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       # taz.de -- Die Wahrheit: Große Zähmungskraft der Jugendtorheit
       
       > Immer mehr Geräte stammen aus China. Und immer mehr Geräte laufen Amok.
       > Zufall? Oder steckt ein System dahinter? Eine Blutspurensuche.
       
       Meine Heißluftfriteuse wird aus China ferngesteuert“, behauptet Lkw-Fahrer
       Michi Lembke aus Nürnberg und zeigt auf die veganen Frühlingsrollen. „Eben
       waren noch leckere Schweinswürstel drin. Pekings Agenten haben sie über das
       Internet ausgetauscht.“
       
       Bis vor Kurzem hätte die Behauptung des jovialen Junggesellen, der uns
       gleich das „Du“ anbietet, noch ungläubiges Kopfschütteln ausgelöst, doch
       seit Oslos Verkehrsbetriebe herausgefunden haben, dass ihre Elektrobusse
       vom chinesischen Hersteller Yutong aus der Ferne manipuliert werden können,
       wächst auch unter deutschen Endverbrauchern das Misstrauen gegenüber
       Elektrogeräten Made in China.
       
       „Deine Mutter …“, wenden wir ein. Eben noch hatte sich die Rentnerin über
       die ungesunde Ernährung ihres Sohns beklagt und an dem Gerät zu schaffen
       gemacht, aber Argumentationen, die mit „Deine Mutter“ beginnen, werden in
       zeitgenössischen Diskursen leider kaum noch ernst genommen.
       
       „Meine Mutter wird auch aus China ferngesteuert“, behauptet Lembke prompt
       und macht sich über die Frühlingsrollen her, während Frau Lembke einen
       Fünf-Jahres-Plan verkündet, mit dem ihr Sohn auf gesünderes Asia-Food
       umgestellt werden soll.
       
       Nürnberg ist kein Einzelfall. In letzter Zeit häufen sich Berichte über
       rätselhafte Fehlfunktionen chinesischer Elektrogeräte, die man früher
       womöglich unsachgemäßer Bedienung oder dämonischer Besessenheit zugeordnet
       hätte. Im münsterländischen Ochtrup soll ein Elektrorollstuhl der Marke
       „Untergehende Sonne im ehrwürdigen Herbst des Lebens“ die Zimmernachbarin
       einer achtzigjährigen Altersheimbewohnerin überfahren haben, nachdem sich
       die beiden Damen über die letzte Puddingschnecke auf dem Kuchenbuffet
       gestritten hatten.
       
       ## Schluss nach Gutdünken
       
       An einer Hamburger Gesamtschule ruft ein elektronischer Signalgeber seit
       Wochen nach eigenem Gutdünken den Unterrichtsschluss aus. Der intelligente
       Schulgong „Große Zähmungskraft der Jugendtorheit“ war angeschafft worden,
       um den Schulbesuch individuell mit einer Gesichtserkennungs-Software zu
       überprüfen. Außerdem sollte der I-Gong die mündliche
       Unterrichtsbeteiligung, das Betragen auf dem Pausenhof und die
       Social-Media-Accounts der Schüler auswerten, doch jetzt stört er bloß noch
       den Unterricht und spielt Lieder von Haftbefehl ab.
       
       „Da kann man nix machen. China kontrolliert das Gerät mit einem
       Killswitch“, grinst Schülersprecher und Digital Native Malte Brückhoven,
       dann ertönt zum dritten Mal in dieser Unterrichtsstunde der Pausengong.
       
       Auch der zweite Fahrkartenautomat von links in der Eingangshalle des Kölner
       Hauptbahnhofs wird nach Geheimdiensterkenntnissen von Mächten gesteuert,
       die den Westen schwächen wollen. Dabei kennt die hybride Kriegsführung
       keine Gnade: Mal nimmt der Feindautomat keine Scheine, dann wieder keine
       Münzen. Karten kann der Automat aber auch nicht auslesen. Erkennt er
       trotzdem mal eine Karte, bucht er das Doppelte des angezeigten Betrags ab
       und druckt dann das Ticket nicht aus. Die Folge sind Nervenzusammenbrüche,
       Suizide und Gewaltausbrüche, die sonst nur Tintenstrahldrucker hervorrufen,
       die bekanntlich alle mit Satan im Bunde sind.
       
       „Dahinter stecken Peking, Moskau oder Pjöngjang“, erklärt eine
       Bahnsprecherin sichtlich beglückt. „Die kontrollieren auch unsere digitalen
       Stellwerke, die Zuganzeigen an den Gleisen und die Online-Reservierungen.
       Da haben wir seit Jahren keinen Zugriff mehr, entschuldigen uns aber für
       die entstandenen Verspätungen.“
       
       Während in Norwegen, Österreich, Großbritannien und Dänemark die E-Busse
       von Fachleuten auf Sicherheitslücken untersucht wurden, erwägt die
       Bundesregierung gleich ein grundsätzliches Verbot von Elektromobilität, um
       kritische Infrastruktur vor Cyberangriffen zu schützen.
       
       „Für den ÖPNV organisieren wir derzeit den Kauf einer ausgemusterten
       Dieselflotte pakistanischer Überlandbusse aus den Siebzigern“, sagt
       Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder, gibt sich aber technologieoffen.
       „Vorstellbar ist auch eine Nutzung von Zukunftsenergien wie Mayonnaise,
       Zaubertrank oder Atomkraft.“
       
       Zum Glück ist die Digitalisierung in Deutschland so schleppend verlaufen,
       dass es für Online-Saboteure kaum Einfallstore gibt. „Russland findet ja
       nicht einmal Ladestationen für seine Drohnen“, sagt IT-Sicherheitsexperte
       Rüdiger Wembert, der hauptberuflich Faxgeräte verkauft.
       
       Doch auch im digitalen Entwicklungsnachbarland Frankreich, in dem das
       Internet jeden Abend vom Staatspräsidenten persönlich um 22 Uhr
       abgeschaltet wird, haben Chinas Geheimdienste ihre Leimruten ausgelegt.
       Zuletzt wurde die Verkaufsplattform des chinesischen Online-Händlers Shein
       von französischen Behörden gesperrt, nachdem dort Sexpuppen mit kindlichen
       Zügen angeboten wurden.
       
       ## Enkel für Boomer
       
       „Von wegen Sexpuppen!“, widerspricht Wembert. „Die Robo-Kinder werden von
       den ahnungslosen Rotwein-Boomern als Enkelersatz gekauft, damit sie ihnen
       den Router einrichten und dreimal in der Woche das Handy-Passwort
       zurücksetzen, ohne zu maulen.“
       
       Mittlerweile wird Frankreichs gesamte IT von ferngesteuerten Enkelpuppen
       aus China kontrolliert. Für den Louvre soll der Cyber-Spion „Infantiler
       Gipfel des Nichts“ schon vor Jahren das kinderleichte Passwort „Louvre“
       gewählt haben, während man im Élysée-Palast nur „LaBoum“ in den Rechner
       tippen muss, um einen französischen Atomschlag auszulösen.
       
       Für Deutschland sieht IT-Experte Wembert keine Gefahr. „Im Gegensatz zu
       Frankreich herrscht hierzulande Bürokratie und Ordnung. Alle Passwörter von
       nationaler Bedeutung stehen auf einem gelben Zettel, der im
       Bundeskanzleramt hinter dem Besenschrank klebt.“
       
       Trotzdem will die Bundesregierung Handlungsfähigkeit beweisen. Die
       intellektuelle Infrastruktur der Koalition soll noch einmal überprüft und
       auf einen bombenfest sicher analogen Stand gebracht werden, in dem China
       noch ein Entwicklungsland und deutsche Technologie innovativ ist.
       Bundeskanzler Friedrich Merz ist mit gutem Beispiel vorangegangen und hat
       sich die Festplatte unter der Haarinsel auf das Jahr 1962 zurücksetzen
       lassen.
       
       15 Nov 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Bartel
       
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