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       # taz.de -- Queere Sonnenfinsternis: Sonne, Mond und Gender
       
       > Bei der Sonnenfinsternis 1999 waren Bücher, die Frauen und Männer als
       > kosmische Körper erklären, angesagt. Das ist bei dieser zum Glück anders.
       
   IMG Bild: Eine totale Sonnenfinsternis, beobachtet am 8.4.2024 in Dallas, USA
       
       Irgendwie waren die letzten Tage alle auf Kratz gebürstet. Beim Papierkram,
       der anstand, überall nur „nein, das geht nicht“. Schön stolz von oben
       herab. In dieser Sprechhaltung mit ihrem protofaschistischen Verschanzen
       hinter Regeln also, die der deutschen Bürokratie so eigen ist und mir immer
       eine Gänsehaut verpasst.
       
       So wie ich jeden Monat von Neuem den [1][Vollmond] vergesse und mich
       wundere, warum ich tagsüber aufgeregt bin und nachts nicht schlafen kann,
       fiel mir viel zu spät ein, dass am 8. April über Mexiko, Kanada und den USA
       eine Sonnenfinsternis im Gange war.
       
       Der Mond schob sich also vor die Sonne und die Menschen sich Schutzbrillen
       vors Gesicht, damit sie dabei mit eigenen Augen zusehen konnten.
       
       Nasa-Bilder des Tages dokumentieren, wie die Sonne als orange gleißender
       Viertelmond erscheint. Der Mond wiederum wirft lange Schatten über die
       Erde. Manchmal ist in diesem Moment auch ein besonderer Wind spürbar.
       Gänsehaut kann auch schön sein.
       
       ## Ereignis mit kosmischem Ausmaß
       
       Ein heller Ring umgibt den komplett dunklen Mond, dazu Lichttöne in tiefem
       Lila; und schließlich – bei totalen Eklipsen ganz besonders – ist eine
       „Sonnenkorona“ zu sehen, bei der das heiße Plasma der Sonne wie eine
       wunderschöne Zerstäubung hinter dem Mond schwebt.
       
       Warum das mit der Sonnenfinsternis „Sonnenfinsternis“ heißt und nicht „Der
       große Auftritt des Mondes mit Heiligenschein“ weiß ich nicht. Ein Ereignis
       von solch kosmischem Ausmaß bringt aber mit Sicherheit weltweit die Dinge
       zum Vibrieren und muss sich, was die Stimmung in der Luft angeht, wohl
       schon ein paar Tage angebahnt haben. Da kann Berlin auch schon mal
       kollektiv kratzig werden bei so viel Schönheit. Also nicht kratzbürstig
       charmant wie sonst, sondern latent gereizt.
       
       Ich kann mich noch erinnern, wie wir am 11. August 1999 in der Stadt der
       Frohnaturen aka Köln von der Schule abgeholt und mit dem Bus zu einem Feld
       geschippert wurden, um das astronomische Event, das damals in diesem
       Erdteil eintrat, mitzuerleben.
       
       ## Männer und Frauen als Himmelskörper
       
       So saßen wir dann mit den weißen Brillen aus Pappe und ihren dünnen
       schwarzen Kunststoffgläsern auf dem Acker, vielleicht waren dort auch ein
       paar Heuballen, hakten uns unter und fieberten der Sonne entgegen.
       
       Das war auch die Zeit, in der in unserer Clique Selbsthilfebücher [2][für
       heterosexuelle Beziehungskonstellationen] kursierten, die Frauen und Männer
       mit noch ganz anderen Himmelskörpern verglichen, den Planeten Venus und
       Mars nämlich.
       
       Deren metaphorische Abkömmlinge tickten eben fundamental konträr, so hieß
       es in solchen Büchern, weswegen Männer lernen müssten, Frauen öfter Blumen
       zu schenken, und Frauen Männer eben öfter mal loben sollten.
       
       ## Queerness in deutscher Sprache
       
       Über toxische Beziehungsdynamiken, [3][Rape Culture] oder die ungleich
       verteilte Erziehung zum People-Pleasing war dort nichts zu lesen.
       Geschweige denn, in der Schule zu lernen.
       
       Das mit dem Mond und seinem Nimbus fanden wir zum Glück eine Zeit lang viel
       interessanter als diese Planeten-Konditionierung.
       
       Heute muss ich lachen, wenn ich daran denke, dass das Deutsch sich
       erdreistet, von „die Sonne“ und „der Mond“ zu sprechen, sie also im
       Vergleich zu anderen Sprachen einfach umgekehrt gendert.
       
       Da heißt es dann plötzlich nicht mehr, „nein, das geht nicht“. Die berühmte
       Sprache mit ihren drei Artikeln hat vielleicht doch mehr Queerness zu
       bieten, als wir ihr zutrauen.
       
       11 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Mond/!t5016683
   DIR [2] /Sex-mit-Folgen/!5840182
   DIR [3] /Rape-Culture/!t5013883
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Noemi Molitor
       
       ## TAGS
       
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