# taz.de -- Artwashing bei der Kunstbiennale Venedig: Kritisch im Auftrag der Autokratie
> Usbekistan und Saudi-Arabien sind repressive Autokratien. Auf der
> Kunstbiennale in Venedig machen sie mit scheinbar betörenden Kunstwerken
> Politik.
IMG Bild: Eine Installation der Künstlerin Manal AlDowayan im saudischen Pavillon auf der Biennale in Venedig 2024
Es gibt einige Überraschungen auf der [1][diesjährigen Kunstbiennale in
Venedig]. Zum Beispiel der Pavillon von Usbekistan. In den letzten Jahren
streifte man einfach nur durch ihn hindurch, zu deutlich wirkten die darin
befindlichen Großinstallationen wie Auftragskunst eines autokratischen
Staats, dem immer wieder Demokratiedefizite nachgesagt werden.
Dieses Jahr aber blieb man stehen in dem immersiven Arrangement von Aziza
Kadyri, einer in London lebenden Künstlerin der „usbekischen Diaspora“, wie
es in der Pressemitteilung des Pavillons heißt. Mit Vorhängen in einem Blau
wie die Keramikfassaden der Moscheen von Samarkand versetzt Kadyri einen
darin auf eine Hinterbühne, lässt einen vorbeiwandeln an
Garderobenständern, behangen mit Kleidungsstücken, auf denen scheinbar
traditionelle Muster gestickt sind.
Vögel und Blumen sind das, aber auch eine Colaflasche mengt sich bei. In
Flatscreens flimmern die Stickmotive erneut auf, so unscharf, als könne
sich Kadyri nicht mehr an ihre Formen erinnern. Und man landet am Ende des
Parcours schließlich selbst als ungewollte Darstellerin auf einer leeren
Theaterbühne. Ist unser Leben nicht nur ein Schauspiel, fragt Kadyri.
## Zweifel kommt gut an
Eines, in dem wir uns mit Versatzstücken der Erinnerung immer wieder neue,
einsame Rollen zuschreiben? Kadyris nachdenkliche Identitätssuche
funktioniert in Venedig. Die Künstlerin nimmt eine zweifelnde Haltung ein,
das kommt in der Kunstwelt gut an. In Auftrag gegeben wurde der Pavillon
von der [2][staatlichen „Uzbekistan Art and Culture Development
Foundation“.]
Die möchte nach eigenem Bekunden das [3][quasi neofeudal regierte
Usbekistan unter dem kürzlich wiedergewählten Präsidenten Shavkat
Mirziyoyew] „in der globalen Kulturszene verankern“. Und offenbar hat die
Stiftung verstanden, dass es dafür eine künstlerische Sprache der Kritik
bedarf.
Doch die „Uzbekistan Art and Culture Development Foundation“ verfolgt in
Venedig ihre eigene Politik, nämlich die eines Landes, das wirtschaftlich
und diplomatisch in viele Richtungen schauen muss, auch zum Putin-Regime.
In einer anderen von ihr ausgerichteten Schau mit dem Titel „Uzbekistan:
Avantgarde in the Desert“ in den Räumen der venezianischen Universität Ca’
Foscari will sie eine in Europa recht unbekannte Kunst der Avantgarde aus
dem zentralasiatischen Land zeigen.
## An der Hintertür wartet schon Russland
Aber die Ausstellung rückt mit ihren einst aus Sowjetmoskau nach Taschkent
geschickten Wassily Kandinskys und Ljubow Popowas auch das international
geächtete Russland in ein positives Licht, wie der Kunsthistoriker
Konstantin Akinscha kürzlich in der FAZ bemerkte.
Kritik als künstlerische Haltung verschafft Credibility. Das lässt sich
auch im Pavillon der Saudis beobachten. Das autoritäre Regime
Saudi-Arabiens – 2023 wurden dort 170 Menschen hingerichtet – etabliert
sich derzeit als Globalplayer der Kunst. Die ambitionierten Museums- und
Ausstellungsprojekte, [4][die Kronprinz bin Salman mit seiner „Vision 2030“
verfolgt,] locken zunehmend Größen des Kulturbetriebs in den Wüstenstaat.
In Venedig hat nun die Künstlerin Manal AlDowayan im Auftrag des saudischen
Kulturministeriums blütenblattähnliche Seidenbahnen aufgehängt. Der Stoff
ist mit Texten bedruckt, es sind Meinungen, Stimmen, Maßregelungen
gegenüber saudischen Frauen. AlDowayans so sanft scheinendes,
wüstensandfarbenes Seidenlabyrinth ist eigentlich eine Kakofonie der
Restriktionen. Saudische Frauen müssen sich gegen sie offenbar tagtäglich
behaupten.
Wie ist das jetzt zu deuten? Lassen die Saudis in Venedig das zaghafte
Mundaufmachen einer Gesellschaft zu, die vielleicht gerade einen
freiheitlichen Wandel erfährt? Oder ist das nur Imagepolitik? [5][Kritiker
des britisch-amerikanischen Kunstmagazins Frieze ] jedenfalls kürten den
saudischen Pavillon als einen der besten auf der diesjährigen
Venedig-Biennale.
8 May 2024
## LINKS
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DIR [5] https://www.frieze.com/magazines/frieze-magazine
## AUTOREN
DIR Sophie Jung
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