# taz.de -- Queere Menschen vor Honduras-Wahl: Sie wollen mehr Sicherheit und weniger Korruption
> Bei den Wahlen in Honduras tritt die amtierende Präsidentin Xiomara
> Castro nicht an. Sie brachte die Demokratie zurück. Ihre Bilanz ist
> durchwachsen.
IMG Bild: Präsidentin Xiomara Castro hat einige Hoffnungen der queeren Community enttäuscht
Gleich um die Ecke von Großmarkt und Busterminal, von wo aus täglich ein
paar Dutzend Honduraner:innen Richtung Norden auswandern, hat Esdra
Sosa regelmäßig zu tun. Ein gelbes Einfamilienhaus, unten eine vergitterte
Tür, daneben eine verblasste Girlande, oben ein mit Nato-Draht
verbarrikadierter Balkon, wo sie ihr Büro hat.
Esdra Sosa ist derzeit die Direktorin der umtriebigen
Menschenrechtsorganisation Arcoíris, die sich für die Rechte der queeren
Community in Tegucigalpa und dem Rest von Honduras einsetzt. Das ist
riskant. So ist der langjährige Koordinator von Arcoíris, Donny Reyes,
gerade nach mehreren Morddrohungen auf Tauchstation gegangen. Nicht zum
ersten Mal, so Esdra Sosa, die das ebenfalls kennt. „Wir stehen in Honduras
ganz unten in der sozialen Hierarchie, haben auf dem Papier Rechte, die in
der Praxis immer wieder verletzt werden – trotz aller Versprechungen“, sagt
sie und zieht ein genervtes Gesicht.
Am 30. November werden die Menschen in Honduras zur Wahlurne schreiten.
Neben Abgeordneten für das Parlament wählen sie auch ein neues
Staatsoberhaupt. Die amtierende linke Präsidentin Xiomara Castro wird nicht
erneut antreten, weil die honduranische Verfassung keine zweite sukzessive
Amtszeit erlaubt.
Von Castro hat sich die Menschenrechtlerin Sosa genauso wie Donny Reyes und
wohl das Gros der queeren Community mehr Schutz, mehr Respekt und vor allem
die Wahrung der Grundrechte versprochen. Mit dem [1][Bekenntnis Castros zu
den Menschenrechten], ihrer öffentlichen Entschuldigung für den Tod der
Transfrau Vicky Hernández im Jahr 2009 durch die Militärpolizei im Mai 2022
war die Hoffnung auf einen strukturellen Wandel fast greifbar.
## Morde an queeren Menschen
Dem folgte die Ernüchterung. 2023 dokumentierten die queeren Organisationen
landesweit 52 Morde an queeren Menschen – fast doppelt so viele wie die 29
Morde im Jahr 2022. Daran hat sich auch 2024 und 2025 nichts geändert: In
den ersten acht Monaten dieses Jahres dokumentierten die
LGBTIQ-Organisationen 32 Morde. Von denen wird kaum einer aufgeklärt, um
die drei Prozent pendelt die Aufklärungsquote, so Esdra Sosa.
Das ist bei anderen Kapitaldelikten kaum anders, denn das Justizsystem in
Honduras ist weder effektiv noch unabhängig und immer wieder korrupt. Das
hat zum einen Tradition, zum anderen ist es ein Relikt der Narco-Diktatur,
die Ex-Präsident Juan Orlando Hernández (2014–2022) in Honduras
installierte. Im März 2024 wurde er nach seiner Auslieferung in den USA zu
45 Jahren Haft wegen Drogenschmuggel und anderer Kapitaldelikte verurteilt.
Das war ein wichtiger Dämpfer für die korrupten, kriminellen Seilschaften
in Honduras. Es hat der 2021 gewählten Präsidentin das Regieren erleichtert
und dafür gesorgt, dass die Redemokratisierung in Honduras durchaus
Fortschritte macht, so Menschenrechtsanwalt Joaquín Mejía. Der Jurist ist
national und international exzellent vernetzt und verweist auf die sinkende
Mordquote, die rückläufige Zahl an Femiziden sowie an Angriffen auf
Umweltaktivist:innen.
„2023 wurden 17 Umweltaktivist:innen ermordet, 2024 waren es 7 und in
diesem Jahr hoffe ich auf ein weiteres Sinken der Zahlen“, sagt der
48-jährige Mejía, der in Tegucigalpa und Spanien lebt. Allerdings ist das
Mehr an Sicherheit mit der Verhängung des Ausnahmezustands, der
Militarisierung des öffentlichen Lebens durch patrouillierende Militär- und
Polizeieinheiten erkauft. Die Armee, die Xiomara Castro beim Amtsantritt im
Januar 2022 noch aus dem Stadtbild tilgen wollte, ist zur wohl mächtigsten
Institution in Honduras aufgestiegen und kontrolliert obendrein das
Strafvollzugssystem.
## Angriffe auf Journalist:innen
Mehr Sicherheit für die queere Community, aber auch für
Journalist:innen hat das nicht gebracht, kritisiert Dina Meza. „68
[2][Angriffe auf Kolleg:innen], darunter einen heimtückischen Mord, hat
es in diesem Jahr bisher gegeben“, berichtet die
Menschenrechtsjournalistin, die eng mit Organisationen wie Reporter ohne
Grenzen zusammenarbeitet. Das nationale Schutzprogramm für besonders
gefährdete Personen wie Journalist:innen, Umweltschützer:innen, indigene
und queere Menschen funktioniere nicht, so Meza.
Ein Grund dafür ist der zu kleine Etat, aber es gibt auch strukturelle
Probleme, so Meza. Dabei ist Geld eigentlich da und das ist bei einer
Visite in Honduras kaum zu übersehen. In den letzten beiden Jahren wurde
die Infrastruktur im Land auf Vordermann gebracht. Das gilt nicht nur für
die Verkehrsadern, die das mittelamerikanische Land mit seinen rund zehn
Millionen Einwohnerinnen durchziehen, sondern auch für Krankenhäuser und
Schulen. Das hat viele Jobs generiert und die Auswanderung in Richtung
Norden zumindest etwas gedämpft.
Erfolge, auf die im laufenden Wahlkampf konsequent hingewiesen wird. Rixi
Moncada heißt die Kandidatin von Libre, der Partei von Präsidentin Castro,
die für einen Sozialismus des 21. Jahrhunderts wirbt und landesweit präsent
ist. Ein Vorteil der ideologisch oft plakativ auftretenden Partei, die Ende
Oktober in den Umfragen mit rund 44 Prozent der Stimmen vorne lag. In
Honduras gibt es bei den Präsidentschaftswahlen nur eine Wahlrunde. Wer die
meisten Stimmen erhält, gewinnt.
Doch die Vorwürfe der Wahlmanipulation, die seit Wochen die Runde machen,
belegen das Gegenteil. Typisch in einem Land, wo politische Kompromisse die
Ausnahme sind. Bestes Beispiel dafür ist die Abstimmung im Parlament am 28.
Juni. Da fand [3][Präsidentin Xiomara Castro] keine Mehrheit für die
Implementierung einer UN-Kommission gegen Korruption und Straflosigkeit
(CICIH). Die soll der schwachen Justiz des Landes auf die Beine helfen,
Korruption eindämmen und für mehr Transparenz sorgen – so ein
Wahlversprechen Castros.
Doch für viele Abgeordnete, nicht zuletzt die beiden
Präsidentschaftskandidaten von Liberaler und Nationaler Partei ist das ein
No-Go, so Joaquín Mejía. „Es ist peinlich, dass immer wieder Mehrheiten
fehlen, wenn es um Reformprojekte geht. Die Zahl der Abgeordneten, die
Eigeninteresse über Gemeinwohl stellen, ist hoch“, kritisiert er und hofft,
dass sich das mit den Wahlen ändern wird.
26 Nov 2025
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## AUTOREN
DIR Knut Henkel
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