# taz.de -- Sparkasse untersucht ihre Geschichte: Sparen für Volk und Führer
> Die Sparkassen profitierten in der NS-Zeit massiv von der Propaganda des
> Regimes. In Bremen wird das jetzt durch eine Studie nachvollziehbar.
IMG Bild: Sparen ist kriegswichtig: Die Bürger*innen werden von der Sparkasse an ihre Pflichten erinnert
„Das letzte gehamsterte Markstück muß aus seinem Versteck heraus!“,
verkündete die Bremer Sparkasse 1935 mit Aushängen in gefetteter
schwarz-roter Fraktur zum „Nationalen Spartag“. Sparen sei „mehr denn je
Pflicht“, heißt es da. Und: „Erfüllt sie, nicht um des eigenen geldlichen
Nutzens willen, sondern, weil es um Deutschland geht!“ Das sah auch das
NS-Regime so.
Die Sparkassen galten, in scharfer Abgrenzung zur „jüdischen“
Finanzwirtschaft der Privatbanken, als Rückgrat „völkischen Wirtschaftens“.
2015, als die Bremer Sparkasse eine Jubiläumsschrift zum 190-jährigen
Bestehen herausgab, waren solche Zitate nicht zu sehen. Dafür viele Bilder,
die auf die Nostalgie einzahlten.
Zeitgleich zeigte das kleine ostfriesische Schwesterinstitut in
Aurich-Norden, wie eine vollständige Geschichtsdarstellung funktioniert:
Auf dem Dachboden hatten Mitarbeitende 20 Kartons entdeckt. Einer hatte die
Aufschrift „Totes Depot“ und enthielt minuziös geführt Listen von
geplünderten Konten jüdischer Kund:innen. Die Sparkasse Aurich-Norden
untersuchte ihre Rolle im Nationalsozialismus daraufhin umfassend – und
beschrieb sie zusammenfassend als die eines „willigen Vollstreckers“.
Zum 200-Jährigen hat nun auch die Bremer Sparkasse eine groß angelegte
Studie in Auftrag gegeben. Die soll, betont der Vorstandsvorsitzende Tim
Nesemann, „umfassend und kritisch“ ihre Geschichte „vom Ersten Weltkrieg
bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland“ darstellen. Mit diesem
Arbeitstitel wird die NS-Zeit zwar eher flankiert als genannt – aber der
Wille, es anders als 2015 zu handhaben, ist unstrittig.
Dafür steht schon die Wahl des beauftragten Forschers: Harald Wixforth ist
einschlägig renommiert als unabhängiger Wirtschaftshistoriker. Seine
Untersuchung der Dresdner Bank Ende der 1990er Jahre war richtungsweisend.
## Finanzwesen hat Aufarbeitung vielfach noch vor sich
Die Sparkassen hinken in der Vergangenheitsaufarbeitung dagegen ziemlich
hinterher, staatliche Institute wie die Preußische Staats- oder die Bremer
Landesbank ebenso. Unterbelichtet ist bisher auch die Kreditwirtschaft in
den besetzten Gebieten. Eine große gruselige Geschichte der Ausplünderung
jüdischer Kund:innen und anderer Verfolgter wäre hier zu schreiben – was
bislang nicht in Sicht ist.
Dass die Frankfurter Sparkasse 2022 den [1][von ihr beauftragten Historiker
feuerte,] führte zu viel Wirbel. Stand heute ist eine Handvoll Sparkassen
dabei, ihre Geschichte umfassend anzuschauen. Lange war Bielefeld, wo
Wixforth vor 25 Jahren ebenfalls Pionierarbeit leistete, diesbezüglich ein
Solitär.
Das Standardargument: Es gäbe keine Quellen. Wixforth lässt das nicht
gelten: „Wenn die mal wirklich suchen würden, fände sich schon etwas.“ Die
Bremer haben das getan und einen Keller voller Akten entdeckt. Sie sind nun
auf 135 Regalmetern sortiert, die Sparkasse hat dafür eigens eine
Archivarin eingestellt. Wixforth nennt das einen „riesigen Schatz für die
Forschung“, der somit gehoben worden sei.
Teil des Schatzes sind die Protokolle sämtlicher Verwaltungsratssitzungen.
Aus ihnen hat Wixforth herausgelesen, wie 1933 das Arrangement aussah: Die
beiden Direktoren durften, obwohl einer von ihnen Freimaurer war, bleiben
und weiter das operative Geschäft verantworten. Für die strategischen
Entscheidungen jedoch wurde der Verwaltungsrat durch Parteileute
nazifiziert. Der neue Vorsitzende: Bürgermeister Heinrich Böhmcker, aus
mancher Saalschlacht als „Latten-Böhmcker“ bekannt. Im Verwaltungsrat
bestand er, so Wixforth, auf der Anrede „Herr SA-Obergruppenführer“.
Opfer der Verdrängung im Verwaltungsrat wurde Walther Schünemann,
Herausgeber der „Bremer Nachrichten“: 1936 verlor er Amt und Zeitung. Er
hatte sich geweigert, regimekritische Autoren aus seinem Verlagsprogramm zu
nehmen. An Schünemanns Stelle rückte der notorische Nazi Kurt Thiele, zu
dessen vielen Ämtern das des „Gauamtsleiters für Rassenpolitik und
Volkstumsfragen“ gehörte.
In der Belegschaft verloren zunächst Frauen ihren Job, um (Arbeits-)Platz
für „verdiente Kämpfer“ zu schaffen. Ab 1936 sei, so Wixforth, „ein
systematischer Personalumbau“ zu beobachten: „Politisch Unzuverlässige“
wurden entlassen, „Gefolgschaftsabende“ mit weltanschaulicher Schulung
obligatorisch. Gab es dagegen Opposition? Ein Angestellter, sagt Wixforth,
habe die Teilnahme verweigert und sei daraufhin verhaftet worden.
Entlassungen jüdischer Angestellter? Gab es nicht, weil, soweit bekannt,
von vornherein nicht vorhanden.
## Bremen nannte sich „Stadt der Sparer“
Ein zweiter wichtiger Befund Wixforths ist, wie erfolgreich die Sparkasse
Bremen während der NS-Zeit wirtschaftete. Ab 1933 habe es eine
„kontinuierliche Verbesserung der Ertragslage gegeben“. Seit 1935 nannte
sich Bremen „Stadt der Sparer“: Auf 100 Bremer:innen kamen 68
Sparkassenbücher, der reichsweite Spitzenwert. Ab 1940 sind nochmal
exorbitant gesteigerte Spareinlagen zu beobachten. Das lag nicht nur an der
Unterstützung durch das Regime, am „HJ-“ und „BdM-Sparen“, sondern ab 1939
auch an abnehmenden Konsummöglichkeiten.
Die Kriegsfinanzierung war zugleich ein wichtiger Grund, die Bevölkerung
zum Sparen anzuhalten. Die Propaganda klang freilich friedlicher: „Das
Geld, das zur Sparkasse gebracht wird, fließt in die Wirtschaft, läßt
Schornsteine rauchen und Mühlen klappern.“ Allerdings: Wer Geld hamstere
„verdient nicht, Mitglied der deutschen Volksgemeinschaft zu sein“.
Und diejenigen, die gar nicht erst als Mitglied dieser „Volksgemeinschaft“
angesehen wurden? Als jüdische Kund:innen ihre Kredite nicht mehr
bedienen konnten, habe die Sparkasse „gerne zugegriffen“, sagt Wixforth,
und deren Immobilien mit Gewinn weiterverkauft.
Seit 1935 verschickte die Reichsbank Listen mit Personen, darunter viele
politische Gegner, an die keine „Registerguthaben zu Reisezwecken“
ausgezahlt werden durften. Zunächst geschah dies noch eher verdeckt: „Wir
ersuchen ergebenst, die Aufstellung im Dienstgebrauch möglichst unauffällig
einzusehen“, heißt es in einer Anweisung. „Über ihr Bestehen darf keine
Auskunft erteilt werden. Insbesondere ist auch der Ausdruck ‚schwarze
Liste‘ unter allen Umständen zu vermeiden.“
1938 fielen solche Hemmungen: Auf die Kontokarten jüdischer Kund:innen
musste auf Anordnung der Reichsbank mit roter Tinte „Israel“ oder „Sara“
geschrieben werden. Ab 1942 wurden die Guthaben an die Reichsbank abgeführt
– ebenso der Schmuck aus den Schließfächern.
Gegen die Reichsbank habe man sich kaum wehren können, sagt
Sparkassen-Vorstand Nesemann. Hätte man sich denn wehren wollen? Dafür hat
Wixforth keine Hinweise gefunden. Sehr wohl jedoch war Widerstand möglich,
als die Sparkasse, seit ihrer Gründung 1825 ein „freies Institut“, mit
massivem Druck kommunalisiert werden sollte.
Wixforths Studie erscheint 2026 in einem Umfang von etwa 600 Seiten.
Kleiner Tipp: 2027 feiert die Hamburger Sparkasse, Deutschlands größte, ihr
200. Jubiläum. Wieviel Geschichte darf es sein?
15 Dec 2025
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## AUTOREN
DIR Henning Bleyl
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