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       # taz.de -- Umfragen und Wahlergebnisse: Die Suche nach dem Wählerwillen
       
       > Das Umfrage-Institut YouGov sieht die Linke bei unwahrscheinlichen 9
       > Prozent. Doch Umfragen beeinflussen die Entscheidungen der
       > Wähler:innen.
       
   IMG Bild: Wahlkampfauftakt mit Heid Reichinnek: Der Umfragen-Höhenflug könnte die Linke noch teuer zu stehen kommen
       
       Die Linkspartei steht jetzt bei sensationellen 9 Prozent. Zumindest
       [1][sieht das Umfraginstitut YouGov] die Linke in seiner jüngsten Umfrage
       dort. Demnach hat die durch Spaltung und Selbstzerfleischung gebeutelte
       Partei ihren Stimmenanteil seit Anfang Januar verdreifacht – was Fragen
       aufwirft.
       
       Zieht die schon totgesagte Linke am Sonntag tatsächlich locker wieder in
       den Bundestag ein? Ist dieser Wert nicht extrem und Stimmungsmache? Kurz
       gesagt: Kann man denen glauben?
       
       Keines der mittlerweile acht Institute, die sich mit der
       Wähler:innenstimmung befassen, versucht genau vorauszusagen, wie die
       Wahl ausgehen wird. Alle Zahlen sind immer nur eine Annäherung an den
       Ist-Zustand.
       
       Mal werden dafür Menschen per Telefon, mal im Internet befragt. Jedes
       Vorgehen hat Schwächen, daher veröffentlichen die Institute in der Regel
       nicht die erfassten Rohdaten, sondern interpretieren sie, um der Wahrheit
       möglichst nah zu kommen.
       
       ## Umfragen können ungeahnte Effekte auslösen
       
       Das beruht auf Erfahrungswerten – etwa dass Stammwähler:innen über
       Jahrzehnte einer Partei treu bleiben. Doch wenn neue Parteien auftauchen,
       wie diesmal das BSW, fehlt diese Erfahrung. Das erschwert die
       Interpretation der Zahlen.
       
       Wichtiger aber ist: Selbst wenn es einem Institut gelänge, die Lage bis
       aufs Zehntel hinter dem Komma zu erfassen, würde das Wahlergebnis davon
       abweichen. Denn die Stimmung ändert sich bis zuletzt – gerade durch die
       veröffentlichten Umfragen.
       
       Sie bieten den Wählenden Orientierung, die zu sehr dynamischen Effekten
       führen kann. Ein Beispiel dafür war die Landtagswahl in Brandenburg im
       September. Da lag bei allen Instituten die AfD teils [2][bis zu 4
       Prozentpunkte vor der SPD].
       
       Drei Tage vor der Wahl aber sah die Forschungsgruppe Wahlen die SPD nur
       noch einen Punkt hinter den Rechtsextremen. Für viele war das die
       Motivation, für die SPD zu stimmen, damit die AfD nicht stärkste Kraft
       werde. Am Ende lag die SPD mit 30,9 Prozent vor den Braunen mit 29,2
       Prozent.
       
       ## Auch gute Zahlen können schaden
       
       Leidtragende war die FDP. Die Kleinpartei wurde von allen Instituten bei 3
       Prozent gesehen. Die Botschaft war klar: Die bleiben unter 5 Prozent, eine
       Stimme für die Liberalen ist verloren, damit kann man Besseres machen, etwa
       die SPD stärken.
       
       Am Ende plumpste die FDP auf 0,8 Prozent. Deshalb ist es für Lindners
       Trüppchen wichtig, dass es wenigstens vom konservativen Allensbach-Institut
       bei 5 Prozent gesehen wird, während alle anderen ihm nur 4 Prozent geben.
       
       Aber auch gute Zahlen können schaden. Der Union könnte es guttun, wenn sie
       knapper vor der AfD läge. Das würde viele dazu bringen, das Kreuz bei
       CDU/CSU zu machen, damit die AfD nicht vorne landet.
       
       Möglich auch, dass die 9-Prozent-Prognose von YouGov der Linken schadet.
       Denn wenn viele den Einzug ins Parlament eh für sicher halten, stimmen am
       Ende einige doch für Grüne, SPD oder BSW. Vor der letzten Bundestagswahl
       2021 lag die Linke bei 6 oder gar 7 Prozent, so wie jetzt bei den ebenfalls
       [3][am Montag veröffentlichen Zahlen von Insa]. Am Wahltag landete sie bei
       4,9. Ein Fiasko.
       
       ## Dieses Jahr könnte die Union verlieren
       
       Am stärksten unterschätzt wurde vor drei Jahren die Union. Sie holte bis 3
       Prozentpunkte mehr als in den letzten Umfragen. Diesmal könnte es umgekehrt
       sein. Denn zuletzt waren CDU/CSU auf einem leicht absteigenden Ast.
       
       Am deutlichsten sichtbar wird das ausgerechnet beim konservativen
       [4][Allensbach-Institut. In dessen Umfragen] hat die Union seit
       Jahresbeginn 4 Punkte eingebüßt. Und bei der Wahl 2021 lag Allensbach mit
       seiner letzten Prognose näher als alle anderen am Wahlergebnis.
       
       19 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.wahlrecht.de/umfragen/yougov.htm
   DIR [2] https://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/brandenburg.htm
   DIR [3] https://www.wahlrecht.de/umfragen/insa.htm
   DIR [4] https://www.wahlrecht.de/umfragen/allensbach.htm
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gereon Asmuth
       
       ## TAGS
       
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