URI:
       # taz.de -- Gerichtsbeschluss zu „Grünen Höfen“: Langsam wirdʼs für Gaebler knapp
       
       > Schlechte Nachrichten für den Bausenator: Die Gesobau darf wieder nicht
       > zur Säge greifen, um Platz für ein umstrittenes Bauprojekt zu schaffen.
       
   IMG Bild: Umkämpfter Innenhof
       
       Die AnwohnerInnen der „Grünen Höfe“ an der Pankower Ossietzkystraße können
       aufatmen – diesmal vielleicht sogar etwas tiefer: Das Verwaltungsgericht
       Berlin hat entschieden, dass die Wohnungsbaugesellschaft Gesobau nicht mit
       der [1][Rodung Dutzender Bäume auf dem Gelände beginnen kann, um dort zwei
       Wohnblöcke einer Geflüchtetenunterkunft zu errichten]. Mehr noch: Die
       artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung des Bezirks, auf die sich die
       Gesobau beruft, genügt aus Sicht des Gerichts nicht den gesetzlichen
       Vorgaben. Viel spricht nun auch dafür, dass das laufende
       Widerspruchsverfahren mehrerer Naturschutzverbände Erfolg haben wird.
       
       In der jahrelangen Geschichte des Konflikts gab es schon einige unerwartete
       Wendungen. So hatte die Gesobau im Jahr 2022 den Bau der Unterkunft für
       rund 420 Geflüchtete direkt bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
       beantragt und von dieser bewilligt bekommen, nachdem das Bezirksamt zuvor
       einen Bauantrag für ein reguläres Wohngebäude mit genau denselben Maßen
       abgelehnt hatte. Ein Taschenspielertrick aus Sicht der AnwohnerInnen, die
       um die grüne Lunge ihres Kiezes fürchten. Sie fordern von dem landeseigenen
       Unternehmen, sich auf einen „Klima-Bebauungsplan“ des Bezirks einzulassen,
       der weniger Bauvolumen zuließe und viele Bäume erhalten würde.
       
       Dank des unermüdlichen Protests der Bürgerinitiative „Grüner Kiez Pankow“
       und der Unterstützung durch die NaturschützerInnen konnte eine Rodung
       bislang immer verhindet werden. Aktuell liegt dem Bezirksamt der
       Widerspruch des BUND, der NaturFreunde Berlin und der Berliner
       Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN) gegen die artenschutzrechtliche
       Ausnahmegenehmigung vor, die das Bezirksamt der Gesobau im Juli erteilt
       hat. Sie basiert unter anderem auf Ausgleichsmaßnahmen wie
       Ersatzpflanzungen von Büschen und Nistkästen für Vögel und Fledermäuse, die
       das Unternehmen im Umfeld vorgenommen hat.
       
       Vor dem Verwaltungsgericht suchte die Gesobau nun eine Abkürzung per
       Eilverfahren. [2][Dieses aber sagt jetzt nicht nur Nein], es begründet dies
       auch damit, dass die Genehmigung des Bezirksamts rechtswidrig – weil viel
       zu unspezifisch – ist. Die darin enthaltene Aufzählung von Arten und
       Schutzmaßnahmen enthalte jede Menge Unklarheiten, argumentieren die
       RichterInnen. Um geltendem Naturschutzrecht zu entsprechen, müsse eine
       Ausnahmegenehmigung eine so hohe „Bestimmtheit“ haben, dass sie nicht zur
       „Blankoermächtigung“ für die Bauherrin werde.
       
       BUND, BLN und NaturFreunde betrachten jetzt auch die Wahrscheinlichkeit als
       „sehr gering“, dass das Bezirksamt bei der Bewertung ihres Widerspruchs zu
       einem anderen Ergebnis kommt. Sie argumentieren, dass der vorliegende
       Entwurf des „Klima-Bebauungsplans“ eine „zumutbare Alternative“ gemäß
       Bundesnaturschutzgesetz darstellt. Damit aber fehle sowieso die Grundlage
       für eine Ausnahmegenehmigung.“
       
       ## „Mit dem Kopf durch die Wand“
       
       „Die Gesobau hat offenbar bis heute nicht begriffen, dass es
       naturschutzfachlich und -rechtlich höchst bedenklich, schwierig und komplex
       ist, von geschützten Arten dicht besiedelte Gebiete zu bebauen“,
       kommentiert BLN-Geschäftsführer Manfred Schubert den Gerichtsbeschluss.
       „Ihre Strategie des ‚mit dem Kopf durch die Wand‘ überfordert die Gesobau
       selbst, ihre Anwälte und die untere Naturschutzbehörde.“
       
       Britta Krehl von der Bürgerinitiative wiederum verspricht, der „Grüne Kiez
       Pankow“ werde sich weiter dafür einsetzen, ein zukunftsfähiges
       Modellquartier zu entwickeln, bei dem „die wichtigen Belange unserer Zeit,
       wie Wohnraumschaffung, Klimaanpassung, Integration und Artenschutz
       angemessen berücksichtigt“ würden: „Statt mit der Brechstange alles
       Lebensfreundliche niederzureißen, als gäbe es kein Morgen mehr.“
       
       Ein knappes Jahr vor den nächsten Abgeordnetenhauswahlen dürfte die
       aktuelle Entwicklung der Stadtentwicklungsverwaltung ungelegen kommen.
       Hausherr Christian Gaebler (SPD) schien bislang für die ökologischen und
       sozialen Argumente der AnwohnerInnen und ihrer zahlreichen
       UnterstützerInnen kaum erreichbar zu sein. Nun fragt sich, ob die Gesobau
       rechtzeitig vor dem Wahlkampf vollendete Tatsachen schaffen kann. Dann
       nämlich könnte der Senator plötzlich doch in Erklärungsnot kommen.
       
       Damit rechnet auch Uwe Hiksch von den NaturFreunden. Er erwartet aber auch,
       dass es im September 2026 zu anderen als den derzeitigen politischen
       Mehrheiten kommen könnte. Und dann werde „das, was Herr Gaebler jetzt
       plant, so nicht mehr kommen“.
       
       In der ursprünglichen Fassung des Artikels war von einem Widerspruch der
       Naturschutzverbände beim Oberverwaltungsgericht die Rede. Das ist
       unzutreffend (und unlogisch). Richtig ist, dass der Widerspruch gegen die
       artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung beim Bezirksamt eingelegt wurde.
       Wir haben das korrigiert.
       
       18 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Umstrittenes-Bauprojekt-in-Berlin-Pankow/!6094017
   DIR [2] https://www.berlin.de/gerichte/verwaltungsgericht/presse/pressemitteilungen/2025/pressemitteilung.1617444.php
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Claudius Prößer
       
       ## TAGS
       
   DIR Berlin-Pankow
   DIR Wohnungsbaugesellschaften
   DIR Naturschutz
   DIR Berlin-Pankow
   DIR Naturschutz
   DIR Berlin-Pankow
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Umstrittenes Bauprojekt in Berlin-Pankow: Was ist das eigentlich, Nachhaltigkeit?
       
       Die BI „Grüner Kiez Pankow“ kritisiert das Bekenntnis der landeseigenen
       Gesobau zur Natur als Greenwashing. Die wehrt sich gegen den Vorwurf.
       
   DIR Konflikt um Nachverdichtung: Ein paar Büsche reichen nicht
       
       In Pankow geht der Konflikt um die „Grünen Höfe“ weiter. NaturschützerInnen
       kritisieren ungenügende Ausgleichsmaßnahmen für den Verlust von Habitaten.
       
   DIR Grüne Höfe Pankow: Mahnwache gegen die Gesobau
       
       Die Rodung der „grünen Höfe“ in Pankow für das umstrittene Bauprojekt der
       Gesobau ist weiterhin aufgeschoben. Die AnwohnerInnen wollen Wache halten.