# taz.de -- Zensur in Vietnam: Hanois Justiz klagt in Berlin lebenden Chefredakteur an
> Der in Berlin unter Polizeischutz stehende Journalist Trung Khoa Lê wird
> in Vietnam wegen „Untergrabung der sozialistischen Ordnung“ angeklagt.
IMG Bild: Der Journalist Trung Khoa Lê 2022 in Berlin
Vietnams autoritäre Regierung geht jetzt auch mit Hilfe der ihr hörigen
Justiz gegen das regierungskritische Berliner Onlinemedium [1][Thoibao]
(„Die Zeit“) vor. Gegen Thoibaos Gründer, Besitzer und Chefredakteur, den
deutsch-vietnamesischen Journalisten [2][Trung Khoa Lê], ist am Dienstag
laut Berichten zahlreicher Staatsmedien in Hanoi Anklage erhoben worden.
„Das Ministerium für öffentliche Sicherheit gab bekannt, dass Le Trung Khoa
wegen der Herstellung, Speicherung, Verbreitung und Propagierung von
Informationen, Dokumenten und Gegenständen angeklagt wurde, die darauf
abzielen, den Staat zu untergraben“, heißt es etwa auf der
vietnamesischsprachigen Webseite von [3][Vietnam Express]. Die Oberste
Volksstaatswaltschaft habe die Anklage laut Artikel 117 des
Strafgesetzbuches („Untergrabung der sozialistischen Ordnung“) genehmigt.
Es droht eine Haftstrafe zwischen ein und fünf Jahren.
Der 53-jährige Lê, der seit den 1990er Jahren in Deutschland lebt und neben
der vietnamesischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft hat, steht in
Berlin wegen wiederholter Bedrohungen bereits seit einigen Jahren unter
Polizeischutz.
„Ich bin dankbar, in einem Rechtstaat zu leben, der die freie Ausübung
journalistischer Tätigkeit in seiner Verfassung verankert hat. Ich bin
dankbar, dass die Bundesregierung derzeit keine Menschen nach Vietnam
ausliefert“, erklärte er in Reaktion auf die Anklage.
## Kein Auslieferungsabkommen mit Hanoi
Deutschland hat kein Auslieferungsabkommen mit Vietnam und liefert in der
Regel auch keine Staatsbürger aus. Doch neben Lê ist auch sein freier
Mitarbeiter Don Van Nga angeklagt. Der 48-Jährige sitzt laut Lê bereits
seit rund zehn Tagen in vietnamesischer Haft. Er arbeitete vom Thailand
Exil aus für Thoibao und war in sein Geburtsland gereist, weil er nur dort
die Gültigkeit seines Reisepasses verlängern konnte. Es ist zu befürchten,
dass er in einem Schauprozess unter Druck gesetzt wird, um Lê und Thoibao
zu belasten.
Lê fordert die Freilassung von Don Van Nga. Der habe nur sein Recht auf
freie Meinungsäußerung wahrgenommen. Das erkennt das Regime in Hanoi
allerdings nicht an. [4][In der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter
ohne Grenzen steht Vietnam auf Platz 173 von 180 Staaten.]
Weil Vietnams zensierte Medien wenig Glaubwürdigkeit haben, ist Facebook –
wo Thoibao hauptsächlich publiziert und seine Einnahmen generiert – in dem
südostasiatischen Land zur Hauptinformationsquelle geworden. [5][Doch wird
auch Facebook mittlerweile von Hanois Cyberpolizei mit Duldung des
Meta-Konzerns zensiert.]
Lê fordert von der Bundesregierung, sich für seinen Mitarbeiter
einzusetzen. Er selbst fühlt sich von der drohenden Haftstrafe nach eigenen
Worten „erst einmal“ nicht betroffen, „es sei denn, ich werde wie 2017
Trinh Xuan Thanh nach Vietnam entführt“.
## Mögliche Entführung als Damoklesschwert
Der Entführungsfall erklärt zum Teil auch, warum das vietnamesische Regime
gegen Lê vorgeht, der gute Kontakte in den Staats- und Parteiapparat hat.
Der Wirtschaftskader Trinh Xuan Thanh hatte 2017 in Berlin Asyl beantragt,
nachdem er in der Heimat in einem mit Korruption verbundenen Machtkampf in
Ungnade gefallen war.
Er wurde von Berlin aus über Bratislava und Moskau nach Hanoi entführt und
dort zu „zweimal lebenslänglich“ verurteilt. Lê berichtete damals weltweit
als Erster über die Entführung, die über Jahre die Beziehungen zwischen
Berlin und Hanoi belastete.
Auftraggeber der Entführung war laut Urteil des Berliner Landgerichts von
2018 [6][Vietnams heute mächtiger KP-Chef Tô Lâm], der damals Minister für
öffentliche Sicherheit war und dessen früheres Ministerium jetzt Lê und
seinen Mitarbeiter verklagt hat. Diese Anklage erfolgt, nur zwei Wochen
nachdem das Berliner Landgericht [7][eine Einschüchterungsklage von
Vietnams reichstem Milliardär und dessen Autokonzern Vinfast] gegen Lê und
Thoibao in wichtigen Punkten zurückgewiesen hat.
18 Nov 2025
## LINKS
DIR [1] https://thoibao.de/
DIR [2] /Vietnamesischer-Journalist-in-Berlin/!5825405
DIR [3] https://vnexpress.net/le-trung-khoa-bi-khoi-to-4965092.html
DIR [4] https://media.reporter-ohne-grenzen.de/production/5010/01K71GSGYYP4WW1GCS1AJR7T34.pdf
DIR [5] /Internetzensur-in-Vietnam/!6052311
DIR [6] /Vietnams-neuer-Machthaber/!6027743
DIR [7] /Rechtsstreit-in-Berlin/!6127664
## AUTOREN
DIR Alexandra Wagner
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