# taz.de -- Pestizid unter Krebsverdacht: Umstrittene Glyphosat-Studie nach 25 Jahren zurückgezogen
> Eine zentrale Studie zur Sicherheit des Pestizids ist wegen ethischer
> Probleme zurückgezogen worden. EU-Behörden sagen, sie hätten sie nicht
> zitiert.
IMG Bild: Der Unkrautvernichter Roundup für den Garten enthält Glyphosat. Die umstrittende Glyphosat-Studie wurde nach 25 Jahren zurückgezogen
dpa/taz | Eine Studie aus dem Jahr 2000, die eine zentrale Rolle in der
Debatte um die Sicherheit des Pestizids [1][Glyphosat] spielt, ist von der
Fachzeitschrift Regulatory Toxicology and Pharmacology formell
zurückgezogen worden. Das Papier war ein wichtiges Argument für Angaben des
damaligen Herstellers Monsanto, das Unkrautvernichtungsmittel Roundup und
sein Wirkstoff Glyphosat hätten keine krebserregenden Wirkungen. Zuständige
EU-Behörden teilten der taz jedoch mit, dass sie die Studie nicht für ihre
Bewertung von Glyphosat herangezogen hätten.
Die Studie habe weithin als wegweisend in der Debatte über das Pestizid
gegolten, hieß es vom Fachverlag Elsevier, in dem das Fachblatt erscheint.
Nun sei aber unklar, ob die gezogene Schlussfolgerung – dass Glyphosat und
das Präparat Roundup nicht krebserregend sind – tatsächlich korrekt ist.
Es wurden Bedenken hinsichtlich der Urheberschaft der Studie, der
Gültigkeit der Ergebnisse im Zusammenhang mit einer falschen Darstellung
der Beiträge der Autoren und des Studiensponsors sowie potenzieller
Interessenkonflikte der Autoren geäußert, schreibt der zuständige
Chefredakteur Martin van den Berg in der Mitteilung. Demnach gibt es
mehrere Punkte, die zur Rücknahme führten, unter anderem:
## Bewertung der Karzinogenität
Die Schlussfolgerungen der Studie hinsichtlich der Karzinogenität von
Glyphosat basierten ausschließlich auf Studien von Monsanto, die kein
tumorauslösendes Potenzial zeigten, schreibt van den Berg. Zum Zeitpunkt
der Veröffentlichung habe es aber andere Langzeitstudien zur chronischen
Toxizität und Karzinogenität gegeben, deren Daten nicht berücksichtigt
wurden.
## Mangelnde Unabhängigkeit der Autoren
Ein Rechtsstreit in den USA brachte Korrespondenz von Monsanto ans Licht,
aus der hervorgeht, dass die drei in der Studie genannten Autoren wohl
nicht allein für den Inhalt verantwortlich waren. Stattdessen hätten
möglicherweise Mitarbeiter von Monsanto ohne ordnungsgemäße Nennung als
Mitautoren an der Erstellung mitgewirkt.
## Falsche Darstellung der Beiträge
Die Beiträge, die anscheinend von Mitarbeitern von Monsanto als Mitautoren
verfasst wurden, wurden im Abschnitt „Danksagungen“ nicht ausdrücklich als
solche erwähnt. „Diese Auslassung lässt vermuten, dass die Autoren ihre
jeweiligen Rollen und den kooperativen Charakter der vorgestellten Arbeit
falsch dargestellt haben könnten.“
## Fragen zur finanziellen Vergütung
Weitere während des Rechtsstreits offengelegte Korrespondenz mit Monsanto
deutet der Mitteilung zufolge darauf hin, dass die drei offiziell genannten
Autoren möglicherweise eine finanzielle Vergütung von Monsanto für ihre
Arbeit an der Studie erhalten haben, was nicht offengelegt wurde.
## Historischer Kontext und Einfluss
Die Studie hatte jahrzehntelang einen erheblichen Einfluss auf
regulatorische Entscheidungen in Bezug auf Glyphosat und Roundup, wie es
hieß. „Angesichts seines Status als Eckpfeiler für die Bewertung der
Sicherheit von Glyphosat ist es unerlässlich, dass die Seriosität dieses
Übersichtsartikels und seiner Schlussfolgerungen nicht beeinträchtigt
wird.“
Erst vor wenigen Monaten hatte ein Forschungsduo im Fachjournal
Environmental Science & Policy berichtet, wie stark die Studie dennoch
weiter zitiert wird und Einfluss hat: Der Aufsatz gehört demnach zu den 0,1
Prozent der meistzitierten Studien in der Glyphosat-bezogenen Forschung.
Die Enthüllungen über Monsantos verdeckte Beteiligung hätten daran kaum
etwas verändert.
Allerdings schrieb die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) der
taz: „Der Artikel gehörte nicht zu den Studien, auf die sich die
Risikobewertung von Glyphosat stützte.“ Auch die EU-Chemikalienbehörde
(Echa) teilte mit, sie habe die Studie „nicht in die Bewertung von
Glyphosat“ einbezogen. Beide Behörden hatten die wissenschaftliche
Grundlage dafür geliefert, dass die EU-Kommission das Mittel 2023 für
weitere 10 Jahre zuließ.
Das New York Medical College, bei dem der letzte noch lebende Autor der
Studie gearbeitet hat, ließ eine Bitte der taz um Stellungnahme bis
Redaktionsschluss unbeantwortet.
In einer Mitteilung des Konzerns Bayer, der Monsanto 2018 übernommen hatte,
hieß es: „Von Monsanto hat sich niemand als Autor beteiligt und der Bezug
des Unternehmens zu dem Papier wurde ordnungsgemäß offengelegt.“ Bei der
zurückgezogenen Studie handele sich um einen reinen Übersichtsartikel
ordnungsgemäß eingereichter Studien, erklärte Konzernsprecher Philipp Blank
in einer Stellungnahme auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur.
„Glyphosat ist das in den letzten 50 Jahren am umfassendsten untersuchte
Herbizid.“ Unter führenden Regulierungsbehörden weltweit herrsche
Einigkeit, dass Glyphosat bei sachgemäßer Anwendung sicher sei.
Glyphosat gilt nach Einschätzung der Internationalen Agentur für
Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsagentur (WHO) als wahrscheinlich
krebserregend für den Menschen. Behörden wie die Europäische Behörde für
Lebensmittelsicherheit (EFSA) und das Bundesinstitut für Risikobewertung
(BfR) sehen bei Einhaltung der Anwendungsregeln kein relevantes
Krebsrisiko. In den USA hatten in den vergangenen Jahren an Krebs erkrankte
Menschen, die Roundup verwendet hatten, mehrfach hohe Schadenersatzsummen
zugesprochen bekommen.
10 Dec 2025
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## AUTOREN
DIR Jost Maurin
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