# taz.de -- Boxer mit jüdischen Wurzeln in NS-Zeit: Die Würde eines Boxers
> Wie Ernst Weiss, der österreichische Boxprofi mit jüdischen Wurzeln, die
> Novemberpogrome 1938 erlebt und die Nazizeit überlebt.
IMG Bild: Porträt des Boxers Ernst Weiss, undartiert
Am Sonntag war der [1][9. November], und es wurde viel der Menschen
gedacht, die im und vom NS-Regime verfolgt und ermordet wurden.
Das ist für mich der Grund, warum ich heute über Ernst Weiss aus Wien
schreibe. Sein Name war mir zwar schon lange ein Begriff, aber nur aus, wie
man so unschön sagt, rein sportlichen Gründen. Er war drei Mal
Europameister in drei unterschiedlichen Gewichtsklassen. 1936 holte er den
Titel im Fliegengewicht, 1939 im [2][Bantamgewicht] und 1941 im
Federgewicht.
In einem [3][Buch] zur Geschichte des deutschen Berufsboxens, das ich 2000
mit einem Kollegen schrieb, taucht er zwei Mal auf, denn wir haben da eine
Statistik zu EM-Kämpfen mit deutscher Beteiligung. Dass 1939 und 1941 ein
Mann aus Wien dort kämpfte, versahen wir mit der Bemerkung: „Österreich
gehörte seit der [4][Annexion] im März 1938 zum deutschen Reich.“ Er
erschien uns als einer, der aus dem „Anschluss“ Österreichs einen Nutzen
gezogen hätte.
Dass Ernst Weiss den Nazis als „Mischling II. Grades“ galt, weil sein
Großvater mütterlicherseits Jude war, wussten wir nicht. Vieles von dem,
was ich hier schreibe und heute weiß, verdanke ich der [5][Arbeit der
österreichischen Historikerin Martina Lang].
## „Vom Boxteufel besessen“
Bis 1932 arbeitete Weiss als Kellner und als man ihn rauswarf, ging er
feiern: Er besuchte den ersten Boxkampf seines Leben, trat in einen Klub
ein, und als der tunesische Profiweltmeister [6][Victor „Young“ Perez] in
Wien war, durfte er Sparringspartner werden.
Weiss war fasziniert, „ich war vom Boxteufel besessen“. Er wurde Profi und
bereits 1934 österreichischer Meister. Die Familie mochte die Entscheidung
nicht. „A so a liaber Bua, will sich verhaun lassen“, musste er sich
anhören. Im August 1936 bekam er einen Kampf gegen sein Idol vermittelt:
Victor „Young“ Perez. Weiss gewann. Im Oktober 1936 wurde er Europameister.
Weiss war ein unglaublich fleißiger Kämpfer: Im Jahr 1936 hatte er 12
Kämpfe, 1937 waren es 11, 1938 kam er auf 14 Kämpfe, 1939 waren es 9, im
Kriegsjahr 1940 waren es 5, 1941 dann 13, und noch 1942 trat er 6-mal in
den Ring – zuletzt im Oktober in der Berliner Deutschlandhalle. Martina
Lang erwähnt, dass er Frakturen der Mittelhandknochen beider Hände erlitt.
Als Österreich von Deutschland annektiert wurde, war Weiss gerade zum Boxen
in Paris. Er hasste den Anschluss, zog aber dennoch 1938 nach Berlin. Im
November, rund um die Pogromnacht, boxte er sogar wieder gegen Perez in der
Berliner Deutschlandhalle. Weiss erinnerte sich an die Umstände. „Und so
lief ich niedergeschlagen neben Perez“, berichtet er von einem Spaziergang.
Young Perez war Jude, die Nazis haben ihn später nach Auschwitz deportiert.
Im Januar 1945 wurde er auf einen Todesmarsch geschickt und von SS-Posten
erschossen.
Ernst Weiss blieb zwar bedroht, aber vermutlich schützte ihn seine
Prominenz. 1942 verlor er einen Kampf durch K. o., drei Tage später zog ihn
die Wehrmacht ein, und als er vergleichsweise spät, im November 1944, von
der Gestapo verhaftet und inhaftiert wurde, hat wohl der Staatsanwalt, der
ansonsten für das Fordern von Todesurteilen berüchtigt war, in ihm den
berühmten Boxer erkannt und die Anklage zurückgestellt.
Verhaftet hatten ihn die Nazis, weil Weiss im österreichischen Widerstand
aktiv war. Dass er in der Naziideologie ein „jüdischer Mischling“ war, kam
juristisch gegen ihn nie zum Tragen, auch wenn er sich immer der Gefahr
bewusst war.
Was lehrt mich die Lebensgeschichte des Ernst Weiss? Vielleicht dies: wie
wertvoll und facettenreich und würdevoll menschliches Leben sein kann. Und
wie falsch es ist, aus einfachen Lebensdaten ein schnelles Urteil zu
bilden.
12 Nov 2025
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DIR [6] /Fussball-und-Boxen-in-Auschwitz/!5653659
## AUTOREN
DIR Martin Krauss
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erinnern.