# taz.de -- 34 Befunde falsch bewertet: Brustkrebs-Fehlbehandlung in Bremen
> Eine Pathologin in Bremen hat mehrfach einen Tumormarker falsch gedeutet.
> Die Aufklärung steht am Anfang. Aber CDU und FDP meinen, die Gründe zu
> kennen.
IMG Bild: Am Bremer Klinikum Mitte wurden Brustkrebsbefunde falsch bewertet
In Bremen soll eine externe Prüfung aufklären, wie es zu einer Fehlerserie
bei der Bewertung von Brustkrebsbefunden kommen konnte. Das bekräftigte am
Dienstag [1][im Parlament] Bremens Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard
(Die Linke). Sie sagte aber auch, wie schwer es sei, jemand für diese
Aufgabe zu finden. Auf Nachfrage der taz konnte ihre Sprecherin nicht
sagen, welche Qualifikation genau gesucht werde.
Derweil weiß die Opposition ohne Prüfung und Kenntnis der genauen Umstände,
dass strukturelle Probleme ursächlich sind, wie CDU- und
FDP-Parlamentsabgeordnete in der Sitzung der Stadtbürgerschaft kundtaten.
Beide Fraktionen hatten bereits sechs Tage nach Bekanntwerden der
Fehlerserie am 2. Dezember [2][detaillierte Anfragen an den Senat]
gestellt.
Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt – gegen unbekannt wegen des Verdachts
auf fahrlässige Körperverletzung, wie eine Sprecherin der taz sagte. Das
liegt daran, dass Patient:innen aufgrund der fehlerhaften Befunde
Therapien bekommen haben, die nicht indiziert waren, aber mit [3][schweren
Nebenwirkungen] sowie Langzeitschäden verbunden sein können.
Im Fokus des [4][öffentlichen Interesses] hatte zunächst eine Oberärztin
gestanden, die nach Aussagen der kommunalen Krankenhausgesellschaft Geno
allein für 34 fehlerhafte Befunde am Klinikum Bremen-Mitte verantwortlich
sein soll. Stichprobenhaft seien Befunde weiterer Ärzt:innen untersucht
worden, dabei habe es nichts zu beanstanden gegeben, teilte eine
Geno-Sprecherin der taz mit. Und: „Wir können uns das nicht erklären.“ Die
Ärztin sei eine erfahrene Pathologin, die jetzt allerdings nicht mehr für
die Bremer Klinik tätig sei.
## Freistellung auch in Göttingen
Auch die Universitätsklinik Göttingen, in der sie ebenfalls in Teilzeit
arbeitet, hat sie bis Weihnachten freigestellt – „um die Hintergründe
transparent und umfassend aufzuarbeiten“, wie eine Kliniksprecherin der taz
mitteilte. Man kann annehmen, dass dies auch zum Schutz der Ärztin
geschieht, der jetzt so schwere Schuld zugeschoben wird.
Die Göttinger Kliniksprecherin schreibt auch, dass sämtliche von der Ärztin
bearbeiteten Fälle aus dem Zeitraum Oktober 2024 bis November 2025
sorgfältig überprüft worden seien, ohne dass sich weitere Auffälligkeiten
ergeben hätten. Sie ist dort anders als in Bremen nicht mit der Bewertung
von Brustkrebsbefunden betraut. Nur bei diesen hat sie offenbar wiederholt
denselben Fehler gemacht. In Bremen ergab die Prüfung anderer Krebsbefunde
von ihr laut Krankenhausgesellschaft keine weiteren Unstimmigkeiten.
Nicht erklärbar ist derzeit, warum die fehlerhaften Befunde erst ab Februar
2025 auftauchen. Das hat nach Angaben der Geno die Überprüfung all ihrer
500 Brustkrebsbefunde zwischen dem Beginn ihrer Tätigkeit im Oktober 2024
und dem Ende im November 2025 gezeigt. Was sich im Februar verändert hat,
ob es technische Neuerungen gab oder ob die Ärztin ab diesem Zeitpunkt die
Proben nicht mehr in Bremen, sondern in Göttingen und damit vor einem
anderen Monitor bewertet hat: Das sagt die Geno nicht mit Verweis auf die
strafrechtlichen Ermittlungen.
Es geht bei der ganzen Geschichte um die Erkennung eines bestimmten
[5][Typs von schnell wachsendem Brustkrebs], der bei etwa 15 bis 20 Prozent
der Patient:innen vorliegt. Dieser kann seit etwa 25 Jahren mit einem
damals neuen Medikament sehr gut behandelt werden. Diese Therapieform hat
entscheidend zur Senkung der Sterblichkeitsrate bei Brustkrebs beigetragen.
Es handelt sich um eine Antikörpertherapie, die mit einer Chemotherapie
kombiniert wird.
„Als die Studien damals zeigten, wie gut das Medikament wirkt, gab es
Standing Ovations“, sagt [6][Annette Lebeau]. Sie ist Pathologin in eigener
Praxis in Lübeck, Vizepräsidentin des Berufsverbandes Deutscher
Pathologinnen und Pathologen und Professorin am Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf. Als ausgewiesene Expertin für die Beurteilung von
Brustkrebsbefunden erklärt sie der taz am Telefon die Diagnostik dieses
speziellen Krebstyps.
## Ein grenzwertiges Ergebnis
Die sei heutzutage ein Routineverfahren mit etablierten Maßnahmen der
Qualitätssicherung. Würden die eingehalten, sei die Diagnostik nicht
fehleranfälliger als andere, sagt Annette Lebeau. Mithilfe von markierten
Antikörpern werde mikroskopisch untersucht, ob das Protein HER2 stark
vermehrt auf den Krebszellen vorhanden ist. Es beeinflusst die
Wachstumsrate. In ungefähr 15 bis 30 Prozent aller Fälle ergebe dieser Test
ein grenzwertiges Ergebnis, den so genannten „Score 2+“, sagt sie. Das
bedeutet, dass ein zweites Verfahren herangezogen werden muss, um zwischen
HER2-positiv und -negativ zu unterscheiden.
In den 34 Fällen am Klinikum Bremen-Mitte hatte die Oberärztin nicht
erkannt, dass sie diese Gruppe mit dem Score 2+ vor sich hatte. Sie hatte
stattdessen, das sagt die Sprecherin der Klinik, die Immunhistochemie der
Gewebeproben mit dem „Score 3+“ als stark gefärbt und damit als eindeutig
positiv bewertet. Andere Proben habe sie richtig als 2+ interpretiert.
Die Patient:innen hatten daraufhin eine Antikörpertherapie bekommen,
die nicht bei allen einen medizinischen Nutzen hatte. Einige hätten auch
die Chemotherapie nicht gebraucht, sagte die Geno-Sprecherin der taz. Wie
viele falsch behandelt wurden und wie viele richtig im Sinne eines
Therapieerfolgs, könne sie nicht sagen. Auch nicht, wie viele nur die
Chemotherapie bekommen hatten.
Offen bleibt, wie es dazu kommen konnte, dass die Ärztin so viele Befunde
fehlerhaft interpretierte. „Wir haben hohe Qualitätsstandards in
Deutschland etabliert, um solche und andere Fehler zu vermeiden“, sagt die
Lübecker Pathologin Annette Lebeau. Die Situation in Bremen stelle deshalb
eine Ausnahme dar. „Welche Sicherungsmaßnahmen hier versagt haben, muss
kritisch geprüft und differenziert betrachtet werden.“
Dabei wird es auch darum gehen, ob in der Pathologie am Klinikum Mitte
ausreichend fachärztliche Expertise und Kapazitäten für die Diagnostik der
verschiedenen Krebserkrankungen vorhanden sind. Derzeit arbeiten dort neben
dem Chefarzt nur zwei Fachärzt:innen. Sie müssen jetzt nach dem Ausscheiden
der Oberärztin nicht nur deren Arbeit übernehmen. Als vertrauensbildende
Maßnahme sollen sie alle Brustkrebsbefunde nach dem Vieraugenprinzip
bewerten. Dies ist kein Standardverfahren und wird von den Krankenkassen
nicht bezahlt.
12 Dec 2025
## LINKS
DIR [1] https://vimeo.com/1144972412
DIR [2] https://www.bremische-buergerschaft.de/dokumente/wp21/stadt/drucksache/D21S0686.pdf
DIR [3] /Amputation-wegen-Tumor/!5813697
DIR [4] https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/klinikum-bremen-mitte-krebs-falsche-befunde-100.html
DIR [5] https://www.krebshilfe.de/informieren/ueber-krebs/krebsarten/brustkrebs/#c20574
DIR [6] https://www.pathologen-luebeck.de/aerzteteam/cv-prof-dr-med-annette-lebeau/
## AUTOREN
DIR Eiken Bruhn
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