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       # taz.de -- Iran und die Welt: Märtyrertod oder Demütigung
       
       > Die Gefahr eines Krieges gegen Iran ist so groß wie noch nie, das würde
       > im Nahen Osten einen Flächenbrand auslösen. Nun kommt es auch auf die USA
       > an.
       
   IMG Bild: Paris, 8. Februar 2025: Anhänger der iranischen Oppositionsgruppe Nationaler Widerstandsrat protestieren gegen das Atomprogramm
       
       Das Attentat auf zwei Richter im Teheraner Justizgebäude vor knapp drei
       Wochen hat wohl bei den meisten Menschen im Iran ein Gefühl der Genugtuung
       ausgelöst. Ali Rasini und Mohammed Moghiseh waren für Hinrichtungen, Folter
       und [1][lange Freiheitsstrafen] gegen politische Gefangene
       mitverantwortlich. Vor allem Rasini war 1988 an den Massenhinrichtungen
       Tausender Oppositioneller direkt beteiligt. Innenpolitisch hat das Regime
       seine Basis im Volk längst verloren. Korruption, Misswirtschaft, die
       Unsummen, die das Land für militärische Aktivitäten im Ausland und für das
       unsinnige Atomprogramm ausgegeben hat, und nicht zuletzt die harten
       Sanktionen der UNO, der USA und der EU haben Millionen Menschen in die
       Armut getrieben. Die Massenproteste, die in immer kürzeren Abständen
       stattfinden, zuletzt die vorwiegend von Frauen geführten Proteste unter dem
       Motto „Frau, Leben, Freiheit“, zeigen das Ausmaß der Unzufriedenheit in der
       Bevölkerung.
       
       Außenpolitisch befindet sich Iran in einer äußerst prekären Lage. Die vor
       Jahren geplante Strategie – Loslösung vom Westen und Hinwendung zum Osten –
       hat bislang keinen Erfolg gebracht. Iran hatte gehofft, durch Annäherung an
       Russland und China ökonomische und politische Vorteile zu erzielen und vor
       allem Rückendeckung für seine nationale Sicherheit zu erhalten. Doch weder
       China noch Russland würden im Ernstfall dem Regime in Teheran als
       Schutzschild dienen. Das Verhältnis zu China ist vorwiegend ökonomisch.
       Iran verkauft Öl an China zu Vorzugspreisen und umgeht damit die
       Sanktionen. China selbst fügt der iranischen Industrie durch den Export von
       Billigwaren großen Schaden zu.
       
       Auch Russland hat Iran in der Not nie beigestanden, im Gegenteil: Immer,
       wenn eigene Interessen es erforderten, war Moskau bereit, zum Nachteil
       Irans zu handeln. So bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat über harte
       Sanktionen gegen Iran. Die Russen haben zudem immer wieder versucht, das
       Zustandekommen des Atomvertrags zwischen den UN-Vetomächten, Deutschland
       und Iran zu torpedieren. Auffallend war, dass Russland nie versucht hat,
       Angriffe Israels gegen iranische Stützpunkte in Syrien zu verhindern,
       während Iran mit Drohnen und Raketen Russland im Ukrainekrieg unterstützt.
       
       Die jüngste [2][Vereinbarung zwischen Moskau und Teheran] über eine
       strategische Zusammenarbeit hat mehr Aufsehen erregt, als der Inhalt es
       erlaubt. Iran braucht dringend ausländische Investitionen, die kann und
       will Russland kaum leisten. Das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern
       ist weit geringer als zum Beispiel das zwischen Russland und der Türkei
       oder den arabischen Ländern. Russland braucht das Abkommen als Trumpf bei
       möglichen Verhandlungen mit den USA über einen Waffenstillstand in der
       Ukraine. Iran hofft, das Abkommen könne einen militärischen Angriff Israels
       beziehungsweise der USA verhindern.
       
       Aktuell ist [3][Iran so schwach wie noch nie.] Die „Achse des Widerstands“,
       die die Islamische Republik im Laufe der vergangenen Jahrzehnte mit
       Milliarden Ausgaben und zahlreichen Opfern an Menschenleben aufgebaut
       hatte, wurde innerhalb weniger Wochen stark geschwächt. Syrien ist
       verloren, Hisbollah, Hamas und andere militante Organisationen in der
       Region, die von Iran unterstützt wurden, sind kaum noch einsatzfähig. Noch
       nie in ihrer nun 45-jährigen Geschichte war die Islamische Republik innen-
       und außenpolitisch derart in Bedrängnis. „Wann, wenn nicht jetzt“, sagte
       ein israelischer Politiker, sollte der Angriff gegen Iran stattfinden.
       
       ## Kriegsgefahr so groß wie nie zuvor
       
       Tatsächlich ist die Gefahr eines Krieges gegen Iran so groß wie noch nie
       zuvor. Medienberichten zufolge bereitet sich Israel schon darauf vor.
       Entscheidend ist nun, wie sich US-Präsident Donald Trump verhalten wird.
       Für die USA wäre ein militärischer Angriff gegen Iran mit großen Risiken
       verbunden. Iran ist zwar in einer schwachen Position, es gibt aber in der
       gesamten Region zahlreiche Ziele, darunter amerikanische Stützpunkte und
       Kriegsschiffe, die das Regime angreifen könnte. Auch hätte Iran die
       Möglichkeit, die Straße von Hormos, durch die rund 25 Prozent des weltweit
       gehandelten Öls transportiert wird, vorübergehend zu schließen.
       
       Ein Angriff gegen Iran könnte die ganze Region in Aufruhr bringen und einen
       Flächenbrand auslösen. Fraglich, ob die US-Regierung zu diesem riskanten
       Spiel bereit wäre. Trump ist zwar unberechenbar, aber er ist eher ein
       Geschäftsmann als ein General. Während seines Wahlkampfs sagte er einmal,
       er strebe keinen Regimewechsel in Iran an, er [4][wolle lediglich eine
       nukleare Bewaffnung Irans] verhindern. Das deutet auf diplomatische
       Verhandlungen hin. Somit wäre es möglich, dass Trump zunächst versuchen
       wird, durch weitere harte Sanktionen Iran so lange in Bedrängnis zu
       bringen, bis das Regime zu weitgehenden Zugeständnissen bereit sein würde.
       
       Die kürzlich geführten Gespräche zwischen Teheran und der EU haben zu
       keinem Ergebnis geführt. Während es bislang zwischen der Iran-Politik der
       EU und den USA Differenzen gab, scheinen sich die Europäer nun der
       US-Politik anschließen zu wollen. Die Machthaber in Iran stehen vor einer
       existenziellen Entscheidung. Sie können entweder ihren Widerstand
       fortsetzen und damit einen Krieg und das Ende ihrer Herrschaft riskieren.
       Oder sie müssen, wie Ajatollah Chomeini 1988 beim Waffenstillstand mit Irak
       sagte, den „Gifttrunk“ einnehmen und zu weitreichenden Zugeständnissen
       bereit sein.
       
       Über diese Entscheidung tobt gerade in Teheran ein harter Machtkampf. Schon
       die Äußerung von Präsident Massud Peseschkian, Iran sei zu direkten
       Verhandlungen mit Washington bereit, löste bei den Hardlinern Entsetzen
       aus, sie warfen ihm Verrat vor. Doch eine Entscheidung in den nächsten
       Wochen scheint unumgänglich: den ehrenvollen Märtyrertod riskieren oder den
       demütigenden Gang nach Washington hinnehmen.
       
       9 Feb 2025
       
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