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       # taz.de -- „Porneia“ in Hamburg: Mit Tradwifes auf Fickmission
       
       > Statt ihre Dissertation über Femizide zu schreiben, landet Melli im
       > Olymp: Das Stück „Porneia“ überschreibt sehr lose Aristophanes’
       > „Lysistrata“.
       
   IMG Bild: Die Göttinnen entpuppen sich als kostümierte Tradwifes: Szene aus „Porneia“
       
       Über Femizide in der Mythologie und in der Literatur, darüber will Melli
       eine Doktorarbeit schreiben. Den Titel – „Die Frau und der Tod“ – und
       [1][ein paar interessante Thesen hat sie schon]. Nur ein Doktorvater fehlt.
       Sie versucht es bei Professor Reitz. Doch der, nur als Softmacho-Stimme vom
       Technikpult auf der Bühne des Hamburger Thalia-Theaters in der Gaußstraße
       präsent, nimmt sie nicht ernst.
       
       Er [2][schlägt „Werther“ vor]. Wissenschaftliche Ausführungen zum
       „empfindsamen Mann“ und so, das fände er wichtig und feministisch.
       [3][Schlimmstes Mansplaining], das ist klar. Ruth Maria Kröger ist als
       Melli überzeugend sauer.
       
       Sie sucht Verständnis bei ihrer woken Freundin Tricia, gespielt von Diana
       Marie Müller. Dann wendet sie sich an die Göttinnen: „Schenkt mir eine Welt
       ohne Männer!“, ruft sie Athene, Aphrodite und Demeter an, die den beiden
       aufgekratzten Freundinnen prompt Einlass in den Olymp und ein Gespräch
       gewähren.
       
       Darum ungefähr geht es in „Porneia“, einer nun uraufgeführten, sehr losen
       Überschreibung von Aristophanes’ „Lysistrata“ von Golda Barton. Golda
       Barton [4][ist das Pseudonym einer Autorin, die für Film und Theater
       schreibt]. Sie lebt, das kann man in ihrer originellen Biografie nachlesen,
       „in Pots- und Amsterdam“.
       
       ## Tschechow im Grunewald
       
       Außerdem behauptet sie, seit 2021 Gastprofessorin an der Internationalen
       Hochschule für Bikeballet und Balletdesign Istanbul zu sein. Dort bietet
       sie den Kurs „Fluide Auffangbecken und Beckenböden im patriarchalen Wandel“
       an.
       
       Ein paar Theaterklassiker hat Barton bereits humorvoll feministisch
       überschrieben. Die Handlung von Anton Tschechows „Drei Schwestern“ etwa
       verlegte sie 2022 in „Sistas!“ in eine Schwarze Familie in
       Berlin-Grunewald. Mit „Datscha“ versetzte sie 2024 Gorkis „Sommergäste“ ins
       wochenendhaustaugliche Berliner Umland.
       
       Aktuelle Debatten zu Identität, Klassismus, Klischees und Klimawandel gab’s
       jeweils inklusive. Bisher hat Bartons Stücke stets Isabelle Redfern
       inszeniert. Womöglich verbirgt die Regisseurin sich selbst hinter dem
       Künstlerinnennamen. Auch für die Uraufführung von „Porneia“ zeichnet sie
       verantwortlich.
       
       Lani Tran-Duc hat drei Hochsitze auf die Bühne gestellt. Einen Thron pro
       Göttin also, jeweils umgeben von einem Geländer, das wie ein eiernder
       Hulahoop-Reifen wirkt. Von der Decke hängen ein paar Stäbe. Meist leuchten
       sie in grellem Pink. Im Hintergrund feiern kunstvolle Videoaufnahmen
       organische, Vulva-ähnliche Formen.
       
       ## Sehr, sehr viel Gerede
       
       Davor thronen Aphrodite, Demeter und Athene. Sie sollten über die Ordnung
       der Welt wachen. Doch Oda Thormeyer ertrinkt als Demeter in
       Haushaltspflichten und denkt in jeder freien Minute ans Vögeln – sie ist ja
       die Fruchtbarkeitsgöttin. Nina Sarita Balthasar verteilt gemäß ihrer Rolle
       als Aphrodite ununterbrochen Liebesgedichte.
       
       Und Athene, die Göttin des Kampfes und der Künste, versucht zu zaubern, ist
       aber meist mit Gitarre und Gesang beschäftigt: Die Musik hat Darstellerin
       Riah Knight auch selbst komponiert. Zwischen den Thronen taumelt planlos
       Jannik Hinsch als ein als Liebhaber gecasteter Enrico.
       
       In dieses Setting geraten Melli und Tricia mit ihren Wünschen nach einem
       verständnisvollen Doktorvater und dem Weltfrieden. Statt deren Erfüllung
       folgen Texte über Sexgelüste, Wäscheberge und Hitzewallungen, weil
       rhetorisch versierte Gen Z-Vertreterinnen auf drei Göttinnen treffen, die
       sich als von Mariam Sow in Cos-Play-Kostüme gewandete Tradwifes erweisen.
       
       Es werden schlaue Vorträge über die Herkunft des Lorbeerkranzes gehalten,
       antike Mythen dekonstruiert und Fans von VfL Bochum als empfindsame
       Männerseelen charakterisiert und für Heterosex auch mal ein göttlicher
       Ausflug auf die Erde unternommen. Da wird viel, sehr viel, sehr sehr viel
       geredet, über Männer und Frauen, Koitus, Grausamkeiten, Stalker, einsame
       Wölfe, Femizide, verstaubte Rollen und griechische Chöre.
       
       ## Gruppentanz im Thesengewitter
       
       „Porneia“ ist ein Text voller Thesen und – leider nur selten – witzigen
       Reimen. Es ist vor allem ein Text, wie getrieben von der Angst, irgendeine
       der tagesaktuellen feministischen Debatten und Nicht-Debatten, der
       gesellschaftlichen Rassismus- und Gender-Diskurse, der möglichen Haltungen
       und Statements auszulassen.
       
       Für die Schauspieler*innen, die ihre Sache allesamt und im Schnellsprech
       ziemlich gut machen, ist das eine Herausforderung. Fürs Publikum ein
       frontales, recht sprunghaftes Themen- und Thesengewitter auf Speed. Das
       wird regelmäßig von unvermittelten Figurenabgängen oder von anlasslosen
       Gruppentänzchen unterbrochen, die Ute Pliestermann choreografiert hat.
       
       Die Regisseurin sah offenbar keinerlei Anlass, den Text zu pointieren oder
       gar spannungsvoll zu theatralisieren. Bleibende Atmosphären oder starke
       Bilder stellen sich in diesem hektisch sprudelnden Diskursbad nicht ein.
       
       So endet der Abend irgendwann irgendwo zwischen Fickmission, blühenden
       Landschaften und Männern, die in Eichen verwandelt werden: Er hat sowohl
       den Erkenntnisgewinn als auch den Unterhaltungswert einer Baumrinde.
       
       10 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /After-the-Hunt-von-Luca-Guadagnino/!6116847
   DIR [2] https://d-nb.info/1065252560/34
   DIR [3] /Maenner-und-Feminismus/!6061993
   DIR [4] https://henschel-schauspiel.de/de/person/3125
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katrin Ullmann
       
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