# taz.de -- Konservative Politik: Arbeit für die Aufräumer
> Ob Scheuer, Spahn oder Dobrindt – rechte Akteure hinterlassen gern einen
> Scherbenhaufen. Oft kommen sie dann auch noch ungeschoren davon.
IMG Bild: Im besten Fall sind sie ein Negativbeispiel, im schlimmsten Fall zerstören ihre Taten die gesamtpolitische Landschaft
Ein bislang unterschätztes politisches Phänomen ist die zerstörerische
Wirkung konservativer Politik. Es wird zwar darüber berichtet, gerade
wieder, wie etwa der damalige CDU-Gesundheitsminister [1][Jens Spahn
während Corona] zwischen Egomanie und Dilettantismus oszillierte oder wie
Alexander Dobrindt heute europäisches Recht zerlegt – aber die systemische
Dimension dieser Politik gewordenen Mischung aus Arroganz,
Rechtsvergessenheit, Wurstigkeit und reinem Machtkalkül ist bislang
unterbelichtet.
Dabei hat es Konsequenzen für die gesamte politische Architektur, weil es
die Parteien links der konservativen, christdemokratischen oder rechten
Parteien, wie auch immer man es nennen mag, dazu zwingt, sich als Korrektiv
zu definieren, als Aufräumer, als Wieder-richtig-Macher. Was dabei über die
Jahre und Jahrzehnte verloren gegangen ist, siehe SPD, ist eine eigene
Vorstellung davon, wie Politik aktiv so gestaltet werden kann, dass sie ein
Zukunftsversprechen formuliert.
Besonders symptomatisch erscheint dabei der Fall Jens Spahn, der harte
Positionen nach außen vertritt, etwa im Fall von Migration oder auch der
[2][Anerkennung der AfD] als normaler Partei, der also dezidiert eine
autoritäre Version konservativer Politik vertritt – und dem gleichzeitig
aktuelle Recherchen zum Thema Corona und Maskenbeschaffung ein Maß an
Amateurhaftigkeit, Überforderung und Ich-Fixiertheit bescheinigen, die wie
eine Petrischale konservativen Versagens erscheinen; und die einen Schaden
in Milliardenhöhe nach sich ziehen könnten.
Die Muster jedenfalls ähneln sich, und es sind vor allem oder
ausschließlich Männer, denen dieses Maß an Beratungsresistenz,
Engstirnigkeit und Karrieredrang attestiert wird. Eine immer noch gültige
Blaupause dieser Form der konservativen Scharlatanerie ist dabei Andreas
Scheuer, früherer CSU-Verkehrsminister, der gegen alle Ratschläge und die
Rechtslage seine Autobahnmaut-Idee durchdrücken wollte und einen
schockierend hohen Millionen-Schaden produziert hat, für den er nicht und
niemand sonst geradestehen muss.
## Und keiner wird belangt
Dieses [3][Fehlen von Konsequenzen] und die vorgeführte
Verantwortungslosigkeit konservativer Politiker, die mit ihrem
demokratischen Handwerkszeug ringen, hat destruktive Auswirkungen weit über
den finanziellen Schaden hinaus. Die Rechtsbrüche zeugen dabei von einer
Form von Staatsverdrossenheit seitens der Akteure, die die Schwundstufe
konservativer Politik nach Jahren der neoliberalen Indoktrination vorführt.
Die Folgen haben alle zu tragen – der [4][desolate Zustand der Deutschen
Bahn] ist direkt auf das Versagen konservativer Verkehrsminister
zurückzuführen. Wie etwa Alexander Dobrindt, der es dennoch – und das ist
ein Designelement dieser dilettantischen Politikform – immer weiter nach
oben geschafft hat, aktuell zum Innenminister, und der sich eigentlich auch
um die Rechtssicherheit in diesem Land kümmern sollte.
Er setzt beim Thema Migration, das vor allem eines nicht verträgt:
Ideologie – er setzt genau Ideologie gegen Recht und Vernunft, was nicht
nur zu gesellschaftlicher Entsolidarisierung führt, sondern auch zu
[5][europäischer Entfremdung]. Zusammen genommen ergeben diese Fälle mehr
als die Pathologien einzelner Personen – es entwickelt sich eine Form von
Politik, wie sie in avancierter Weise in den USA zu beobachten ist, wo
gerade eine längere Recherche zum Thema DOGE gezeigt hat, mit welcher
brachialen Inkompetenz auch hier rechte Akteure zerstörerische Wirkung
erzeugen, gezielt und gewollt.
Am Beispiel von [6][Elon Musk] zeigt sich die größere Verschiebung von
konservativer Politik, weg von einem konstruktiven Verständnis von
Gesellschaft, hin zu tiefer Staatsskepsis. Das Dilemma linker oder
sozialdemokratischer oder grüner Politik ist dabei, dass sich diese
Parteien leicht in die Rolle der Verteidiger des Status Quo bringen lassen
– allein deshalb, weil es notwendig erscheint und manchmal auch politisch
opportun, wenn man etwa keine eigenen Vorstellungen hat, wie es anders
gehen könnte.
## Die gesellschaftliche Energie mobilisieren
Diese Position aber ist nicht nur unattraktiv, weil sie etwa auch
Institutionen und Prozesse verteidigen hilft, die kritisiert werden sollten
– sie führt zu politischer Passivität. Das ist der böse Trick und die
tückische Dynamik konservativer Scherbenpolitik: In der gegenwärtigen
politischen Architektur führt sie dazu, dass die einen auf die anderen
reagieren müssen, dass sie sich um Lösungen für Probleme kümmern müssen,
die aus ideologischer Borniertheit oder massiven Interessen entstanden sind
– statt sich mit der Lösung von wirklichen Problemen zu befassen, etwa eine
nachhaltige Energieversorgung, die Vorbereitungen auf den Klimawandel oder
die KI-Revolution.
Diese Art von Politik führt damit zu einer weiteren Entpolitisierung und
letztlich zu einer Entdemokratisierung – nicht nur, weil das Vertrauen in
die handelnden Akteure und das demokratische System geschwächt wird,
sondern auch, weil die Kapazitäten des Systems eben gebunden sind durch
überflüssige Nebenaktionen. Die demokratische Praxis funktioniert im
Parlamentarismus auch nur, wenn sich die Beteiligten an die Regeln halten –
ist das nicht der Fall, braucht es ein System-Update.
So gesehen ist das Verhalten von Jens Spahn und seinen Kollegen auch ein
Zeichen für die Notwendigkeit, die demokratische Praxis zu demokratisieren.
Wenn es keine Verantwortlichkeit gibt in einem System, verliert dieses
System das Vertrauen derjenigen, für die es gemacht ist. Es muss deshalb
darum gehen, eine Demokratie zu erschaffen oder zu ermöglichen, die die
gesamte Energie der Gesellschaft nutzt und nicht dem Eigensinn Einzelner
ausgesetzt ist. Das muss die politische Anstrengung sein, bis 2029 und
darüber hinaus.
18 Jun 2025
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Georg Diez
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