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       # taz.de -- Aufschwung für Syrien: Pariah-Staat in der Probezeit
       
       > Die internationale Gemeinschaft findet Vertrauen in Syriens Regierung:
       > Die EU setzt Sanktionen aus, die arabische Liga lädt al-Scharaa zum
       > Gaza-Gipfel ein.
       
   IMG Bild: Quasi über Nacht zum Staatsmann geworden: Syriens De-facto-Präsident Ahmed al-Scharaa
       
       Beirut taz | Die EU setzt Sanktionen gegen Syrien aus. Das haben die
       Außenminister*innen am Montag einstimmig beschlossen. Die syrische
       Zentralbank, vier Banken und die staatliche Airline werden von der
       Sanktionsliste gestrichen, Strafmaßnahmen gegen die Öl-, Gas- und
       Stromindustrie zurückgenommen. Das soll humanitäre Hilfe und den
       Wiederaufbau erleichtern. Die UN schätzt, dass das Land mehr als 50 Jahre
       braucht, um seine Wirtschaftskraft auf Vorkriegs-Niveau zu bringen.
       
       Die Außenminister*innen erklärten, die Sanktionen wieder einzusetzen,
       falls sich [1][das politische Klima in Syrien] verschlechtere. Einige
       Maßnahmen bleiben: das Waffenembargo, Sanktionen gegen Chemiewaffen und
       Drogenhandel. Verantwortliche des gestürzten Regimes von Baschar al-Assad
       dürfen weiter nicht in die EU reisen oder dort Geld anlegen.
       
       Nach dem Sturz von al-Assad ist Syrien im Umbruch. Die Übergangsregierung
       arbeitet daran, die vielen militärischen Gruppen in eine nationale Armee zu
       integrieren, und bemüht sich um internationale Anerkennung. Am Montag
       beginnt der sogenannte „Nationale Dialog“, den De-facto-Präsident Ahmad
       al-Scharaa versprochen hatte. Bei Gesprächen auf der zweitägigen Konferenz
       in Syrien soll es um Vergangenheitsbewältigung, eine neue Verfassung,
       politische und wirtschaftliche Reformen gehen.
       
       Die internationale Gemeinschaft gewinnt Vertrauen. Die Arabische Liga
       schickte al-Scharaa am Sonntag eine Einladung zum [2][Gaza-Gipfel.] Das
       Treffen in Ägypten am 4. März ist eine Reaktion auf den
       völkerrechtswidrigen Plan von US-Machthaber Donald Trump, gemeinsam mit der
       israelischen Armee die Palästinenser*innen aus Gaza vertreiben zu
       wollen.
       
       ## Netanjahu: „Entmilitarisierung des südlichen Syrien“
       
       Syriens neue Regierung hat selbst territoriale Probleme mit Israel. Am
       späteren Sonntag erklärte der israelische [3][Premierminister Benjamin
       Netanjahu]: Der Süden Syriens müsse vollständig entmilitarisiert werden.
       Israel werde die Präsenz von bewaffneten Streitkräften der neuen syrischen
       Regierung in Grenznähe nicht akzeptieren. Die Nähe zur Grenze legt er dabei
       großzügig aus: Man werde nicht zulassen, dass die syrische Armee „in das
       Gebiet südlich von Damaskus“ eindringe. „Wir fordern die vollständige
       Entmilitarisierung des südlichen Syriens, einschließlich der Provinzen
       Quneitra, Daraa und Suwayda“, so Netanjahu.
       
       Auf eigentlich [4][syrischem Boden stehen Israels Truppen schon seit
       letztem Dezember]: Gleich nach dem Sturz des Assad-Regimes hatte Israel
       Truppen in die entmilitarisierte sogenannte Pufferzone geschickt. Während
       des arabisch-israelischen Krieges von 1967 hatte Israel den größten Teil
       der [5][Golanhöhen] von Syrien eingenommen und 1981 annektiert.
       
       In der Pufferzone patrouillieren die Truppen der Vereinten Nationen (UN),
       um die israelischen und syrischen Streitkräfte voneinander fernzuhalten.
       Die UN betrachten die jetzige Übernahme der Pufferzone durch Israel als
       Verstoß gegen das Rückzugsabkommen von 1974. Israel hat seit Dezember
       außerdem Hunderte Luftangriffe auf syrische Militäreinrichtungen geflogen.
       
       ## Pufferzone auf unbestimmte Zeit
       
       Die neue syrische Regierung hat angedeutet, nicht gegen Israel kämpfen zu
       wollen. Ende Januar hatte De-facto-Außenminister Asaad Hassan al-Shibani
       dem Chef der UN-Friedenstruppe, Jean-Pierre Lacroix, versprochen, mit der
       UN zu kooperieren. Syrien sei bereit, seine Truppen auf den Golan zu
       verlegen, „vorausgesetzt, die israelischen Streitkräfte ziehen sich sofort
       zurück“, zitiert die staatliche Nachrichtenagentur SANA.
       
       Israels Machthaber Benjamin Netanjahu weigert sich. Er sagte am Sonntag,
       dass die israelischen Truppen „auf unbestimmte Zeit“ in der Pufferzone
       bleiben würden. Die Bewohnenden in den Grenzdörfern fürchten, dass der
       Einmarsch in die Grenzgebiete zu einer längeren Besatzung führt und sie aus
       ihren Häusern vertrieben werden könnten.
       
       24 Feb 2025
       
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