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       # taz.de -- Protest im Gazastreifen: „Beendet den Krieg!“
       
       > Im Gazastreifen gehen die Demonstrationen weiter. Zwar haben viele von
       > der Hamas genug, doch es gibt auch andere Stimmen.
       
   IMG Bild: Menschen protestieren in Beit-Lahia für ein Ende des Gaza-Kriegs
       
       Beit Lahia/Jerusalem taz | Es sind weniger Menschen gekommen [1][am dritten
       Tag der Proteste in Beit Lahia im Gazastreifen]. Knapp 200 Demonstranten
       haben sich um 15:30 Uhr am Donnerstag auf der Hauptstraße der weitgehend
       zerstörten Stadt versammelt, um ein Ende des Krieges und der
       Hamas-Herrschaft in Gaza zu fordern, am Vortag waren es mehr als 1000.
       
       „Wir sind extrem wütend auf beide Seiten, Israel und die Hamas“, sagt der
       64-jährige Abu Saeed Felfel aus Beit Lahia. „Wir bezahlen den Preis.“ Er
       habe wie viele andere sein Zuhause, zahlreiche Verwandte und seinen
       gesamten Besitz verloren. Er sei der Hamas-Herrschaft müde. „Wir wollen
       eine neue Regierung, eine demokratische, in der wir selbst entscheiden
       können, wie wir Gaza wieder aufbauen.“
       
       Den 7. Oktober 2023 nennt Felfel „sehr schwer und absolut unerwartet“. Die
       absolute Zerstörung, die die Armee aber seither über Gaza und seine
       Schulen, Moscheen, Hospitäler und Wohnhäuser gebracht habe, sind in seinen
       Augen ungerechtfertigt. „Sie unterscheiden nicht mehr, das ist ein Krieg
       gegen Kinder und Frauen, ein Völkermord“, sagt Felfel. Mehr als 50.000
       Menschen wurden nach Angaben des von der Hamas geleiteten
       Gesundheitsministeriums seit Kriegsbeginn getötet, zwei Drittel von ihnen
       Frauen und Kinder.
       
       Die Proteste seien spontan entstanden, aus dem Schock nach der Pause der
       Waffenruhe plötzlich wieder zu Krieg und Vertreibung zurückzukehren. „Wir
       wollen den Krieg beenden, und dass die Hamas-Regierung ihre Macht abgibt.“
       
       ## Brutal unterdrückt
       
       Es sind die größten Hamas-kritischen Demonstrationen seit dem Beginn des
       Krieges. In der Regel werden solche seltenen Proteste in Gaza brutal
       unterdrückt, Teilnehmer festgenommen und verprügelt, ihre Familien bedroht.
       Die Hamas hatte bereits am Dienstagabend versucht, die Proteste
       herunterzuspielen. Sie würden sich vor allem gegen das Leid infolge des
       Krieges richten, teilte Sprecher Bassem Naim mit, ohne die Kritik an der
       Hamas zu erwähnen.
       
       Die Slogans der Demonstrierenden sprechen hingegen eine deutliche Sprache:
       „Hamas raus“ und „Nieder mit der Hamas“ ist auf zahlreichen Videos
       internationaler Nachrichtenorganisationen und auch vereinzelt in Beit Lahia
       zu hören.
       
       Dort halten am Donnerstag Kinder weiße Plastikplanen hoch, auf die Parolen
       gesprüht wurden. „Ich habe ein Recht auf ein Leben in Frieden“, steht auf
       einem. „Beendet den Krieg“ steht auf einem anderen geschrieben. Die meisten
       Teilnehmer sind Männer jeden Alters. Vereinzelt beobachten Frauen den
       kleinen Zug von der Seite oder aus den Fenstern der wenigen noch stehenden
       Häuser.
       
       ## Für Selbstbestimmung
       
       Ein Stück weiter läuft Ahed al-Masri aus Beit Lahia. Für den 49-Jährigen
       gehen die Probleme weit vor den Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober
       2023 zurück, bei dem rund 1200 Menschen getötet und rund 250 verschleppt
       worden waren. „Seit 18 Jahren kommen wir keinen Schritt voran“, sagt er.
       „Wir wollen, dass unsere Kinder in Frieden leben und eine sichere Zukunft
       haben.“ Die Hamas regiert den Gazastreifen seit 2007, nachdem sie zuvor die
       Wahlen zum palästinensischen Legislativrat knapp vor der rivalisierenden
       Fatah gewonnen hatte.
       
       Doch sein Protest richte sich nicht in erster Linie gegen die Hamas. Er
       wolle vor allem Selbstbestimmung, betont al-Masri. Es sollten die Menschen
       in Gaza sein, die über ihre Zukunft entscheiden könnten, „nicht jene, die
       in Hotels unter sicheren Dächern sitzen und gutes Essen genießen“, sagt er
       und meint die Hamas-Führungsriege im Exil. „Sie entscheiden, was richtig
       für uns ist, wer hat ihnen das Recht dazu gegeben?“
       
       Dass die Hamas seit ihrem Überfall auf Israel an Unterstützung verloren
       hat, zeichnete sich schon zuvor ab. Offener Widerstand aber war mit wenigen
       Ausnahmen ausgeblieben. Am Donnerstag sind im Umfeld der Demonstration
       einige bewaffnete Hamas-Mitglieder zu sehen, die jedoch nicht einschreiten.
       Mehrere Menschen berichten jedoch von Warnungen, „nicht zu übertreiben“,
       woraufhin mehrere Teilnehmer wieder gegangen seien.
       
       Al-Masri will trotzdem weiter protestieren. Er sei den ganzen Krieg
       geduldig geblieben und habe sein Schicksal ohne Protest ertragen. Als er
       nach der Waffenruhe zu seinem Haus zurückkehrte und nur Ruinen vorfand,
       habe er seine Trauer heruntergeschluckt und mit dem Aufräumen begonnen.
       [2][„Und jetzt kommt der Krieg zurück, wir haben keine Kraft mehr, weiter
       durchzuhalten.“]
       
       ## Vorräte werden knapp
       
       Laut Hilfsorganisationen werden nach fast einem Monat kompletter
       Abriegelung des Küstenstreifens durch Israel zudem zunehmend so gut wie
       alle Vorräte knapp. „Es kommt nichts herein“, sagt Clemence Lagouardat von
       Oxfam. Die schwindenden Vorräte stellten die Helfer bei der Versorgung der
       mehr als zwei Millionen Menschen in dem Küstenstreifen zunehmend vor
       „unmögliche Entscheidungen“.
       
       Doch es gibt auch andere Stimmen unter den Demonstranten in Beit Lahia.
       Einer der Organisatoren, der anonym bleiben möchte, kritisiert, wohin sich
       der Protest entwickelt habe. „Unser Ziel war, den Krieg zu beenden“, sagt
       er. „Wir sind nicht gegen die Hamas oder den Widerstand.“ Andere hätten die
       Unzufriedenheit ausgenutzt, um ihre politischen Interessen zu platzieren.
       Es solle bald einen Aufruf für ein Ende der Proteste geben.
       
       Auch der 32-jährige Mohammed sagt: „Die Hamas muss als Regierung gehen,
       nicht aber als Widerstandsorganisation.“ Ihre Regierung habe der
       Bevölkerung im Gazastreifen nichts gebracht, sie aber viel gekostet. „Das
       palästinensische Volk hat enorm gelitten in den vergangenen 18 Monaten“,
       sagt er. Es werde aber auch weiter leiden, „bis Palästina vollständig
       befreit ist.“
       
       28 Mar 2025
       
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