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       # taz.de -- Zwei tote Roma nach Anschlag in Krefeld: Verbrannt und vergessen
       
       > In Krefeld starben 2019 nach einer Brandstiftung zwei Roma: Verginica und
       > Ioan Frincu. Ermittlungen wurden eingestellt – trotz rechter
       > Verdächtiger.
       
   IMG Bild: Das Haus in der Krefelder Spinnereistraße nach dem Brand 2019: Verginica und Ioan Frincu hatten keine Chance
       
       Ioan Frincu soll noch am Fenster der Dachgeschosswohnung um Hilfe geschrien
       haben, als hinter ihm schon die Flammen loderten. Immer wieder soll der
       47-Jährige gerufen und gewunken haben, inmitten schwarzer Rauchwolken, bis
       er auf einmal verschwand. Als Feuerwehrleute schließlich zur Wohnung
       vordrangen, konnten sie ihn nur noch tot auf dem Boden hinter dem Fenster
       auffinden. Neben ihm, auf dem Schlafzimmerbett, lag seine verbrannte Frau,
       Verginica Frincu.
       
       So berichteten es Zeug*innen und Einsatzkräfte nach der
       [1][verhängnisvollen Nacht vom 12. September 2019 in Krefeld]. Um 2.55 Uhr
       hatten Feuerwehrleute Notrufe erhalten, dass das schmale, dreigeschossige
       Mietshaus in der Spinnereistraße 25 brenne. In dem Gebäude wohnten vor
       allem Menschen aus Rumänien, wie in der Nachbarschaft bekannt war. Bei der
       Ankunft der Feuerwehr standen Bewohner*innen in Panik vor dem Haus,
       dichter Rauch vernebelte die Straße, auf einem Balkon riefen Erwachsene und
       ein Kind um Hilfe. Und ganz oben im Dachgeschoss tat es auch Ioan Frincu.
       
       Doch der Brand war da schon so stark, dass die Feuerwehr nicht mehr bis ins
       oberste Stockwerk vorrücken konnte. Lichterloh brannte das hölzerne
       Treppenhaus, der Dachstuhl drohte einzustürzen. Mit Drehleitern und einem
       Sprungtuch konnte die Feuerwehr noch die Personen vom Balkon retten. 30
       Menschen erlitten am Ende Rauchgasvergiftungen, drei kamen ins Krankenhaus.
       Für Verginica und Ioan Frincu aber kam jede Hilfe zu spät.
       
       Das rumänische Paar, zwei Roma, war erst wenige Wochen zuvor nach
       Nordrhein-Westfalen gezogen, um dort zu arbeiten. In dem Haus im Süden
       Krefelds sollen die beiden erst seit wenigen Tagen gelebt haben. Einfache
       Arbeiter seien sie gewesen, in Rumänien in Fabriken tätig, in Deutschland
       als Reinigungskräfte. So erzählt es Petrica Frincu, der Bruder von
       Verginica Frincu, der taz. „Rita“ riefen Bekannte seine Schwester.
       
       Ein Foto zeigt eine Frau mit langen schwarzen Haaren, der Blick ernst. Auch
       Ioan Frincu blickt auf einem Bild streng, die Haare kurz, die Schläfen
       angegraut. Gekommen waren beide aus Lugoj im Westen Rumäniens – nach
       Deutschland mit der Hoffnung auf ein anständiges, besseres Leben, wie
       Petrica Frincu sagt: „Doch jemand hat ihre Pläne durchkreuzt und sie auf
       grausame Weise getötet.“
       
       ## Ermittlungen schnell eingestellt
       
       Bis heute ist unklar, wer dieser jemand ist. Wer für den Tod des Pärchens
       verantwortlich ist – und aus welchem Motiv. Bruder Petrica Frincu hat einen
       Verdacht: Dass der Brand ein rassistisches Motiv gehabt haben könnte. „Ich
       denke leider, dass das der Grund war, denn meine Schwester und mein
       Schwager waren friedliche Menschen, die von ihrer täglichen Arbeit lebten“,
       sagt er. Und tatsächlich gerieten schon früh zwei Nachbarn mit rechter
       Gesinnung in den Fokus der Ermittler. Doch die Polizei stellte die
       Ermittlungen bereits nach 14 Monaten ergebnislos ein, am 26. Januar 2021.
       
       Nun aber, fast fünf Jahre später, unternimmt Petrica Frincu mit seinem
       Anwalt, [2][dem Berliner Sebastian Scharmer], nochmal einen Anlauf zur
       Aufklärung. Sie stellten am Wochenende einen Antrag auf Wiederaufnahme des
       Verfahrens bei der Staatsanwaltschaft Krefeld. Weil bisher nicht alle
       Hinweise gegen die zwei rechten Tatverdächtigen und andere Personen
       verfolgt worden seien. Und weil es neue Hinweise gibt, darunter ein
       anonymes Schreiben, das von einem rechten Täter spricht.
       
       „Jeder an meiner Stelle würde wissen wollen, wer zu solch einer Tat fähig
       war, die zwei Menschen das Leben kostete“, sagt Petrica Frincu. Dass die
       Ermittlungen trotz offener Hinweise eingestellt wurden, verstärke seinen
       Verdacht, „dass hier etwas verheimlicht wird“. Auch Anwalt Scharmer betont:
       „Solange es noch offene Hinweise und Widersprüche in diesem Verfahren gibt,
       muss diesen nachgegangen werden.“ Dies sei auch keine reine Bitte der
       Hinterbliebenen, sondern eine rechtliche Pflicht der Staatsanwaltschaft.
       
       Für zivilgesellschaftliche Initiativen war der Tod von Verginica und Ioan
       Frincu schon zuletzt ein Verdachtsfall, den sie zu den Todesopfern durch
       rechte Gewalt zählten. 117 solche Opfer erkennen staatliche Behörden seit
       1990 offiziell an – die [3][Initiativen und eine Langzeitrecherche der Zeit
       kommen dagegen auf 203 Todesopfer]. Dazu kommen 74 Fälle, bei denen für die
       Zivilgesellschaft ein rechtes Motiv naheliegt, aber letzte Beweise fehlen.
       Dazu gehören Verginica und Ioan Frincu.
       
       ## Nachbar schon mit Brandstiftungen aufgefallen
       
       Bereits am Tag nach dem Brand stand für die Einsatzkräfte fest, dass für
       das Unglück kein technischer Defekt, sondern eine Brandstiftung
       verantwortlich war. Offenbar wurden im Hausflur des Erdgeschosses
       abgestellte Gegenstände angezündet, die Haustür soll laut
       Anwohner*innen oft offen gestanden haben. Noch am selben Tag schwärmte
       die Polizei aus und befragte die ersten von hunderten Anwohner*innen im
       und um das Brandhaus. Für Streit im Haus fanden die Ermittler keine
       Anhaltspunkte. Aber sie befragten nach taz-Informationen auch zwei Männer,
       die schon vorher mit diversen Straftaten auffielen, einer auch mit
       Brandstiftungen: Patrick N. und Christian B., beide miteinander bekannt,
       beide arbeitslos.
       
       Patrick N. wohnt nur 300 Meter vom Brandhaus entfernt. Als die Polizei bei
       ihm anrückte, soll der 41-Jährige den Vorwurf, er könne der Brandstifter
       sein, sofort zurückgewiesen haben. Er beschuldigte vielmehr seinen Kumpel
       Christian B.: Denn der habe ja schon mal wegen Brandstiftung eingesessen
       und sei oft nachts mit dem Roller unterwegs. Patrick N. soll angegeben
       haben, in der Nacht in seiner Wohnung gewesen zu sein, die er sich mit
       seinem Bruder und seiner 70-jährigen Mutter teilt. Sie hätten, wie öfter,
       bis tief in die Nacht ferngesehen, als sie Blaulicht bemerkten. Seine
       Mutter habe ihn darauf nach draußen geschickt, um zu schauen, was los sei.
       Da habe das Haus schon bis zum Dachstuhl gebrannt.
       
       Aber auch Christian B. soll die Brandstiftung sofort bestritten haben. Den
       Ermittlern soll der 51-Jährige freimütig erzählt haben, dass er am Tatabend
       mit einem Bekannten an mehreren Lkws Planen aufgeschlitzt habe, um nach
       Diebesgut zu suchen. Ein Fernfahrer hätte sie erwischt, sie seien geflohen.
       Nach Mitternacht sei B. wieder zu Hause gewesen und habe sich schlafen
       gelegt – bis er von Patrick N. übers Handy geweckt worden sei, der ihm von
       dem Brand erzählt habe.
       
       Beide Männer waren nach taz-Informationen indes schon einen Monat zuvor im
       Visier der Polizei. Bereits da, am 25. August 2019, hatte es in ihrer
       Nachbarschaft gebrannt – an neun Autos und einem Wohnwagen. In einem Fall
       griffen damals Flammen auf ein Wohngebäude über. Und Christian B. saß schon
       2006 für gut vier Jahre in Haft, unter anderem weil er mehrere Autos
       angezündet hatte.
       
       In der Brandnacht ging auch ganz in der Nähe noch ein Abfallcontainer eines
       Supermarkts in Flammen auf. Und hier hatte die Polizei, durch
       Überwachungskameras, auch das Bild des Täters: ein Mann mit Jeans und
       dunkler Jacke, die Ärmel hell. Auf dem Handy von Christian B. wird später
       das Foto eines Mannes gefunden haben, der genau diese Kleidung trug.
       
       Der Mann wurde auch identifiziert und kurz befragt – er soll angegeben
       haben, in der Tatnacht geschlafen zu haben. Weiter überprüft wurde das
       offenbar nicht. Aber auch auf dem Handy von Patrick N. fand die Polizei ein
       Foto des Containerbrands. Was sie bei ihm Zuhause noch fand: einen
       Benzinkanister, Grillanzünder und eine Propangasflasche zum
       Unkrautverbrennen. Alles Mittel, die auch für eine Brandstiftung verwendet
       werden können.
       
       ## Rechte Gesinnung, fragwürdige Alibis
       
       Beide Männer verstrickten sich nach taz-Informationen bei ihren
       Vernehmungen in Widersprüche. So soll Patrick N. erzählt haben, dass
       Christian B. in der Tatnacht bei einem Bekannten, nahe dem Tatort, gewesen
       sei und diesen 20 Minuten vor dem Brand verlassen habe – was Christian B.
       bestritt. Dass dieser indes mit einem anderen Mann an dem Abend Lkw-Planen
       aufgeschlitzt haben will, wies wiederum dieser Mann zurück.
       
       „Warum wurde diesen Widersprüchen nicht weiter nachgegangen?“, kritisiert
       Anwalt Scharmer. Es müsse doch geklärt werden, warum B. und N. falsche
       Angaben machten. Und auch ihr Alibis überzeugen Scharmer nicht. Diese seien
       nur Eigenaussagen oder würden im Fall von Patrick N. nur von dessen
       pflegebedürftiger Mutter bestätigt, die laut eigener Aussage nicht weiß,
       was sie machen solle, wenn ihr Sohn ins Gefängnis ginge.
       
       Dazu kommt, dass auch die Gesinnung von B. und N. ein Tatmotiv sein könnte.
       Eine Nachbarin des Brandhauses soll der Polizei geschildert haben, dass sie
       beim nächtlichen Feuerwehreinsatz Patrick N. getroffen habe. Auf ihre Frage
       an ihn, ob alle Menschen im Haus in Sicherheit seien, soll dieser nur
       geantwortet haben, es handele sich um das „Rumänenhaus“, das „voller
       Sperrmüll und Schrott“ sei. Auch Christian B. soll seinem Bekannten
       gegenüber Ermittlern attestiert haben, „nicht gerade ausländerfreundlich“
       zu sein, einen „auf Sieg Heil“ zu machen oder über „Scheiß N****“ zu
       schimpfen. Ermittler sollen auf Handys der beiden rechtsextreme Bilder,
       darunter Hakenkreuze, gefunden haben.
       
       Christian B. räumte gegenüber Ermittlern zudem offenbar ein, früher auf
       zwei NPD-Kundgebungen gewesen zu sein. Heute sei er aus der Szene raus,
       behauptete er. Auf Social Media teilte er aber weiter Sprüche wie: „Wir
       sind keine Nazis, nur weil wir Wahrheiten offen aussprechen.“
       
       Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen gegen die beiden Männer
       dagegen mit der Begründung ein, ihre Alibis seien nicht zu widerlegen.
       
       ## Der anonyme Brief
       
       Nach taz-Informationen tauchte aber fünf Monate nach der Einstellung, im
       Juni 2021, ein neuer Hinweis auf, der ein politisches Motiv behauptet: ein
       anonymes Schreiben an die Polizei Krefeld. Vermerkt ist darin, dass die
       Täter im Umfeld eines „Nazis“ zu finden seien – benannt wurde konkret ein
       Krefelder, aber ein anderer als Christian B. und Patrick N. Dieser Mann
       werde von einem konkret benannten Polizisten mit Interna über „Linke und
       Ausländer“ versorgt und vor Ermittlungen gewarnt, so der Verfasser. In
       Behördenunterlagen heißt es dazu nur: Das Schreiben enthalte „bloße
       Behauptungen“ und stelle „keinen tauglichen Ermittlungsansatz“ dar.
       
       Anwalt Scharmer kann das nicht nachvollziehen. „Mir ist nicht bekannt, dass
       zu dem Schreiben in irgendeiner Art ermittelt wurde – was in einem solch
       folgenschweren Fall mit zwei Toten nicht nachvollziehbar ist.“ Zumindest
       hätte geklärt werden müssen, in welcher Beziehung der Benannte zu B. und N.
       stand. Und auch bei der rechten Gesinnung hätten bei den Ermittlern „alle
       Alarmglocken schrillen“ müssen, so Scharmer. Ebenso sei bis heute nicht der
       Aussage einer Nachbarin des Brandhauses nachgegangen worden, die zur
       damaligen Tatzeit einen auffälligen Mann mit schwarzer Weste im Hinterhof
       des Nachbarhauses neben dem Brandort gesehen haben will – den sie später
       auf Fahndungsfotos wiedererkannte.
       
       Für Petricia Frincu, dem Bruder der getöteten Verginica Frincu, bleibt es
       kaum zu ertragen, dass bis heute niemand für die Brandstiftung zur
       Verantwortung gezogen wurde – und dass die Tat rassistisch motiviert sein
       könnte. „Ich hoffe, die Wahrheit kommt noch ans Licht und die Täter werden
       zur Rechenschaft gezogen“, sagt Frincu der taz.
       
       Und auch die rumänische Community in Krefeld lässt der Fall nicht los. „Es
       gibt bis heute keine Antwort, warum hier zwei Menschen gestorben sind“,
       sagt dort der Pastor Beniamin Ianko, der nach dem Brand mehrere betroffene
       Familien betreute. Sein Eindruck sei, dass der Fall schnell abgehakt wurde,
       weil Roma betroffen seien, die „keinen interessierten“, so Ianko: „Wären
       die Opfer andere gewesen, wären die Ermittlungen anders gelaufen.“
       
       Petrica Frincu und seine Familie ließen derweil die Leichname von Verginica
       und Ioan Frincu nach Rumänien überführen und dort begraben. Das Haus in der
       Spinnereistraße 25 in Krefeld wird derzeit noch saniert. Bald sollen neue
       Mieter*innen einziehen. Heute erinnert dort nichts mehr an das getötete
       Paar.
       
       14 Dec 2025
       
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   DIR Konrad Litschko
       
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