
und inhaftierte Belaruss*innen ausgetauscht worden.
Von offizieller Seite in Kyjiw hieß es, nach einer medizinischen
Erstversorgung, bekämen sie Unterstützung bei einer Weiterreise nach
Litauen oder Polen, wenn sie dies wünschten.
Den Begnadigungen waren zweitägige Gespräche zwischen Lukaschenko sowie
John Coale, Sondergesandter von US-Präsident Donald Trump für Belarus, in
Minsk vorausgegangen. Nach deren Abschluss kündigte Coale vor
Journalist*innen die Aufhebung von US-Sanktionen gegen das
belarussische Unternehmen Belaruskali an.
## Normalisierung mit Belarus das Ziel
„Ich halte dies für einen sehr guten Schritt der USA für Belarus. Mit der
Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern werden nach und
nach weitere Sanktionen aufgehoben“, sagte Coale. Eine Annäherung zwischen
den USA und Belarus, um die beiderseitigen Beziehungen zu normalisieren,
sei das Ziel, so Coale weiter.
Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters sprach er von der Möglichkeit,
dass in den kommenden Monaten auch die über 1000 noch verbliebenen
politischen Gefangenen in Belarus frei kommen könnten. „Wir sind auf dem
richtigen Weg, die Dynamik ist da“, sagte er. Dann könnten auch die meisten
Sanktionen aufgehoben werden. „Ich denke, das ist ein fairer Handel“, so
Coale.
Nach der gewaltsamen Niederschlagung der Massenproteste 2020 sowie dem
Beginn von Russlands völkerrechtswidrigem Angriffskrieg gegen die Ukraine
am 24. Februar 2022 hatten sowohl die USA als auch die EU Sanktionen
verhängt – auch gegen Belaruskali. Diese hatten den Export von
Düngemitteln, deren Transport sowie die Möglichkeit von Transaktionen
beschränkt.
Nach Coles letztem Besuch in Minsk im vergangenen September waren 52
politische Gefangene frei gekommen. Das US-Ministerium strich die
staatliche belarussische Fluggesellschaft Belavia sowie den Geschäftsjet
Bombardier Challenger 850 von der Sanktionsliste. Diesen nutzen die Familie
Lukaschenkos sowie hochrangige belarussische Beamte.
Franjak Wjatschorka, Berater der im litauischen Exil lebenden Politikerin
Swetlana Tichanowskaja, nannte die jüngste Freilassung von politischen
Gefangenen ein Zeichen der Hoffnung und gutes Fundament für das kommende
Jahr. Gleichzeit appellierte er an die EU, ihre Strafmaßnahmen gegen Minsk
nicht aufzuheben. Genau das sei aber Lukaschenkos Hoffnung. Die
europäischen Sanktionen seien jedoch eine Art Sicherheitsnetz, das nicht
verloren gehen dürfe. „Es ist wichtig“, so Wjatschorka, „dass keine
weiteren Menschen ins Gefängnis kommen.“
14 Dec 2025
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## AUTOREN
DIR Barbara Oertel
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