URI:
       # taz.de -- Infrastruktur-Sondervermögen: Verhaltene Hoffnung für die Verkehrswende
       
       > Noch ist unklar, wohin die Milliarden fließen. Expert:innen
       > befürchten, dass CDU und SPD statt in die Schiene in neue Autobahnen
       > investieren.
       
   IMG Bild: Könnte ein paar Milliarden gebrauchen: Das Schienennetz in Deutschland
       
       Berlin taz | [1][Das 500 Milliarden schwere Sondervermögen], das am Freitag
       aller Wahrscheinlichkeit nach die letzte Hürde im Bundesrat nimmt, weckt
       Hoffnungen auf eine zukunftsfähige Verkehrspolitik. Vor allem die Deutsche
       Bahn spekuliert auf einen großzügigen Anteil. Doch die Gefahr droht, dass
       kommende Regierungen das Geld für den Straßenneubau verschwenden, warnen
       Expert:innen.
       
       „Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, um den Investitionsstau in
       Deutschland aufzulösen“, begrüßt Infrastrukturexperte Urs Maier vom
       Institut Agora Verkehrswende die Entscheidung. Doch die Erwartung, dass mit
       den Milliarden aus dem Sondervermögen die Verkehrswende finanziert werden
       könne, dämpft Maier. Unklar sei bisher, wie neben der Sanierung des
       Schienennetzes auch der notwendige Aus- und Neubau verlässlich finanziert
       und umgesetzt werden soll. „In den letzten Jahren haben wir hohe
       Infrastrukturschulden angehäuft“.
       
       Die bereits am Mittwoch vom Bundestag verabschiedete Grundgesetzänderung
       ermöglicht es der kommenden Bundesregierung, ein Sondervermögen für
       Infrastruktur und Klimaschutz einzurichten. 500 Milliarden Euro an Krediten
       sollen dafür aufgenommen werden, die über die nächsten 12 Jahre ausgeben
       werden können. Davon sind hundert Milliarden für den Klima- und
       Transformationsfonds vorgesehen, der Rest steht für
       Infrastrukturinvestitionen zur Verfügung.
       
       Allein bei der Deutschen Bahn beläuft sich der Investitionsbedarf nur für
       den Erhalt des Schienennetzes auf über 90 Milliarden Euro. Dazu kommen dann
       noch einmal 200 Milliarden für Elektrifizierung, Digitalisierung und
       Streckenausbau – alles notwendige Maßnahmen, um die angepeilte
       Klimaneutralität im Verkehrssektor bis 2045 zu erreichen.
       
       ## Milliarden für die Bahn
       
       Laut einem [2][Bericht der Süddeutschen Zeitung] verteilte das Unternehmen
       bereits während der Sondierungsgespräche ein Positionspapier an die
       zukünftigen Koalitionäre. Darin meldete die Deutsche Bahn schon mal einen
       Bedarf von 148 Milliarden aus dem Sondervermögen an, der Rest der insgesamt
       290 Milliarden soll aus den laufenden Haushalten finanziert werden.
       
       Auch im Straßennetz sind die Bedarfe riesig. Das Bundesverkehrsministerium
       beziffert den Erhaltungsbedarf der Bundesstraßen bis 2030 auf über 140
       Milliarden Euro. Darin ist das kommunale Straßennetz noch nicht enthalten.
       [3][Eine Studie des deutschen Instituts für Urbanistik von 2023 beziffert
       den Sanierungsaufwand für Brücken, Straßen und Tunnel bis 2030 auf 283
       Milliarden Euro.]
       
       Auch wenn er optimistisch sei, dass die Sanierung des Schienennetzes
       vorangehe, werde es darüber hinaus „große Verteilungskämpfe geben“, mutmaßt
       Dirk Flege, Geschäftsführer des Interessenverbandes Allianz pro Schiene.
       Dringende Bedarfe gibt es auch von Krankenhäusern, Schulen und vielen
       anderen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge.
       
       „Die Gefahr ist ziemlich hoch, dass das Geld für den Bau von Autobahnen
       draufgeht“, sagt Bernd Riexinger, verkehrspolitischer Sprecher der Linken.
       Ein schlechtes Vorzeichen ist die jüngste Überprüfung des
       Bundesverkehrswegeplans. Erst im Dezember stellte das Haus von
       Verkehrsminister Wissing (parteilos) fest, dass alle geplanten
       Autobahnneubauprojekte fortgeführt werden sollen. Schienenlobbyist Flege
       widerspricht, [4][es gäbe keinen Bedarf, neue Autobahnen zu bauen.]
       
       Will die Bundesregierung das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 erreichen,
       führt jedoch kein Weg am Ausbau der Schiene vorbei, sagt auch
       Infrastrukturexperte Urs Maier. „Die neue Koalition muss ein Gesamtkonzept
       für die Verkehrswende schaffen.“ Das Sondervermögen könne da nur eine
       Brücke in eine nachhaltigere Finanzierung sein, etwa durch eine Pkw-Maut.
       
       21 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Sondervermoegen-fuer-Infrastruktur/!6072671
   DIR [2] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-bahn-sondervermoegen-db-union-spd-li.3218137?reduced=true
   DIR [3] https://difu.de/presse/pressemitteilungen/2023-08-30/verkehrswende-mit-investitionen-in-die-infrastruktur-der-kommunen-vorantreiben
   DIR [4] /Bundesverkehrswegeplan-in-der-Kritik/!5996189
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jonas Wahmkow
       
       ## TAGS
       
   DIR Verkehrswende
   DIR Schuldenbremse
   DIR Regierungsbildung
   DIR Sanierung
   DIR Infrastruktur
   DIR Verkehr
   DIR Bundesverkehrswegeplan
   DIR Elektromobilität
   DIR Neubau
   DIR Schuldenbremse
   DIR Schulden
   DIR Greenpeace-Studie
   DIR Regierungsbildung
   DIR Schuldenbremse
   DIR Deutsche Bahn (DB)
   DIR Verkehrswende
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR FAQ zu maroden Brücken: Abreißen und neu bauen? Oder gibt es eine bessere Strategie?
       
       Deutschlands Infrastruktur altert, und besonders die Brücken sind
       betroffen: etwa ein Drittel gilt als marode. Das könnte jedoch auch ganz
       anders sein.
       
   DIR Sondervermögen: Reicht das, um die deutsche Infrastruktur zu modernisieren?
       
       Die neue Bundesregierung will viele Milliarden Schulden aufnehmen und
       investieren. Gelingt die Modernisierung?
       
   DIR Marode Brücken: Sanierungsbedarf im dreistelligen Milliardenbereich
       
       Viele Brücken in Deutschland sind in einem schlechten Zustand. Eine Studie
       warnt, die Lage sei noch dramatischer als angenommen.
       
   DIR Koalitionsvertrag: Verkehrswende geht anders
       
       CDU und SPD wollen viel Geld ins Schienennetz investieren, aber auch in
       neue Autobahnen. Das Deutschlandticket darf vorerst bleiben.
       
   DIR ADAC-Pannenstatistik: Verbrenner lassen einen eher auf der Strecke
       
       E-Autos haben viel seltener Pannen als Verbrenner. Häufigster
       Pannenverursacher ist bei beiden die Starterbatterie.
       
   DIR Krise des Neubaus in Berlin: Mehr Geld, mehr Wohnungen?
       
       Die Zahl der beantragten Neubauwohnungen sinkt dramatisch. Die Milliarden
       aus dem Sondervermögen könnten das Bauen anschieben – aber auch verhindern.
       
   DIR Schiene, Straße, Schule: Wohin geht das ganze Geld?
       
       Der Bundestag hat das Grundgesetz geändert, damit der Staat höhere Ausgaben
       finanzieren kann. Und das in bislang ungekanntem Ausmaß.
       
   DIR Deutschlands neue Schulden: Umverteilung statt Schuldenpaket wäre besser gewesen
       
       Das „Sondervermögen“ haben Union und SPD als alternativlos dargestellt.
       Dabei hätten es auch anders gehen können – historische Beispiele zeigen es.
       
   DIR Analyse aller Fahrpläne: Über ein Viertel der Deutschen vom ÖPNV abgeschnitten
       
       Viele Menschen in Deutschland sind aufs teure und meist klimaschädliche
       Autofahren angewiesen. Im Vergleich schneidet Bayern besonders schlecht ab.
       
   DIR Bundesrat stimmt über Finanzpaket ab: Aiwanger wäre ohne Zustimmung entlassen worden
       
       Der Bundesrat muss am Freitag das Finanzpaket mit Zweidrittelmehrheit
       absegnen. Der Freie-Wähler-Chef will zustimmen, weil er sonst kein Minister
       mehr wäre.
       
   DIR Sondervermögen für Infrastruktur: Mehr Geld für Sicherheit, Infrastruktur und Klima
       
       Nach der Einigung von Union, SPD und Grünen stimmt auch der
       Haushaltsausschuss für eine Grundgesetzänderung, um die Schuldenbremse zu
       lockern.
       
   DIR Eisenbahn fahren in Deutschland: Züge fallen immer häufiger aus
       
       Die Deutsche Bahn streicht immer mehr Verbindungen ad hoc. Betroffen ist
       nicht nur der Fern-, sondern auch der Nahverkehr.
       
   DIR Bundesverkehrswegeplan in der Kritik: Keine neuen Straßen
       
       Verbände fordern eine Kehrtwende in der deutschen Verkehrsplanung. Ihre
       Kritik: Aktuelle Pläne widersprächen dem Klimaschutz.