# taz.de -- Heidelberg Materials: Tochterfirma will illegalen Steinbruch ausweiten
> Die UN werfen Heidelberg Materials völkerrechtswidrige Geschäfte im
> Westjordanland vor. Der Konzern dementiert – und verstrickt sich in
> Widersprüche.
IMG Bild: Mischt nicht nur Beton, sondern auch im Nahen Osten mit: der deutsche Konzern Heidelberg Materials
Am Dax-Konzern Heidelberg Materials gibt es [1][regelmäßig laute Kritik].
Wiederkehrende Vorwürfe lauten: Umweltzerstörung, Menschen- und
Völkerrechtsverstöße. Kürzlich [2][erhob auch das UN-Büro für
Menschenrechte schwere Anschuldigungen gegen den Konzern] und seine
hundertprozentige Tochterfirma Hanson Israel und nahm beide Unternehmen in
eine Datenbank auf, in der insgesamt 158 Firmen aus 11 Ländern gelistet
sind, die direkt an der illegalen israelischen Besatzung der Westbank
beteiligt sind. Hanson Israel baue im Steinbruch Nahal Raba im
Westjordanland Dolomitgestein ab – auf Land, „das palästinensischen Dörfern
weggenommen wurde“, wie es in dem Ende September veröffentlichten
UN-Bericht heißt.
Noch am selben Tag veröffentlichte Heidelberg Materials [3][eine
Pressemitteilung]. Darin heißt es: „Hanson Israel betreibt keine Anlagen in
den besetzten palästinensischen Gebieten, einschließlich Ostjerusalem. 2023
hat Hanson Israel sämtliche Aktivitäten im Steinbruch Nahal Raba
eingestellt.“ Die Aufnahme in die Datenbank hält das deutsche Unternehmen
also für „nicht gerechtfertigt“. Schließlich sei Hanson Israel „nicht in
den besetzten palästinensischen Gebieten“ tätig. Und: „Der gesamte Standort
Nahal Raba bleibt weiterhin geschlossen.“
Die dpa, Deutschlands größte Nachrichtenagentur, griff diese Behauptungen
in einer Meldung auf, [4][zahlreiche deutsche Medien verbreiteten sie]. Hat
das UN-Büro für Menschenrechte einen groben Fehler begangen und eine
deutsche Firma zu Unrecht auf seine Liste gesetzt? Oder hat Heidelberg
Materials, eines der weltweit größten Baustoffunternehmen, darauf gesetzt,
dass niemand den Wahrheitsgehalt ihrer Pressemitteilung überprüfen würde?
Offenbar trifft Letzteres zu. Recherchen der taz belegen, dass die
Behauptungen von Heidelberg Materials mindestens irreführend und teilweise
falsch sind. Was stimmt, ist lediglich, dass Hanson Israel im Steinbruch
Nahal Raba, etwa eine Stunde östlich von Tel Aviv, derzeit keinen Bergbau
betreibt. Das jedoch liegt nicht daran, dass sich das Unternehmen an
internationales Recht halten möchte, sondern schlicht daran, dass „die
Reserven erschöpft sind“. Das schrieb Hanson Israel am 15. August dem
Bezirksgericht Jerusalem.
## Sie wollen weiter plündern
Das Tochterunternehmen von Heidelberg Materials bemüht sich seit über 13
Jahren um die Erlaubnis zur Ausweitung ihrer Aktivitäten in Nahal Raba.
Diese wurde schließlich am 4. Juli 2025 von den israelischen Behörden
erteilt. Und nachdem die israelische Menschenrechtsorganisation Yesh Din
versucht hatte, die Steinbruch-Erweiterung per Eilantrag am Jerusalemer
Bezirksgericht zu verhindern, hielt Hanson Israel im August 2025 dagegen:
„Jeder weitere Aufschub verursacht Millionenschäden für Hanson, führt zu
Lieferengpässen im Bauwesen“.
Die Antwort der Firma an das israelische Gericht liegt der taz auf
Hebräisch vor. Darin heißt es weiter, die „Hanson Israel Nahal Raba –
südliche Erweiterung“ betreffe „ein Gelände im Verwaltungsbezirk Tulkarm,
auf dem sich bereits ein Steinbruch befindet (…). Der Zweck des Plans ist
eine Erweiterung der bestehenden Abbaufläche um 97 Dunam.“ 97 Dunam, das
sind etwa 9,7 Hektar, also eine Fläche der Größe von knapp 14
Fußballfeldern.
Weiter schreibt Hanson Israel, ein Aufschub der Ausweitung des Steinbruchs,
würde „die Arbeitsplätze vieler palästinensischer Arbeitskräfte“ betreffen.
Mit dem Argument, dass der Bergbau in Nahal Raba der besetzten
palästinensischen Bevölkerung zugutekäme, verteidigte Heidelberg Materials
bereits in der Vergangenheit die Völkerrechtskonformität der dortigen
Aktivitäten seiner Tochterfirma. Über 60 Prozent der Arbeitskräfte sollen
Palästinenser gewesen sein.
Laut der Rechtswissenschaftlerin Nahed Samour entspricht diese Position
nicht der Rechtslage. Die wirtschaftlichen Hauptnutznießer waren – und
wären im Falle einer Erweiterung des Steinbruchs – das deutsche Unternehmen
Heidelberg Materials sowie die israelische Verwaltung, sagt Samour der taz.
Eine dauerhafte oder gewinnorientierte Ausbeutung zugunsten der
israelischen Wirtschaft oder Dritter sei völkerrechtswidrig, „wenn sie
nicht dem Wohl der besetzten Bevölkerung dient“.
Das sei in Nahal Raba nicht der Fall, sagt Samour. „Die palästinensischen
Gemeinden haben keinen Zugang zum Steinbruch, keine Kontrolle über die
Rohstoffe und profitieren nicht von der Vermarktung der Materialien.“ Auch
die Einnahmen für die behördlichen Genehmigungen des Bergbaus in der Region
flössen an die israelischen Besatzungsbehörden, nicht an die
palästinensischen Selbstverwaltungsorgane.
## Der deutsche Mutterkonzern wusste Bescheid
Heidelberg Materials wusste vor seiner Pressemitteilung vom 25. September
2025 von der Genehmigung der Expansionspläne seiner Tochterfirma. Auf
[5][Anfrage der israelischen Nichtregierungsorganisation „Who Profits“] zu
der Causa antwortete der DAX-Konzern jedoch: „Dies ändert nichts am
aktuellen Status des Betriebs – der Nahal-Rabba-Komplex bleibt
geschlossen“. Gleiches schrieb der Zementhersteller nun auch noch einmal
der taz: „Es ist keine Wiederaufnahme von Aktivitäten geplant“, insistiert
der Konzern.
Doch weshalb will Hanson Israel eine Erweiterungserlaubnis für einen
Steinbruch erwirken, der nicht genutzt werden soll? Ein Grund könnten
Verkaufsabsichten sein. Zuletzt wiederholte
Heidelberg-Materials-Geschäftsführer Dominik von Achten auf der
diesjährigen Hauptversammlung im Mai 2025, es sei unverändert das Ziel des
Unternehmens, „den Steinbruch bis Ende des Jahres zu verkaufen“.
Durch die Erweiterung gewönne der ansonsten erschöpfte Steinbruch an Wert,
gleichzeitig würde Heidelberg Materials das Völkerrechtsproblem Nahal Raba
loswerden. Die Sache hat jedoch einen Haken: Nach israelischem Recht ist
eine Ausweitung des Steinbruchs eigentlich nur dann erlaubt, wenn der
Besitzer derselbe bleibt. Heidelberg Materials beziehungsweise dessen
Tochterunternehmen Hanson Israel dürften das Gelände und die damit
verbundenen Bergbaurechte also gar nicht verkaufen, sollten sie sie
ausweiten.
## Zement für den Siedlungsbau
Ob stillgelegt oder nicht, verkauft oder erweitert – über seine
Tochterfirma Hanson Israel ist Heidelberg Materials offenbar auch über
Nahal Raba hinaus in völkerrechtswidrige Projekte verwickelt.
Die NGO „Who Profits“ wirft Hanson Israel [6][direkte Beteiligung am Bau
illegaler israelischer Siedlungen] im besetzten Westjordanland vor. Seit
2015 hat sie in vier Fällen Lieferungen durch Hanson-Fahrzeuge in
israelischen Siedlungen dokumentiert. Auch der Dachverband kritischer
Aktionäre [7][forderte den Vorstand von Heidelberg Materials 2023 auf],
Materiallieferungen an israelische Siedlungen in besetzten Gebieten zu
unterlassen.
Heidelberg Materials weist die Vorwürfe zurück. Gegenüber der taz erklärte
das Unternehmen: „Hanson Israel ist nicht am Siedlungsbau, an der
Erschließung von Land oder der politischen Entscheidungsfindung beteiligt“.
Weniger strittig ist jedoch, dass Hanson Israel in den Siedlungsbau auf den
von Isreal annektieren syrischen Golanhöhen involviert ist. Das Unternehmen
selbst bewirbt seine dortigen Aktivitäten selbst munter auf Instagram: „In
diesem Monat besuchen wir die Baustelle des beeindruckenden ‚Ulpana
Katzrin‘ Projektes, wo eine 500 m3 Decke für den Kunden gegossen wurde“,
heißt es in einem [8][Beitrag des Unternehmens-Accounts vom 8. Februar
2025]. Bei dem Bauprojekt handelt es sich um ein Gebäude für eine religiöse
Mädchenschule in einer der größten israelischen Siedlungen im geografischen
Zentrum der Golanöhen.
Ein anderer [9][Post vom 8. November 2021 zeigt], dass Hanson Israel
Zementblöcke für den Bau von Solaranlagen der Firma Lesico lieferte, die
die benachbarten israelischen Siedlungen im Süden der illegal besetzten
Golanhöhen mit Strom versorgen.
Die Rechtslage sei hier klar, erklärt der Völkerrechtsexperte Matthias
Goldmann: „Israelische Siedlungen auf den syrischen Golanhöhen sind genau
wie Siedlungen in der besetzten Westbank nach internationalem Recht
illegal.“
## Verstoß gegen das deutsche Lieferkettengesetz?
Der Generalbundesstaatsanwaltschaft ist der Sachverhalt bekannt, wie sie
auf Anfrage der taz mitteilt. Stellung nehmen dazu will sie aber nicht.
Auch die Bundesregierung sah sich bislang nicht zuständig. Denn auch ihr
sind die Expansionspläne mindestens seit 2021 bekannt. Auf eine
schriftliche Anfrage der Linken dazu [10][antwortete der damalige
Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Miguel Berger]: „Die Bundesregierung
weist deutsche Unternehmen in geeigneter Form auf den völkerrechtlichen
Status israelischer Siedlungen in den besetzten Gebieten, die einschlägigen
Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen sowie die damit
verbundenen Risiken hin“.
Seit Januar 2023 gibt es ein neues Instrument, mit dem der Staat die
Einhaltung der Menschenrechte in der Lieferkette von Unternehmen überprüfen
kann. [11][Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verpflichtet große
Unternehmen], sicherzustellen, dass sie nicht von Menschenrechts- oder
Völkerrechtsverletzungen profitieren.
Wenn ein Unternehmen feststellt, dass Rechtsverletzungen stattgefunden
haben, muss es Gegenmaßnahmen ergreifen. Es ist zu Präventionsmaßnahmen wie
auch Abhilfe verpflichtet. Und das auch, wenn der Anspruch mit geltendem
Recht in Drittstaaten kollidiert.
Mit einem Umsatz von 21,3 Milliarden Euro im Jahr 2024 und über 4600
Beschäftigten in Deutschland fällt Heidelberg Materials unter das Gesetz.
Es ist demnach verpflichtet, auf Menschen- und Völkerrechtsverstöße von
Hanson Israel zu reagieren. Auch das Bundesamt für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle (Bafa), das kontrolliert, ob Unternehmen das Gesetz
einhalten, könnte eine Untersuchung einleiten und Maßnahmen einfordern.
Auf eine Anfrage der taz, ob Ermittlungen eingeleitet wurden, antwortete
das Bafa: „Die Veröffentlichungen des Hohen Kommissars der Vereinten
Nationen für Menschenrechte (OHCHR) haben wir zur Kenntnis genommen.“ Zu
Einzelfällen könne sich das Bundesamt aber nicht äußern.
„Die Besatzungsaktivitäten sind menschenrechtswidrig; sie verstoßen in
schwerwiegender Weise gegen das Menschenrecht auf Selbstbestimmung und
diskriminieren die palästinensische Bevölkerung“, so Goldmann. Heidelberg
Materials riskiere mit seinen Verstößen gegen diese Sorgfaltspflicht nicht
nur hohe Bußgelder, sondern darüber hinaus auch den Ausschluss von
öffentlichen Auftragsvergaben in Deutschland und der Europäischen Union.
„Heidelberg Materials muss also Hanson Israel zur Besserung auffordern und
bei Nichtbeachtung die Geschäftsbeziehung beenden“, so der
Völkerrechtsexperte.
29 Oct 2025
## LINKS
DIR [1] /Zementfabrik-in-Norwegen/!6095075
DIR [2] https://www.ohchr.org/en/press-releases/2025/09/un-human-rights-office-updates-database-businesses-involved-israeli
DIR [3] https://www.heidelbergmaterials.com/de/un-statement
DIR [4] https://www.zeit.de/news/2025-09/26/deutsche-firma-mit-israel-tochter-weist-un-vorwurf-zurueck
DIR [5] https://www.whoprofits.org/companies/company/3840
DIR [6] https://www.whoprofits.org/companies/company/3840
DIR [7] https://www.kritischeaktionaere.de/hauptversammlung-2023/versagen-bei-klimaschutz-und-menschenrechten-unsere-gegenantraege-zur-hauptversammlung-2023-von-heidelbergcement-materials/
DIR [8] https://www.instagram.com/hanson_il/p/DFvDtU9IMdL/?locale=es_us
DIR [9] https://www.instagram.com/p/CWAQedPITM1/?locale=es_us
DIR [10] https://dserver.bundestag.de/btd/19/260/1926065.pdf
DIR [11] /Regel-fuer-Menschenrechte-in-Lieferketten/!6116398
## AUTOREN
DIR Pauline Jäckels
DIR Leila van Rinsum
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