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       # taz.de -- Liebeserklärung ans Fahrrad: Mein Joker auf zwei Rädern
       
       > Unsere Autorin liebt das Fahrradfahren. Es gab ihr Selbstvertrauen und
       > bringt ihr ein Gefühl von Freiheit, rosige Wangen und Glück.
       
   IMG Bild: Ich fahre immer Fahrrad. Im Alltag, im Urlaub, wenn ich meine Familie besuche
       
       Fast schon überheblich rolle ich am Morgen an den vielen langsam vor sich
       hinsiechenden Autos vorbei und halte an der Ampel vor ihnen. Ich liebe den
       Fahrradabschnitt, der sich ganz vorne vor dem Haltestreifen für Vierräder
       befindet. Drei Kilometer sind es mit dem Rad zur Arbeit – eine ziemlich
       läppsche Pendellänge. Im Aufzug bei der Arbeit sehe ich, dass die noch
       kalte Luft mir rosige Wangen beschert hat und mir ein lebendiges Etwas im
       Gesicht gibt.
       
       Ich [1][fahre immer Fahrrad]. Im Alltag, im Urlaub, wenn ich meine Familie
       besuche. Wie für viele Andere war das Fahrrad für mich als Kind ein
       Draußenspielzeug und eine Schulwegbewältigungshilfe. Bis es geklaut
       wurde und die Pubertät eintrat. Als ich schließlich aus- und in die
       Großstadt zog, schenkte meine Tante mir ihr altes, dunkelblaues, nach
       Hollandrad aussehendes Gefährt, und das Zweirad wurde in der Funktion als
       günstiges Fortbewegungsmittel wieder präsenter in meinem Leben.
       
       Immer wenn es regnete, flog die Kette runter. Irgendwann bekam ich eine
       Joker-Klingel geschenkt Als sie jemand klauen wollte und ich diesen Jemand
       erwischte, wollte ich ihn verprügeln. Ein anderes Mal stand mein Rad nicht
       mehr im Hof, mein Nachbarkumpel fand es ein paar Straßen weiter mit einem
       anderen Schloss versehen und wir klauten es zurück. Das waren vermutlich
       die Momente, nach denen ich mir kein Leben mehr ohne (m)ein Fahrrad
       vorstellen konnte.
       
       Das Radfahren lehrte mich Selbstvertrauen. Dank ihm habe ich, französische
       Zigaretten rauchend, [2][den Mont Ventoux erobert]. Das Radfahren half bei
       Bahnausfällen. Die 72 Kilometer zu Maman konnte ich einfach selber fahren.
       Das Radfahren brachte mich an die entlegensten Orte, die weder zu Fuß noch
       mit dem Auto zu erreichen sind. Ich war in Gegenden Vietnams, die meiner
       Familie kaum ein Begriff sind. Es rührte sie und brachte uns näher.
       
       Meine Familie fährt ebenfalls viel Rad, allen voran mein Opa, der uns
       früher aus Sperrmüllfunden ein Zweirad hergerichtet hat. Allerdings
       bedauern sie hin und wieder meine (alleinige) Anreise auf zwei Rädern. Ein
       wenig aus Sorge, vor allem aber, weil ich [3][nicht mehr so viel Essen
       zurücktransportieren kann]. Der Umstand jedoch, dass Radfahren meine
       Ankunft wahrscheinlicher macht, tröstet sie.
       
       Zudem schätzt meine Maman, dass ich ihre Fahrräder warten kann. Ich
       schraube ehrenamtlich an Rädern herum und habe mir in den letzten zehn
       Jahren [4][einige Fertigkeiten beigebracht]. Das brachte mir die
       Gewissheit, immer wenn ich es brauche, alleine unterwegs sein zu können,
       [5][weil ich mir bei Pannen selbst helfen kann].
       
       ## Jede Beziehung braucht Pflege
       
       Manchmal vergesse ich, wie viel Selbstbestimmung und Freiheit mir das
       Radfahren gibt. In seiner alltäglichen Präsenz wird es für mich zu
       selbstverständlich. Wie in Partner*innenschaften mangelt es an
       Wertschätzung und man vernachlässigt die vermeintliche Arbeit, die ein
       Miteinander mit sich bringt. Ich ärgere mich dann über Tüddelkram, wie,
       dass die Kette sauber gemacht werden muss oder dass ich den schönen
       Vintagemantel nicht tragen kann, weil er sonst genau da drankommt.
       
       Um mir zu demonstrieren, dass ich nicht abhängig von meinem Fahrrad bin,
       unternehme ich Städtetrips. Dann fahre ich in der vollen verspäteten Bahn
       voller menschlicher Ausdünstungen nach Paris. Um asiatische Lebensmittel
       einzukaufen, die ich in Deutschland nicht bekomme. Zu Fuß unterwegs,
       genieße ich anfangs das alleinige Flanieren. Bis es mir zu (un-)menschlich
       wird.
       
       Als kleine Frau kenne ich das Ärgernis, das in der Vergangenheit
       erfreulicherweise medial aufgegriffen wurde: Manslamming. Hindernisse, in
       männlicher Menschenform, die selbstverständlich nicht ausweichen, sondern
       rempeln. Nicht selten fliegt nach einer tief hochgezogenen Erzählung aus
       dem Inneren noch ein dicker Geleeklotz vor die Füße.
       
       Nun sind die Straßen in Paris entweder prächtig breit oder gassig schmal,
       aber immer dicht gedrängt. Ich erwische mich dabei, wie ich all die
       Menschen auf ihren Rädern beneide. Erhöht gleiten sie elegant und zügig an
       Menschen und Autos vorbei, sie haben etwas Starkes an sich. Sie sind eine
       Menschmaschine.
       
       In dem Moment identifiziere ich eine weitere Libertät, die mir das
       Radfahren vermittelt: Isoliert am Leben teilzunehmen, fernab von
       ungewollter Nähe. Auf dem Rad bin ich in meinem Safe Space. Ziemlich
       defensiv sitze ich also im vollen Zug auf dem Weg nach Hause, zu den
       Fahrrädern. Doch die Vorfreude auf ein Wiedersehen erweckt ein lebendiges
       Etwas in mir und beschert mir rosige Wangen.
       
       20 Apr 2025
       
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