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       # taz.de -- Erneuerbare Energien: Strompreise häufig unter null
       
       > Immer öfter wird Strom produziert, der nicht gebraucht wird. Die
       > Stromwirtschaft sorgt sich um die lokale Netzstabilität. Was fehlt, sind
       > Speicher.
       
   IMG Bild: Photovoltaik geht durch die Decke in Deutschland
       
       Berlin taz | Der massive Zubau an Photovoltaik stellt die Stromwirtschaft
       vor riesige Herausforderungen. Zum einen warnen Netzbetreiber inzwischen
       davor, dass das Netz lokal zusammenbrechen kann, wenn zu viel Solarstrom
       gleichzeitig eingespeist wird. Zum anderen belegt auch der Stromhandel,
       dass der Markt durch die unkontrollierte Erzeugung von Wind und Solar
       zunehmend aus dem Ruder läuft.
       
       Die Anzahl von Stunden mit negativen Strompreisen macht das deutlich: Am
       Montag wurde bereits der historische Spitzenwert aus dem Jahr 2023
       überschritten, der bei 301 Stunden mit negativen Strompreisen gelegen
       hatte. Im laufenden Jahr sind es nun schon 305 Stunden.
       
       Über Befürchtungen der Stromwirtschaft, dass die Verteilnetze bei zu viel
       Sonne in manchen Regionen unbeherrschbar werden, [1][berichtete] am
       Dienstag das Handelsblatt. Einen Hintergrund hatte am Tag zuvor das
       Statistische Bundesamt geliefert: In Deutschland seien bis April mehr als
       3,4 Millionen Photovoltaikanlagen installiert worden – ein Zuwachs in zwölf
       Monaten um fast 30 Prozent. Auf rund 90 Gigawatt beläuft sich inzwischen
       die theoretische Gesamtleistung aller Photovoltaikanlagen.
       
       Das Handelsblatt zitiert nun den Chef des Nürnberger Regionalversorgers
       N-Ergie mit den Worten: „Wenn der Zubau einfach ungebremst weitergeht,
       steigt die Gefahr, dass es zu instabilen Netzsituationen kommt.“ Laut dem
       Verband Kommunaler Unternehmen besteht die Gefahr, dass Ortsnetztrafos
       abschalten, wenn die Einspeisung zur Überlastung eines Netzstrangs führt.
       Einzelne Straßenzüge wären dann ohne Strom.
       
       Vor allen Dingen in den ländlichen Regionen Süddeutschlands ist die
       Überlastung der Netze ein großes Thema, weil dort die Bürger seit zwei
       Jahrzehnten besonders solarbegeistert sind. Da die klassischen Dachanlagen
       in der Regel aber nicht flexibel steuerbar sind, drücken sie an sonnigen
       Sommertagen inzwischen Leistungen ins Netz, für die die Infrastruktur nicht
       ausgelegt ist.
       
       Aber nicht nur schwache Netze sind ein Problem. Manchmal ist auch schlicht
       mehr Strom da, als bundesweit überhaupt gebraucht wird. Durch negative
       Preise im Großhandel werden solche Zeiten offenkundig. Denn negative Preise
       bedeuten, dass niemand den Strom im betreffenden Moment haben will –
       [2][nicht einmal mehr geschenkt]. Nur durch eine Mitgift von mitunter
       einigen Cent pro Kilowattstunde kann man den Strom dann noch loswerden.
       
       Im Sommer ist es die Photovoltaik, die immer öfter die Preise auf null oder
       gar ins Minus fallen lässt – an sonnigen Sommertagen oft gleich für viele
       Stunden. Am vergangenen Sonntag zum Beispiel war der Strom von 10 bis 18
       Uhr nichts mehr wert. In dieser Zeit deckten die erneuerbaren Energien in
       Deutschland bis zu 117 Prozent des Strombedarfs.
       
       Alleine die Photovoltaik erzeugte in diesem Zeitraum in der Spitze fast 40
       Gigawatt bei einer Nachfrage von 45 Gigawatt. Aufgrund des Zubaus an
       Photovoltaik – allein seit Jahresbeginn wurden in Deutschland mehr als
       sieben weitere Gigawatt installiert – dürften die Stunden mit negativen
       Preisen weiterhin stark zunehmen.
       
       ## Speicher fehlen
       
       Diese Entwicklung ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass es im Stromnetz
       ganz erheblich an Speichern fehlt. Das hat – neben den Gefahren für die
       lokale Netzstabilität – vor allem zwei Konsequenzen.
       
       Zum einen werden die vielen negativen Preise teuer für die Steuerzahler,
       denn der Bundeshaushalt muss einerseits für die garantierte
       Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aufkommen und
       zugleich bei negativen Preisen auch noch für die „Entsorgung“ des erzeugten
       Stroms. Alleine im ersten Halbjahr mussten für den Ausgleich des EEG-Kontos
       [3][rund 10 Milliarden Euro bereitgestellt werden].
       
       Zugleich werden die negativen Preise zunehmend zu einem wirtschaftlichen
       Risiko für neue Wind- und Solarprojekte. Aktuell bekommen Bestandsanlagen –
       ausgenommen sind Anlagen bis 400 Kilowatt – keine Vergütung mehr, sobald
       der Strompreis mindestens drei Stunden negativ ist.
       
       Vom Jahreswechsel an will die Bundesregierung die Förderung für Neuanlagen
       bei negativen Preisen grundsätzlich aussetzen. Eine Ausnahme sollen
       weiterhin Kleinanlagen bis 25 Kilowatt bleiben, denn diese sind mit
       vertretbarem Aufwand nicht steuerbar.
       
       Welche Auswirkungen die explodierende Zahl an Stunden mit negativen Preisen
       und der dann greifende Förderstopp auf die Rentabilität und damit auf den
       Bau neuer Anlagen haben wird, ist schwer abzuschätzen.
       
       Die Unternehmen der Branche zeigen sich in diesem Punkt auf Anfrage
       wortkarg. Das hat zum einen damit zu tun, dass sie sich bei ihren
       Kalkulationen nicht in die Karten schauen lassen wollen – zum anderen aber
       wohl auch damit, dass sie sich gerade selbst schwertun, die Entwicklungen
       am Strommarkt vorauszusehen.
       
       31 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/energie-angst-vor-solar-infarkt-stromnetz-betreiber-fuerchten-blackouts/100051643.html
   DIR [2] /Erneuerbare-Energien-brechen-Rekord/!5979332
   DIR [3] /Haushaltsloch-durch-Oekostrom-Zuschuss/!6012292
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernward Janzing
       
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