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       # taz.de -- In Rojava getöteter Kieler: Eltern allein gegen die Türkei
       
       > Der Kieler Konstantin Gedig starb vor fünf Jahren durch türkische Bomben.
       > Seine Eltern kämpfen noch immer um seinen Leichnam.
       
   IMG Bild: Konstantin Gedig alias Andok Cotkar im Einsatz, wenige Momente vor seinem Tod
       
       Hamburg taz | Oktober ist für Ute Ruß und Thomas Gedig der dunkelste Monat
       des Jahres. Am Mittwoch jährte sich zum fünften Mal der Todestag ihres
       Sohnes Konstantin. Der damals 24-Jährige Kieler hatte 2016 seine Heimat
       verlassen, um sich in Rojava dem Kampf gegen den „Islamischen Staat“ auf
       Seiten der kurdischen YPG-Milizen anzuschließen. Drei Jahre später, am 16.
       Oktober 2019, töteten ihn türkische Bomben.
       
       Seitdem kämpfen Ruß und Gedig um den Leichnam ihres Sohnes. Sie sind
       sicher, dass die Türkei die sterblichen Überreste geborgen hat – so geht es
       aus Berichten der YPG und türkischer Medien hervor. Von den deutschen
       Behörden fühlen sie sich allein gelassen. „Die Bundesregierung predigt den
       Einsatz für Demokratie und Menschenrechten, doch sobald man sich gegen den
       Nato-Partner Türkei wendet, werden diese Prinzipien wertlos“, kritisiert
       Thomas Gedig gegenüber der taz.
       
       Das Ehepaar sah sich gezwungen, Strafanzeige bei der
       Generalbundesanwaltschaft zu stellen. „Eigentlich hätte die Behörde von
       sich aus ermitteln müssen“, sagt Gedig. Da dies nicht passiert sei,
       forderte der Anwalt des Paares, Alexander Hoffmann, die oberste deutsche
       Strafverfolgungsbehörde im März auf, eine Anzeige gegen Verantwortliche des
       türkischen Staates und Militärs zu prüfen. Doch der Generalbundesanwalt
       lehnte ab: nicht zuständig.
       
       Hoffmann weist in seinem Antrag darauf hin, dass der Angriff der [1][Türkei
       völkerrechtswidrig war] – das hatte auch der Wissenschaftliche Dienst des
       Bundestages festgestellt. Ziel sei die Zerschlagung kurdischer
       Verwaltungsstrukturen sowie ein Bevölkerungsaustausch gewesen –
       Kurd*innen sollten durch arabisch-syrische Flüchtlinge ersetzt werden.
       
       ## Eine Woche später war er tot
       
       Der Plan ging auf. Der Menschenrechtsanwalt Patrick Kroker sprach im Januar
       gegenüber der taz von einem [2][„De-facto-Protektorat“ in Nordsyrien], in
       dem die Türkei die Kontrolle habe und daran arbeite, den Anteil der
       kurdischen Bevölkerung zu dezimieren.
       
       Im Zuge dieses Angriffs starb auch Konstantin Gedig, der unter dem
       kurdischen Namen Andok Cotkar gekämpft hatte. Nachdem er zunächst als
       Sanitäter an der Front Verwundete versorgt hatte, half er später
       Êzîd*innen bei der Rückkehr in die Region Shingal im Nordirak, von wo der
       IS sie vertrieben hatte. Als die Türkei die Kurd*innen im syrischen
       Serêkanyiê bombardierte, meldete er sich freiwillig, um dort zu kämpfen.
       Eine Woche später war er tot.
       
       Der Bundesanwalt sieht jedoch nicht genug Anhaltspunkte für Ermittlungen.
       Damit ist den Eltern der weitere Gang durch die deutschen Instanzen
       verwehrt. Sie wollen vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
       ziehen, doch dafür muss erst der deutsche Rechtsweg ausgeschöpft werden –
       was er mit der Ablehnung der Bundesanwaltschaft nicht ist.
       
       Für Ruß und Gedig ist die Ablehnung politisch motiviert. „Die Behörden
       glauben lieber den Lügen der türkischen Stellen, als uns darin zu
       unterstützen, einen getöteten deutschen Staatsbürger zu bergen und zu
       beerdigen“, kritisiert Ruß. Dabei seien die Informationen, die sie
       gesammelt hätten, Anlass genug für Ermittlungen.
       
       ## Eltern suchen Leichnam
       
       Die Bundesanwaltschaft äußert sich auf taz-Anfrage nicht zu dem Fall. Gedig
       und Ruß gehen davon aus, dass Konstantins Einsatz als freiwilliger Kämpfer
       ein Grund für die Ablehnung der Ermittlungen ist. Das Völkerrecht
       unterscheidet bei Kriegsverbrechen den Einsatz gegen Zivilist*innen von
       dem gegen Soldat*innen.
       
       Letztere unterliegen bei Tötung nicht dem Schutz des Völkerrechts – es sei
       denn, sie haben sich ergeben oder sind schwer verwundet. Letzteres habe
       nach Recherchen von Ruß und Gedig auf Konstantin zugetroffen.
       
       Im März 2023 waren sie [3][nach Rojava gereist], um Informationen über den
       Tod ihres Sohnes zu sammeln. Demnach war Konstantin auf dem Weg hinter die
       feindlichen Linien von einem Bombensplitter verletzt worden. Er habe sich
       verarztet und weitergehen wollen, aber seine Kamerad*innen hätten ihn
       zu einem Sammelpunkt für Verletzte gebracht. Der Sammelpunkt sei
       bombardiert worden, Konstantin und andere starben.
       
       Für Ruß und Gedig geht der Kampf auch [4][fünf Jahre nach dem Tod ihres
       Sohnes] weiter. „Wir werden einen türkischen Anwalt beauftragen, zum
       Verbleib von Konstantins Leichnam zu recherchieren“, kündigt der Vater an.
       Zu gegebenem Zeitpunkt wollen sie vor einem türkischen Gericht Anklage
       wegen der Tötung ihres Sohnes und für die Herausgabe seines Leichnams
       erheben.
       
       16 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nato-und-die-Tuerkei/!5879398
   DIR [2] /Menschenrechtler-ueber-Nordsyrien/!5985550
   DIR [3] https://www.rosalux.de/publikation/id/4142/revolution-in-rojava
   DIR [4] /Kaempfen-fuer-Kurdistan/!5847101
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Schipkowski
       
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