# taz.de -- Palästina-Kongress in Berlin: Verbot und Auflösung waren rechtswidrig
> Beim Palästina-Kongress hat die Polizei unverhältnismäßig gehandelt,
> urteilt das Verwaltungsgericht. Es ist eine weitere Schlappe für die
> Polizei.
IMG Bild: Szene im Verwaltungsgericht am Mittwoch
Die [1][Auflösung und das Verbot des Palästina-Kongresses] im April
vergangenen Jahres durch die Berliner Polizei war rechtswidrig. Das
urteilte das Verwaltungsgericht Berlin am Mittwochnachmittag. Spezifischer
stellte das Gericht fest, dass das Vorgehen unverhältnismäßig war, weil
sich die Polizei „nicht ernsthaft“ mit Alternativen zu Verbot und Auflösung
befasst habe. Dies sei eine illegitime Einschränkung der Meinungs- und
Versammlungsfreiheit gewesen.
Damit hat die Polizei Berlin in ihrem Umgang mit Palästina-solidarischen
Protesten eine weitere Schlappe erhalten. Am Mittwoch urteilte die Kammer
zudem, dass auch das Verbot des Mottos einer Versammlung „From the river to
the sea, you will get the hug you need“ im Dezember 2023 unrechtmäßig war.
Eine Frau verteilte damals in einer Fußgängerzone Umarmungen für Menschen,
die sich vom Nahostkonflikt emotional belastet fühlen. Die Versammlung
konnte nur unter einem anderen Motto stattfinden, da die Polizei in dem
Slogan ein Kennzeichen der Hamas sah – das wies das Gericht nun zurück.
Von besonderer Tragweite ist die Entscheidung zum Palästina-Kongress. Die
Polizei hatte den Kongress bereits am ersten Tag aufgelöst und auch für
alle Folgetage verboten, nachdem dort eine Grußbotschaft des Historikers
Salman Abu Sitta abgespielt wurde. Gegen diesen war – wohl ohne das Wissen
der Organisator:innen – unmittelbar vor dem Kongress ein politisches
Betätigungsverbot erlassen worden, unter anderem aufgrund eines Blogposts,
in dem er erklärte, wäre er jünger, hätte er selbst einer der
Hamas-Terroristen am 7. Oktober 2023 sein können.
Es wurden auch weitere Einreise- und Redeverbote erlassen, unter anderem
für den Arzt Ghassan Abu-Sittah und den ehemaligen griechischen
Finanzminister Yanis Varoufakis. [2][Das Einreise- und Betätigungsverbot
gegen Ghassan Abu-Sittah wurde inzwischen als rechtswidrig erklärt]. In dem
Verfahren am Mittwoch klagte nun ein Organisator des Kongresses, Wieland
Hoban, gegen das polizeiliche Verbot. Hoban ist Vorsitzender der
jüdisch-antizionistischen Gruppe Jüdische Stimme für gerechten Frieden in
Nahost.
## Keien Verstöße gegen Auflagen
Schon während der Zeugenvernehmung war deutlich geworden, auf welch dünnem
Boden das Kongressverbot der Polizei stand. Als Zeuge war der Direktor der
Polizei Berlin geladen, Stephan Katte, der Verantwortliche für den
Gesamteinsatz. Fast zwei Stunden ließ er sich von den Anwält:innen von
Hoban befragen.
Dabei bestätigte Katte, dass es während des Kongresses zu keinen
verbotsrelevanten Verstößen gegen die im Vorfeld erlassenen Auflagen
gekommen sei. Ebenfalls wurde deutlich, dass die Polizei im Vorfeld nicht
gegen die Einladung von Abu Sitta Einspruch eingelegt hatte, sondern
lediglich beschränkende Auflagen erließ. Katte gab an, nicht zu wissen, ob
das unmittelbar vor dem Kongress ausgesprochene Redeverbot den
Veranstalter:innen des Kongresses bekannt gewesen war.
Dennoch war die Grußbotschaft von Abu Sitta der Grund, warum Katte das
Kappen der Stromversorgung für das Gebäude veranlasste. Darin etwas
Strafbares gesagt hatte Abu Sitta nicht. Dass die Organisator:innen
nach eigenen Angaben noch angeboten hatten, den Kongress ohne die Rede von
Abu Sitta fortzuführen, spielte in der Entscheidung für ein Gesamtverbot
keine Rolle mehr. Denn ohne das Verbot hätte die Rede von Abu Sitta über
andere Endgeräte im Raum gestreamed werden können, befürchtete Katte.
## Ein emotionales Thema
In der Befragung machte der Polizeidirektor seine politische Ablehnung der
Inhalte des Kongresses deutlich. Dass jemand wie Abu Sitta sprechen sollte,
zeige doch, „wessen Geistes Kind“ die Organisator:innen seien.
Persönlich habe er „immer den Anspruch, die Schweiz zu sein“, sagte er –
aber man könnte sich auch „nicht vollkommen den Gefühlen entziehen, die man
hat.“ Das warf seitens der Anwält:innen von Hoban die Frage auf, welche
Rolle die persönlichen Gefühle von Katte in dessen Entscheidung für ein
Verbot gespielt haben.
Katte begründete das Verbot vor allem mit der „Stimmungslage im Saal“, die
„sehr emotional und aufgeladen“ gewesen sei. Es sei zu erwarten gewesen,
dass die Rede von Abu Sitta die restlichen Teilnehmer:innen zu
strafbaren Aussagen aufstacheln werde. „Dass jetzt ausgerechnet auf dem
Palästinenserkongress (sic!) keine Straftaten mehr passieren, war völlig
unrealistisch“, sagte er. Die Polizei habe in solchen Fällen konsequent
einzuschreiten. „Sonst haben wir irgendwann 5.000 Menschen auf der Straße,
die das Existenzrecht Israels leugnen“, so Katte.
Inwiefern diese Gefahrenprognose gerechtfertigt war, dazu äußerte sich das
Gericht am Mittwoch nicht. Ausschlaggebend für das Urteil war lediglich,
dass die Polizei keine milderen Mittel in Erwägung gezogen hat, etwa das
Fortführen des Kongresses ohne die Rede von Abu Sitta. In Anbetracht der
Meinungs- und Versammlungsfreiheit hätten solche alternativen Mittel
abgewägt werden müssen.
## Entscheidung für Grundrechte
Anwalt Michael Plöse sagte der taz, das Gericht habe in Sachen
Palästina-Kongress „die einzige mögliche Entscheidung getroffen, die ohne
fatale Folgen für die Grundrechte in Deutschland möglich war“. Statt
Grundrechte zu wahren, sei der Kongress aufgrund des politischen Klimas
verhindert worden. „Es ist wichtig, dass das Gericht nun zumindest die
Unverhältnismäßigkeit festgestellt hat“, so Plöse.
Auch die Entscheidung zur Sloganverwendung „From the river to the sea“
sieht Plöse ein wichtiges Signal. „Das Urteil bedeutet, dass die Polizei
künftig nicht mehr einfach davon ausgehen kann, dass der Spruch ein
Kennzeichen der Hamas ist – sondern immer eine Einzelfallabwägung machen
muss.“ Das Gericht habe unterstrichen, dass die Versammlungsbehörde von
einem zulässigen Gebrauch der Meinungsfreiheit auszugehen habe, bis das
Gegenteil bewiesen ist – und nicht anders herum.
Dieser Text wurde um 17:50 Uhr aktualisiert.
26 Nov 2025
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## AUTOREN
DIR Timm Kühn
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