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       # taz.de -- Gaza-Krieg und Musterungspflicht: Grüne beenden Friedensverhandlungen
       
       > Auf ihrem Parteitag bemühen sich die Grünen um Kompromisse in
       > Streitfragen. In vielen Punkten klappt das, beim Wehrdienst kommt es aber
       > zum Konflikt.
       
   IMG Bild: Ihre Debatte begannen die Grünen am Samstag mit einer Schweigeminute für Kriegsopfer
       
       Es ist fast halb eins in der Nacht auf Sonntag, als die Grünen ihre Haltung
       in der Wehrdienst-Debatte klären. Ein kleines Stück weit zumindest: Eine
       Dienstpflicht steht auf ihrem Parteitag nicht zur Abstimmung. Vorab gab es
       [1][Vorschläge für ein sogenanntes Gesellschaftsjahr,] das jungen Menschen
       gesetzlich vorgeschrieben werden soll. Entsprechende Anträge wurden aber
       für dieses Jahr zurückgezogen, die Partei will in den nächsten Monaten
       weiter debattieren – Wiedervorlage vielleicht 2026.
       
       Dafür diskutieren die Grünen in dieser Nacht noch aus, ob sie die Pläne der
       Bundesregierung unterstützen, junge Männer wieder verpflichtend auf ihre
       Tauglichkeit fürs Militär zu untersuchen. Dagegen ist die Grüne Jugend. Ihr
       Bundessprecher Luis Bobga kritisiert auf der Bühne: Über seine Generation
       werde gesprochen, „als wären wir faul und verantwortungslos, während wir
       täglich das Gegenteil beweisen“. Eine verpflichtende Musterung sei „nichts
       anderes als ein erster Schritt hin zu einer Wehrpflicht durch die
       Hintertür“. Den Personalbedarf der Bundeswehr stellt er nicht infrage, die
       Grünen müssten aber auf Freiwilligkeit setzen.
       
       Für die Pflicht zur Musterung geht danach Parteichef Felix Banaszak auf die
       Bühne. Geplant war das nicht, spontan entschied er sich während der Debatte
       zur Rede. „Sind wir bereit, das auszubuchstabieren, was wir seit Februar
       2022 so konsequent vertreten? Gehen wir auch dann ehrlich in die Frage,
       wenn es uns weh tut?“, fragt er rhetorisch.
       
       Ein Auftritt mit Erfolg: Die Abstimmung endet hinterher deutlich, die
       Delegierten stimmen für den Zwang zur Musterung – so wie auch von den
       Fachpolitiker*innen der grünen Bundestagsfraktion gewünscht.
       
       ## Waffen nach Israel: Ja, aber
       
       Im Anschluss, es geht schon auf 1 Uhr zu, stimmt der Parteitag auch noch
       über eine zweite Frage von Krieg und Frieden ab: über Waffengeschäfte mit
       Israel. Es sei „unangemessen“, dass die Bundesregierung schon jetzt ihre
       Exportbeschränkungen aufgehoben habe, heißt es in einem Antrag, der vom
       Bundesvorstand unterstützt wird. Waffen, die völkerrechtswidrig gegen Gaza
       eingesetzt werden könnten, sollten weiterhin nicht geliefert werden – ein
       generelles Waffenembargo sei aber falsch. Dem entgegen steht ein Antrag,
       gar nichts mehr zu liefern. Dieser hat jedoch keine prominenten
       Unterstützer*innen. Bei der Abstimmung im Anschluss verliert er deutlich.
       
       Auch in anderen Punkten klären die Grünen an diesem Wochenende, wie sie zum
       Krieg in Gaza stehen – oder nähern sich einer Klärung zumindest an. Über
       Monate hatte die Partei [2][zuletzt überwiegend intern über ihre Positionen
       diskutiert.] „Zugegeben“, sagt die Bundestagsabgeordnete und
       Außenpolitikerin Deborah Düring am Samstag während der Diskussion zum
       Thema. „Wir hätten manche Debatten früher führen müssen.“ Während der
       Ampel-Zeit und im Bundestagswahlkampf gab es aber Hemmungen, Kontroversen
       auszutragen oder die Linie der eigenen Regierung zu kritisieren.
       
       Nach der Wahlniederlage richtete Parteichefin Franziska Brantner dann eine
       Kommission ein und brachte die verschiedenen Lager an einen Tisch. Eine
       gemeinsame Haltung war das Ziel, was in manchen Aspekten auch gelang. Drei
       Punkte, so Brantner in Hannover, seien Grundlage für die Debatte in der
       Partei: Nicht verhandelbar seien das Existenzrecht Israels, das
       Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser und „die Würde eines jeden
       Menschen“. Sie sei stolz darauf, dass es die Partei geschafft habe, auf
       dieser Basis miteinander zu sprechen.
       
       ## Verhandlungen bis kurz vor Schluss
       
       Andere Punkte blieben dennoch ungeklärt. An den Passagen zum Thema im
       Leitantrag des Bundesvorstands waren vorab rund 100 Änderungsanträge mit
       unterschiedlichen Stoßrichtungen eingegangen. Hinter den Kulissen wurde
       über sie in den vergangenen Tagen intensiv verhandelt, zum Teil noch bis
       zum Samstagnachmittag. Wie oft bei Grünen-Parteitagen war das Ziel,
       Abstimmungen auf offener Bühne zu vermeiden und Konflikte stattdessen in
       Kompromissen aufzulösen – was bis auf die Frage der Waffenlieferungen auch
       halbwegs gelang.
       
       So wurde ein Änderungsantrag darauf, Israel einen „Genozid“ in Gaza
       vorzuwerfen, von der Autorin zurückgezogen. Aus einem anderen wurde dafür
       die Formulierung gestrichen, dass das Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023
       „genozidal“ gewesen sei. Dem Wunsch des Kreisverbands
       Friedrichshain-Kreuzberg, nicht mehr von „Staatsräson“ zu sprechen, wurde
       nicht nachgekommen – dafür aber präzisiert, dass mit dem Begriff nicht
       gemeint sei, dass die „Unterstützung für die israelische Regierung über
       Verpflichtungen gegenüber dem Völkerrecht“ gestellt werde.
       
       Umstritten war auch, ob die Grünen fordern sollen, [3][im Zweifel das
       EU-Assoziierungsabkommen mit Israel] auszusetzen. Der Vorstand hatte im
       Leitantrag von einer möglichen „partiellen Aussetzung“ geschrieben. Eine
       Gruppe wollte das streichen, eine andere im Gegensatz dazu sogar eine
       „vollständige“ Aussetzung erwägen. In den Verhandlungen einigte man sich
       auf die ursprüngliche Variante, nur neu formuliert.
       
       Am längsten wurde in den Gesprächen noch darum gerungen, wann Deutschland
       nach Auffassung der Grünen einen Staat Palästina anerkennen soll: sofort
       oder erst nach Verhandlungen „als Ergebnis und Abschluss eines politischen
       Prozesses“. Am Ende stand eine typisch grüne Kompromissformel: In einem
       neuen, länglichen Absatz verstecken sich zwei sperrige Sätze zum Thema, die
       beide Seiten so deuten, wie es ihnen jeweils passt – während Außenstehende
       über die genaue Bedeutung spekulieren müssen.
       
       Im Wortlaut: „Zentrales Element für gleichberechtigte Verhandlungen über
       eine Zweistaatenlösung ist die Anerkennung des Staates Palästina, auch
       durch Deutschland. Im aktuellen Friedensprozess ist die Anerkennung auch
       durch Deutschland ein prioritärer Schritt.“ Am ehesten heißt das wohl frei
       übersetzt: Anerkennung jetzt, wir wollen es nur nicht so sagen.
       
       30 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Gruene-diskutieren-Dienstpflicht/!6117948
   DIR [2] /Nahost-Konflikt-auf-dem-Parteitag/!6130029
   DIR [3] /Brisante-EU-Analyse/!6095587
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Schulze
       
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