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       # taz.de -- Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror: Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
       
       > Ampelfraktionen und Union im Bundestag einigen sich auf eine lange
       > geplanten Resolution gegen Judenhass. Der Entwurf enthält auch
       > umstrittene Forderungen.
       
   IMG Bild: Mahnwache vor der Synagoge am Fraenkelufer in Berlin-Kreuzberg
       
       Berlin taz | Nach langen Verhandlungen haben sich die Fraktionen von SPD,
       Grünen, FDP und Union am Freitagabend auf einen Entwurf für eine Resolution
       gegen Antisemitismus geeinigt. Das Papier mit dem Titel „Nie wieder ist
       jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken“ liegt
       der taz vor. Darin finden sich auch umstrittene Punkte, etwa ein Bekenntnis
       zur IHRA-Definition von Antisemitismus. Und auch die [1][schon vorab viel
       kritisierte] Forderung nach mehr Kontrolle bei der Auszahlung staatlicher
       Gelder findet sich in dem Text.
       
       Ausgehandelt haben das Papier die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden,
       Dirk Wiese (SPD), Konstantin von Notz (Grüne), Konstantin Kuhle (FDP) und
       Andrea Lindholz (CDU/CSU). Sie teilten am Samstagmorgen mit: „Mit dem
       Antrag setzen wir ein klares Zeichen, den Antisemitismus in unserem Land
       wirksam und nachhaltig zu bekämpfen.“ Deutschland trage „vor dem
       Hintergrund der Shoah eine besondere Verantwortung für den Schutz jüdischen
       Lebens.“
       
       Der Entwurf beginnt mit einer Bestandsaufnahme. Seit dem Überfall der Hamas
       auf Israel am 7. Oktober 2023 sei [2][Antisemitismus in Deutschland] „auf
       einem seit Jahrzehnten nicht dagewesenen Niveau.“ Das gelte sowohl für
       rechtsextremen und islamistischen Judenhass als auch für „israelbezogenen
       und links-antiimperialistischen Antisemitismus“.
       
       Das Papier bekräftigt einen Beschluss des Bundestags von 2019, der sich zur
       sogenannten IHRA-Definition von Antisemitismus bekennt. Diese wird von
       zahlreichen Regierungen weltweit verwendet, ist aber umstritten, weil sie
       Antisemitismus sehr weit fasst. Nach der Definition ist etwa auch die
       pro-palästinensische Boykottbewegung BDS als klar antisemitisch
       einzuordnen. Und der Entwurf geht noch weiter: „Auch ein Betätigungsverbot
       oder ein Organisationsverbot von BDS in Deutschland“ solle geprüft werden,
       heißt es darin.
       
       ## Gesinnungsprüfung und schärfere Gesetze
       
       Gefordert wird im Entwurf zudem, dass die IHRA-Definition maßgeblich dafür
       sein soll, an wen öffentliche Gelder fließen. Es dürften keine staatlichen
       Mittel an Organisationen gehen, die „Antisemitismus verbreiten, das
       Existenzrecht Israels in Frage stellen, die zum Boykott Israels aufrufen
       oder die die BDS-Bewegung aktiv unterstützen.“ Wie das überprüft werden
       soll, steht nicht im Entwurf. Manche fürchten, dass die Passage so
       ausgelegt werden kann, dass auch legitime Kritik an Israels Regierung
       finanziell ausgetrocknet wird. Insbesondere Wissenschaftler*innen und
       [3][Künstler*innen] drohe eine Art Gesinnungsprüfung, fürchten manche.
       Der Resolutionsentwurf enthält aber auch einen Absatz, der explizit die
       Meinungs-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit betont.
       
       Antisemitismus im Bildungssektor wird gleich mehrere Absätze gewidmet. Unis
       und Schulen sollen vor allem dabei unterstützt werden, Vorfälle zu
       bestrafen: „Dazu gehören die Anwendung des Hausrechts, der Ausschluss von
       Unterricht oder Studium bis hin zur Exmatrikulation in besonders schweren
       Fällen.“ Der Kampf gegen Antisemitismus solle zudem in die Curricula
       aufgenommen werden. Seit dem 7. Oktober 2023 war es immer wieder zu
       antisemitischen Vorfällen an Universitäten gekommen, Anfang 2024 sorgte der
       brutale Angriff auf einen israelischen Studenten in Berlin für bundesweite
       Bestürzung.
       
       Nicht zuletzt fordert der Entwurf die Bundesregierung auf, Gesetze so zu
       verschärfen, dass Antisemit*innen schärfere Konsequenzen drohen. Dies
       gelte „in besonderem Maße im Strafrecht sowie im Aufenthalts-, Asyl- und
       Staatsangehörigkeitsrecht“. Auch an anderen Stellen legt der Text einen
       starken Fokus auf Antisemitismus unter Ausländer*innen und
       Immigrant*innen, etwa wenn er ein „erschreckendes Ausmaß“ von Judenhass
       konstatiert, „der auf Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen
       und Mittleren Ostens basiert“.
       
       Und auch außenpolitische Forderungen finden sich in dem Papier. Die
       Bundesregierung müsse sich weiterhin für die „Existenz und die legitimen
       Sicherheitsinteressen des Staates Israel als ein zentrales Prinzip der
       deutschen Außen und Sicherheitspolitik“ einsetzen. Israel habe das Recht,
       sich gegen Angriffe zur Wehr zu setzen und seine Bürger*innen zu
       schützen. Bemühungen, eine Zwei-Staaten-Lösung in Nahost voranzutreiben,
       gelte es zu verstärken, gleichzeitig brauche es mehr Härte gegenüber dem
       Iran. Die Bundesregierung müsse sich weiter dafür einsetzen, dass die
       iranischen Revolutionsgarden auf EU-Ebene als Terrorgruppe eingestuft
       werden.
       
       Der Einigung vom Freitagabend waren monatelange Verhandlungen
       vorausgegangen. Ursprünglich wollten Ampelfraktionen und Union die
       Resolution schon 2023 im Bundestag beschließen, doch daraus wurde nichts.
       Auch das zwischenzeitlich ausgegebene Ziel, wenigstens zum ersten Jahrestag
       des Hamas-Massakers am 7. Oktober einen Durchbruch verkünden zu können,
       verfehlten die Verhandler*innen. Nun können die Fraktionen immerhin vor dem
       Jahrestag der Reichspogromnacht am 9. November ihre Einigung verkünden. Der
       Antrag soll laut den Fraktionsvizes der beteiligten Parteien in der
       kommenden Woche in den Bundestag eingebracht und verabschiedet werden.
       
       2 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Debatte-um-Antisemitismusresolution/!6029657
   DIR [2] /Mehr-Antisemitismus-seit-dem-7-Oktober/!6034882
   DIR [3] /Antisemitismus-im-Kulturbetrieb/!6043793
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frederik Eikmanns
   DIR Daniel Bax
       
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