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       # taz.de -- Explosionswelle im Libanon: Israel kündigt neue Kriegsphase an
       
       > Die Zahl der Toten und Verletzten steigt. Die UN-Vollversammlung fordert
       > den Rückzug Israels aus den besetzten Palästinensergebieten innerhalb
       > eines Jahres.
       
   IMG Bild: Trauerzug für zwei Opfer der Explosionen vom Dienstag in einem südlichen Vorort von Beirut
       
       Tel Aviv/Beirut afp |/dpa | Nach einer weiteren Welle tödlicher Explosionen
       im Libanon am Mittwoch wächst die Furcht vor einer weiteren Eskalation des
       Konflikts. Das Gesundheitsministerium in Beirut erklärte, dass die Zahl der
       durch „feindliche Explosionen“ getöteten Menschen auf 20 gestiegen sei.
       Zudem seien 450 weitere Menschen verletzt worden.
       
       Wie am Vortag soll es wieder viele Mitglieder der Hisbollah getroffen
       haben, hieß es aus libanesischen Sicherheitskreisen. Bereits am Dienstag
       waren an mehreren Orten im Libanon gleichzeitig Hunderte sogenannte Pager
       explodiert. Dabei wurden rund 2.800 Menschen verletzt, mindestens zwölf
       starben.
       
       Israels Militär hat nach eigenen Angaben in der Nacht mehrere
       Hisbollah-Stellungen im Süden des Libanon mit Kampfjets und Artillerie
       angegriffen. Es wurden Treffer in mehreren Ortschaften in dem Gebiet,
       darunter ein Waffenlager der radikalislamischen Miliz, gemeldet. In Israel
       wiederum wurden unbestätigten Medienberichten zufolge mehrere Zivilisten
       durch Beschuss aus dem Libanon mit Panzerabwehr-Raketen verletzt.
       
       Israels Verteidigungsminister Joav Galant kündigte unterdessen eine „neue
       Phase“ des Kriegs an. „Der Schwerpunkt verlagert sich nach Norden“, sagte
       Galant nach Angaben seines Büros. Dort liefert sich Israels Armee seit
       Beginn des Gaza-Krieges vor fast einem Jahr Gefechte mit der Hisbollah.
       
       „Wir stehen am Anfang einer neuen Phase des Kriegs – sie erfordert Mut,
       Entschlossenheit und Durchhaltevermögen unsererseits“, sagte der
       israelische Verteidigungsminister Galant. Bei einem Besuch eines
       Luftwaffenstützpunkts erinnerte er an das kürzlich festgelegte Kriegsziel
       der Regierung: die Rückkehr Zehntausender geflüchteter israelischer Bürger
       in das nördliche Grenzgebiet.
       
       ## Herber Schlag
       
       Auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bekräftigte dieses
       Versprechen in einer Videoansprache. „Wir stellen Kräfte, Ressourcen und
       Energie für den nördlichen Bereich bereit“, sagte Galant nach Angaben
       seines Büros weiter.
       
       Israels Generalstabschef Herzi Halevi zufolge ist die Armee bereit, alles
       Nötige zu tun, um die Bedingungen für eine Rückkehr der israelischen
       Bewohner in ihre Häuser im Norden zu schaffen: „Wir haben noch viele
       Fähigkeiten, die wir bislang noch nicht eingesetzt haben.“
       
       Experten schätzen die Angriffe auf die Kommunikationsgeräte vieler
       Hisbollah-Mitglieder als herben Schlag für die Schiiten-Miliz ein, der auch
       ihren Kampfgeist schwächen dürfte. Einige ihrer wichtigsten
       Kommunikationsmittel sind jetzt gestört oder nicht mehr brauchbar.
       
       Mit einer deutlichen Mehrheit von 124 Stimmen forderte die
       UN-Vollversammlung den Rückzug Israels aus besetzten Palästinensergebieten
       innerhalb eines Jahres. 43 Staaten – darunter Deutschland – enthielten sich
       bei der Abstimmung über eine entsprechende Resolution im größten UN-Gremium
       mit 193 Mitgliedsstaaten.
       
       ## Einige Enthaltungen
       
       Israel selbst sowie die Vereinigten Staaten stimmten zusammen mit zwölf
       weiteren Ländern gegen die Beschlussvorlage, deren Annahme keine
       völkerrechtlich bindenden Folgen hat. Einige Staaten stimmten nicht ab.
       
       Die Resolution soll ein Rechtsgutachten des obersten UN-Gerichts zum
       Nahost-Konflikt durchsetzen. Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den
       Haag hatte im Juli in dem Rechtsgutachten festgestellt, dass die Besetzung
       der palästinensischen Gebiete illegal sei und so schnell wie möglich
       beendet werden müsse. Israel ignorierte dies – dasselbe Verhalten wird auch
       vor dem Hintergrund der nun angenommenen Resolution erwartet.
       
       Angesichts der brandgefährlichen Lage plant der UN-Sicherheitsrat eine
       Dringlichkeitssitzung. Das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen soll
       sich nach Angaben aus Diplomatenkreisen am Freitag um 21.00 Uhr MESZ
       treffen. UN-Generalsekretär António Guterres sieht die „ernsthafte Gefahr
       einer dramatischen Eskalation“ in Nahost. „Die Logik hinter der Explosion
       all dieser Geräte besteht natürlich darin, dies als Präventivschlag vor
       einer größeren Militäroperation zu tun“, sagte Guterres bei einer
       Pressekonferenz in New York.
       
       [1][Die Hisbollah machte Israel für die Explosionen verantwortlich] und
       drohte mit Vergeltung. Die israelische Seite äußerte sich selbst nicht zu
       den beiden Explosionswellen. Technisch derart anspruchsvolle Angriffe
       entsprechen aber [2][der Handschrift von Israels Geheimdiensten], die
       mehrfach ähnlich komplexe Attacken durchgeführt haben, um ranghohe Feinde
       zu töten. Ehemalige israelische Militärs sagten dem Wall Street Journal,
       das Vorgehen ziele wahrscheinlich darauf ab, die Hisbollah zu zwingen, ihre
       grenzüberschreitenden Angriffe einzustellen.
       
       „Der Zweck einer solchen Operation war nicht, eine Eskalation
       herbeizuführen, sondern eine Einigung zu erzielen, die es den Menschen
       ermöglicht, in ihre Häuser zurückzukehren“, sagte Yossi Kuperwasser,
       ehemaliger Leiter der Forschungsabteilung des israelischen
       Militärgeheimdienstes, der US-Zeitung.
       
       Wegen der fast täglichen militärischen Konfrontationen zwischen der
       Hisbollah und dem israelischen Militär mussten Zehntausende Bewohner auf
       beiden Seiten der Landesgrenze ihre Wohnorte verlassen.
       
       ## Geänderte Spielregeln
       
       Der Angriff im Libanon signalisiere der Hisbollah, dass Israel sich nicht
       auf den seit Beginn des Gaza-Krieges andauernden Schlagabtausch entlang der
       nördlichen Landesgrenze beschränken werde, zitierte das Wall Street Journal
       Amos Yadlin, ehemals Leiter des israelischen Militärgeheimdienstes. Die mit
       dem Iran verbündete Schiiten-Miliz müsse verstehen, dass „Israel die
       Spielregeln ändern kann“, sagte er.
       
       Israel will durch militärischen und diplomatischen Druck erreichen, dass
       sich die Hisbollah wieder hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten
       Litani-Fluss zurückzieht – so wie es eine UN-Resolution vorsieht. Die mit
       der Hamas verbündete libanesische Miliz will die Angriffe gegen Israel erst
       bei Erreichen einer Waffenruhe in Gaza einstellen.
       
       Das Wall Street Journal zitierte mit der Angelegenheit vertraute Personen,
       nach deren Aussagen die Führung der Miliz nicht dazu neige, einen
       umfassenden Krieg mit Israel auszulösen. Die Hisbollah-Spitze glaube nicht,
       dass eine israelische Bodeninvasion unmittelbar bevorstehe – erwarte aber,
       dass es zu weiteren Angriffen mit großer Wirkung kommen werde.
       
       Auch im Gazastreifen wurden die Kämpfe am Mittwoch fortgesetzt. Der von der
       Hamas kontrollierten Zivilschutzbehörde in dem Palästinensergebiet zufolge
       wurden bei einem israelischen Luftangriff auf eine zu einer zu einer
       Flüchtlingsunterkunft umfunktionierten Schule in der Stadt Gaza mindestens
       fünf Menschen getötet. Die israelische Armee bestätigte den Angriff. Die
       Hamas habe die Schule zur „Planung und Ausführung terroristischer
       Aktivitäten genutzt“.
       
       US-Außenminister Antony Blinken rief die Hamas und Israel von Kairo aus
       erneut dazu auf, „politischen Willen“ zur Erreichung einer Waffenruhe im
       Gazastreifen zu zeigen. Die USA, Ägypten und Katar versuchen seit Monaten
       erfolglos eine Waffenruhe zu vermitteln.
       
       19 Sep 2024
       
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