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       # taz.de -- Tunesische TV-Kommentatorin freigelassen: Ein Funken Hoffnung für die Pressefreiheit
       
       > In Tunesien ist die Rechtsanwältin Sonia Dahmani vorzeitig wieder auf
       > freiem Fuß. Sie war wegen Verbreitung von Falschinformationen verurteilt
       > worden.
       
   IMG Bild: Endlich frei: Protestaktion für die Freilassung von Sonia Dahmani in Tunis im April 2025
       
       Mit Freudentränen in den Augen empfingen dutzende Mitstreiter:innen die
       Rechtsanwältin Sonia Dahmani in Tunesiens Hauptstadt Tunis. Die durch ihre
       scharfzüngigen TV-Kommentare bekannt gewordene Tunesierin war am Donnerstag
       überraschend vor Ablauf ihrer Haftstrafe nach 18 Monaten aus dem Gefängnis
       in Manouba entlassen worden. Ob gerichtliche Auflagen erlassen wurden, ist
       unbekannt.
       
       Damit ist Dahmani, nach der Freilassung von zwei für die Rechte von
       Migrant:innen eintretenden Aktivist:innen, die dritte prominente
       tunesische Gefangene, die innerhalb einer Woche begnadigt wurde.
       
       Dahmani war mit ihrem ruhigen und intellektuellen Auftreten zu einer
       Symbolfigur für ziviles Engagement geworden. Sie wandte sich stets gegen
       religiösen Extremismus und den Rückfall in autokratische Strukturen. Im Mai
       2024 war sie wegen einer eigentlich harmlosen TV-Äußerung verhaftet und
       aufgrund eines 2022 eingeführten Gesetzesparagrafen zu zwei Jahren
       Gefängnis verurteilt worden.
       
       In einer Fernseh-Talkshow, in der es um Migration ging, hatte ein
       Gesprächspartner von Dahmani den nach Tunesien kommenden Migranten
       vorgeworfen, die Schätze des Landes plündern zu wollen. „Von welchem
       Paradies sprechen sie denn“, entgegnete sie, „das, aus dem die Jugend
       flieht?“ Auch andere regierungskritische Kommentare flossen in das Urteil
       ein.
       
       ## Einschränkung der Pressefreiheit durch Paragraf 54
       
       Die Richter hatten der 60-Jährigen das Verbreiten von Falschinformationen
       vorgeworfen. Der sogenannte Paragraf 54 soll laut Tunesiens Präsident Kais
       Saied Bürgern als Schutz vor Hasskampagnen auf sozialen Medien dienen und
       wird dazu auch genutzt. Gleichzeitig wurde der vage formulierte
       Gesetzestext zu einem Instrument gegen Journalist:innen, Aktivist:innen
       oder Kritiker:innen wie Dahmani.
       
       Die tunesischen Bürger:innen verstanden die unmissverständliche
       Botschaft. Wer die verzweifelte Lage der Migrant:innen im Land,
       Korruption oder soziale Missstände zu offen kritisiert, [1][riskiert den
       Arbeitsplatz oder die Freiheit].
       
       Der tunesische Journalistenverband SNJT fordert die Abschaffung von
       Paragraf 54, der mindestens ein Dutzend Journalist:innen hinter Gittern
       gebracht hat. Während einer Demonstration am 20. November kritisierte
       SNJT-Chef Zied Dabbar auch die zunehmenden Beschränkungen bei der Vergabe
       von Pressekarten und beklagte den Druck auf freie Berichterstattung.
       Tunesiens Medienschaffende und Aktivist:innen galten bisher als die
       aktivsten in der arabischen Welt.
       
       Im Oktober waren die Behörden auch gegen zahlreiche NGOs vorgegangen, die
       Gelder aus dem Ausland empfangen hatten. Die Menschenrechtsinitiative FTDES
       und die unabhängige Medienplattform Nawaat wurden für einen Monat
       geschlossen, offiziell um deren finanzielle Situation zu prüfen.
       
       ## Eklat zwischen Tunesien und EU
       
       Nach der Vergiftung mehrerer Schüler in der Hafenstadt Gabes durch ein
       Gasleck bei der Phosphatfabrik war in den letzten Wochen der
       Widerstandsgeist der Zivilgesellschaft wiedererwacht. Aktivistinnen und
       Bürger aus allen Gesellschaftsschichten gingen auf die Straße. Gerüchte,
       auch die Armee fordere die nun die Einhaltung der 2011 errungenen
       Meinungsfreiheit, kommen immer wieder auf.
       
       Die EU hatte den Demokratieprozess Tunesiens ein Jahrzehnt lang intensiv
       gefördert, blieb jedoch im Fall Dahmani lange auffällig still. Kritiker
       unkten, dass Brüssel es sich nicht mit Präsident Saied verscherzen wolle,
       auf [2][dessen Unterstützung] Europa in seiner Anti-Migrationsstrategie
       setzt.
       
       Am Montag kam es dann jedoch zu Eklat. EU-Botschafter Guiseppe Perrone
       hatte die Führungsriege der tunesischen Gewerkschaft UGGT getroffen, Saids
       letztem mächtigen Konkurrenten. Daraufhin wurde der italienische Diplomat
       wegen Verletzung der Gepflogenheiten zu Said zitiert. Beobachter fragten
       sich: Hat mit Perrone erstmals ein EU-Vertreter wutentbrannt auf die
       Einhaltung von Standards gepocht? Wenige Stunden später war Sonia Dahmani
       zumindest frei.
       
       28 Nov 2025
       
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