# taz.de -- Pressefreiheit im Jemen: Über 1.400 Verstöße gegen Journalisten
> Unter der Huthi-Miliz hat sich die Lage der Presse deutlich
> verschlechtert. Berichterstatter bezahlen mit Jahren im Knast – oder dem
> Leben.
IMG Bild: Videobotschaft: Der Anführer der Huthi-Gruppe, Abdulmalik al-Huthi, hält eine Rede in Sanaa, Jemen, am 15. September 2024
„Nach einem Jahr Leidensweg im Gefängnis warteten wir heute auf seine
Freilassung. Aber sie haben beschlossen, Berufung einzulegen und eine
härtere Strafe zu fordern. Das ist doppelte Ungerechtigkeit – ein Versuch,
seinen Willen zu brechen.“ [1][Diese Worte teilt] die Ehefrau des
jemenitischen Journalisten [2][Mohammed al-Mayahi] am 2. November – dem
Internationalen Tag zur Beendigung der Straflosigkeit für Verbrechen gegen
Journalisten – auf Facebook. Ihr Mann war am 20. September 2024 von den
Huthis festgenommen worden. Sein Verbrechen: Ein Facebook-Post, in dem er
die [3][Praktiken der Miliz] kritisierte.
Seit die [4][Huthi-Miliz] 2014 die jemenitische Hauptstadt Sanaa
eingenommen hat, ist Journalismus zu einem der gefährlichsten Berufe des
Landes geworden. Reporter werden vor den Augen ihrer Familien entführt, zu
„Geständnissen“ im Fernsehen gezwungen, gefoltert oder jahrelang ohne
Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Wem es gelingt, sich dem Würgegriff der
Sicherheitskräfte zu entziehen, flieht oft ins Ausland.
Elf Jahre nach der Übernahme großer Teile des Jemen durch die bewaffnete
Gruppe zeigen offizielle Berichte einen katastrophalen Rückgang der
Pressefreiheit. Die Organisation HuMENA For Human Rights hat seit
Kriegsbeginn im Jahr 2015 mehr als 1.400 Verstöße gegen Journalisten
dokumentiert – darunter direkte Angriffe, Morde, Entführungen,
Verschleppungen, Drohungen und Arbeitsverbote.
Dies geschah nach einer deutlichen Aufstachelung durch den Huthi-Führer
Abdulmalik al-Huthi gegen Medienschaffende. In einer Fernsehansprache
erklärte er, dass „Journalisten und Intellektuelle gefährlicher sind als
Militärkämpfer“. Laut dem Yemeni Archive haben seit Kriegsbeginn nur bis
zum Jahr 2023 mehr als 55 Journalisten im Jemen ihr Leben verloren.
## Angst und Schweigen unter Journalisten
Das Ergebnis ist ein Klima der Angst und des Schweigens, das eine
einheitliche Meinung erzwingt. Die meisten Journalisten ziehen es vor, den
Jemen dauerhaft zu verlassen oder ganz mit der Berichterstattung
aufzuhören, aus Angst. Unabhängige Institutionen haben ihre
Handlungsfähigkeit verloren. Die Meinungsfreiheit hat sich so weit
verschlechtert, dass der Jemen zu den weltweit schwierigsten Umgebungen für
Journalismus zählt. Eine Politik der Straflosigkeit und mangelnde nationale
und internationale Rechenschaftspflicht haben sich fest etabliert.
Ein Beispiel: [5][Der Journalist Tawfiq al-Mansouri], der vor etwa
anderthalb Jahren aus den Gefängnissen der Huthis entlassen wurde,
berichtete der taz: Während seiner achtjährigen Haft sei er [6][gefoltert
worden] – und habe deswegen sogar einen Schädelbruch erlitten. Seit seiner
Freilassung im Rahmen eines Gefangenenaustauschs im April 2023 wird er noch
immer in ägyptischen Krankenhäusern behandelt. Ihm sei in den Händen der
Huthis die notwendige medizinische Versorgung vorenthalten worden,
berichtet er weiter.
## Auch NGO-Mitarbeiter sind betroffen
Nicht nur Journalisten sind gefährdet. Auch für Mitarbeiter internationaler
Organisationen, die eigentlich geschützt sein sollten, wird die
Sicherheitslage immer angespannter.
Am 11. Februar 2025 gab das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen
den Tod ihres Mitarbeiters Ahmed Ba'alawi in einem Huthi-Gefängnis in der
Provinz Saada bekannt. Er starb nur zwei Wochen nach seiner willkürlichen
Verhaftung, ohne jegliches Gerichtsverfahren. Die Huthis weigern sich,
Erklärungen zu den Umständen seines Todes abzugeben. Sie hinderten außerdem
die Familien daran, die sterblichen Überreste des Verstorbenen einer
forensischen Untersuchung zu unterziehen, um die tatsächliche Todesursache
festzustellen. Und forderten sie stattdessen auf, die Leiche sofort zu
begraben.
Mohammed al-Wateri, Menschenrechtsexperte, beschreibt die Situation unter
den Huthis im Jemen so: „Diese Verhaftungen sind Teil einer gezielten
Kampagne, um Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und
Hilfsorganisationen als westliche Spione darzustellen.“ Die
Unnachgiebigkeit der Huthis und ihre Weigerung, die Inhaftierten
freizulassen oder sie zumindest in einem fairen Verfahren vor Gericht zu
stellen, hat international große Empörung ausgelöst.
Das internationale Schweigen zu den Verstößen gegen Journalisten und
Menschenrechtsverteidiger im Jemen ist Teil des Problems. Denn die
internationale Berichterstattung ist gering – nicht nur über die Lage der
Presse, sondern über den anhaltenden Konflikt im Land an sich. Und manche
jemenitische Journalisten bezahlen für ihre unabhängige Berichterstattung
sogar mit ihrem Leben.
Aus dem Englischen: Lisa Schneider
14 Nov 2025
## LINKS
DIR [1] https://www.facebook.com/bdalwarthalbsy/posts/pfbid034mXsRpd8G9WwEurYX8e9nHocRSMNEN9c8SrKsrdEE6vE52TzpXKVD6JhRcCwtG2wl
DIR [2] https://humena.org/condemnation-houthi-court-ruling-mohammed-al-mayahi/
DIR [3] /Israelische-Angriffe-auf-den-Jemen/!6114028
DIR [4] /Krieg-der-Huthis-im-Jemen-und-Israel/!6121669
DIR [5] https://www.amnesty.de/mitmachen/erfolg/jemen-vier-zum-tode-verurteilte-haeftlinge-freigelassen-2023-04-18
DIR [6] https://x.com/Almansuritawfeq/status/1866196170856350171
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