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       # taz.de -- Ringen gegen Erderwärmung: Geschlossene Gesellschaft
       
       > Die Klimabewegung scheiterte daran, sich als Massenbewegung zu
       > etablieren. Der Grund ist, dass sie ihre Ziele nie genug von Ideologien
       > abgegrenzt hat.
       
   IMG Bild: War monothematisch und weitgehend unideologisch aufgestellt: Protestbewegung gegen das AKW in Wyhl, hier am Baugelände im September 1983
       
       Die Schauspielerin Maria Furtwängler stellte sich jüngst öffentlich eine
       Frage: „Meine Güte! Wann ist das passiert?“ Auf dem [1][ZEIT Wissen
       Kongress] in Berlin trug sie ihre Beobachtung vor: Konservative Mitmenschen
       sähen den Klimaschutz inzwischen als ein ideologisches Projekt an, was sie
       verwundere, schließlich sei doch das Konservative – schon von der
       Wortbedeutung her – das Bewahrende. Wie könne es also sein, dass sich
       konservative Kreise, zunehmend von einer Weltsicht verabschiedeten, die
       unter dem Aspekt „Bewahrung der Schöpfung“ im Grund eine christliche sei.
       
       Furtwängler, die in Berlin zugleich als Aktivistin angekündigt wurde,
       stellte die Frage ans Publikum: „Wie kann meine Sorge, ob meine Enkelkinder
       bei zunehmenden Dürrekatastrophen, Überschwemmungen,
       Nahrungsmittelknappheiten und bei wachsenden Teilen der Erdoberfläche, die
       nicht mehr bewohnbar sein werden, wie kann das um Himmels willen
       ‚ideologisch motiviert‘ sein?“
       
       Die Antwort ist bitter: Die Klimabewegung hat sich nie ausreichend von
       ideologischen Fragen abgegrenzt. In der Wahrnehmung vieler Bürger gab ihr
       das eine fatale Schlagseite und verschreckte mögliche Mitstreiter. Es
       gelang der Bewegung nicht, sich als das zu präsentieren, was sie hätte sein
       sollen: eine Initiative, die ein wissenschaftlich solide erforschtes
       Umweltproblem thematisiert, dessen Dramatik unabhängig von jeder
       Weltanschauung ist.
       
       Die Anti-AKW-Bewegung in den 1970er Jahren hatte die Notwendigkeit einer
       breiten Anschlussfähigkeit ihres Anliegens noch begriffen: „Man hat nicht
       gefragt: Woher kommst du politisch?“ – diesen Satz hört man immer wieder,
       wenn man heute die alten Kämpfer von einst nach ihrem Erfolgsrezept fragt.
       Auf Bauplätzen und Demos hatten sie sich offen gezeigt für jeden
       Mitstreiter, egal welcher politischen Richtung und ideologischen Weltsicht
       er sich ansonsten zugehörig fühlte.
       
       ## Von Atomkraftgegnern lernen
       
       So machten auf dem Bauplatz in Wyhl die überwiegend konservativen Winzer
       vom Kaiserstuhl mit linken Studenten gemeinsame Sache. Die Atomkraftgegner
       zeigten damit, welche Wirkmacht eine soziale Bewegung zu erreichen vermag,
       wenn sie sich monothematisch und weitgehend unideologisch aufstellt. So war
       der Atomkraftwiderstand im besten Sinne das Kind einer pluralistischen
       Gesellschaft, in der Menschen für ein spezifisches Anliegen auf Zeit
       zusammenfinden, selbst wenn sie bei anderen Themen konträre Meinungen
       pflegen.
       
       Ganz anders die Klimabewegung, die nicht einmal den Anschein zu erwecken
       versuchte, offen zu sein für Mitstreiter jeder politischen Couleur. Indem
       Klimaaktivisten virtuos den Bogen spannten zum Kampf gegen rechts, zu
       Genderfragen, zu Gaza und zur Flüchtlingspolitik, zogen sich potenzielle
       Gefolgsleute zurück, weil sie mit einer solchen ideologischen Wundertüte
       fremdelten.
       
       Wer genauer verstehen will, warum bürgerlich-konservative Kreise den
       Klimaschutz inzwischen oft in einer ideologischen Ecke verorten, der findet
       Erhellendes auch im Buch „Klimaungerechtigkeit“ von [2][Friederike Otto].
       Dieses trägt den Untertitel „Was die Klimakatastrophe mit Kapitalismus,
       Rassismus und Sexismus zu tun hat“ und ist ungewollt ein Destillat jenes
       durchideologisierten Weltbilds, das die konservativ denkenden Teile der
       Gesellschaft offenbar verschreckt, von denen Maria Furtwängler sprach.
       
       Und komme nun niemand mit dem zwar grundsätzlich weisen Satz Alexander von
       Humboldts: „Alles hängt mit allem zusammen“ – denn der ist unbrauchbar für
       die Strategie einer sozialen Bewegung. Wer diesen Satz in der politischen
       Arbeit zu seiner Maxime erhebt, wird zwangsläufig scheitern, weil jedes
       Ansinnen damit beliebig wird. Für den Erfolg braucht ein Projekt vielmehr
       eine eingängige Botschaft, die die Klimaaktivisten mit ihrer Themenmelange
       nie hatten.
       
       Eine solche Botschaft hätte zum Beispiel lauten können: Die Preise fossiler
       Energien müssen die ökologische Wahrheit sagen. Nicht mehr, nicht weniger.
       Vor 30 Jahren war dieser Satz tatsächlich noch das pragmatische Credo der
       Klimabewegten. Zu dieser Zeit sprach folglich auch noch niemand von einer
       „[3][Klimareligion]“, wie es Spötter heute tun.
       
       ## Dogmatische Züge
       
       Die Offenheit gegenüber dem Klimaschutz ging bei vielen Menschen erst
       verloren, als die Gutmeinenden auf den Plan traten mit der Vorstellung, sie
       würden der Sache dadurch dienen, dass sie das Thema moralisch aufladen und
       mit allen Themen verquicken, die das „woke“ Repertoire zu bieten hat. Eine
       fatale Fehleinschätzung, wie wir heute wissen.
       
       Denn damit geriet die eigentlich so nüchterne Klimawissenschaft – weil nun
       eingebettet in ein stark dogmatisch geprägtes Umfeld – in den wenig
       hilfreichen Verdacht, selbst ein ideologisch motiviertes Projekt zur
       gesellschaftlichen Transformation zu sein. Es festigte sich in manchen
       Kreisen der Eindruck, Klimaschutz sei nur ein trojanisches Pferd im Zuge
       einer Umerziehung. So absurd dieser Eindruck auch ist, die Klimabewegung
       hat ihn provoziert.
       
       Symptomatisch für deren Niedergang ist auch die Entwicklung ihrer einstigen
       Ikone [4][Greta Thunberg]. Als die Schwedin noch schlicht und einfach das
       Gesicht des Klimaschutzes war, flogen ihr die Sympathien zu – ja, durchaus
       auch von Konservativen und Liberalen. Dann aber wurde ihr politisches
       Engagement beliebig. Mal poppte sie zusammen mit Flüchtlingsbooten in den
       Medien auf, zuletzt spielte sie sich im Gazakonflikt ins Rampenlicht.
       
       Aus Greta, dem Klimagewissen, war Greta, die notorische Provokateurin auf
       den verschiedensten Bühnen der Welt, geworden. Ihre Rolle als
       Integrationsfigur war dahin. Am Ende bleibt die schlichte Beobachtung, dass
       die Klimabewegung vor allem eines wird beherzigen müssen, wenn sie sich neu
       aufzustellen gedenkt: Wo Klimaschutz draufsteht, sollte einzig und alleine
       Klimaschutz drin sein.
       
       30 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.google.com/search?client=firefox-b-d&q=ZEIT+wissen+kongress+2025#fpstate=ive&vld=cid
   DIR [2] /Forscherin-ueber-Hitze-und-Klima/!5864984
   DIR [3] /Klimaschutz-als-Religion/!5626370
   DIR [4] /Greta-Thunberg/!t5568465
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernward Janzing
       
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