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       # taz.de -- Die Lausitz im Strukturwandel: Unter dem See liegt der Tagebau
       
       > Bis spätestens 2038 soll Schluss sein mit dem Kohleabbau in der Lausitz.
       > Die Region, die alles auf das schwarze Gestein ausgerichtet hat, versucht
       > den Strukturwandel.
       
   IMG Bild: Am Ufer des Ostsees
       
       Hannelore Wodtke steht auf einer Aussichtsplattform im Nordosten von
       Cottbus. Um ihr rotes Haar schwirren Wildbienen, sie zuckt nicht einmal,
       wenn sie ihr ins Gesicht fliegen. In ihrer silbern verspiegelten
       Sonnenbrille reflektiert sich eine seltsam-einsame Landschaft. Wodtke zeigt
       grob Richtung Osten: „Da lag Groß-Lieskow“. Jetzt ist da: Nichts. Nur ein
       riesiges Loch.
       
       Schräg gegenüber auf der anderen Seite steht der Grund dafür: das Kraftwerk
       Jänschwalde des Energiekonzerns LEAG. 220 Millionen Tonnen Braunkohle
       wurden für das Kraftwerk aus der Grube geholt, bis „Cottbus-Nord“ 2015
       schließlich ausgekohlt war. Löcher wie dieses findet man viele hier in der
       Lausitz. Groß wie Städte öffnen sie sich hinter Wäldern und Feldern,
       manchmal auch direkt hinter der letzten Sackgasse im Dorf.
       
       Nun fließt Wasser in die Grube bei Cottbus. Aus einem Kanal, der drei
       Kilometer stadteinwärts aus der Spree gespeist wird. Mit einer Fläche von
       1900 Hektar, der Größe der Nordseeinsel Spiekeroog, wird hier Deutschlands
       größter künstlicher See entstehen, [1][der Cottbusser Ostsee], eingebettet
       in die größte künstliche Seenplatte Europas. Unter den Seen soll die
       fossile Ära beerdigt werden, mit ihnen sollen die Wunden der Region heilen.
       Sie stehen aber auch für einen komplexen Prozess: den sogenannten
       Strukturwandel. Wenn mit dem Baggern aufgehört wird, fallen auch die Jobs
       in der Grube weg. Auch für andere Industriezweige, die die Kohle als
       Energielieferant brauchen oder die anfallenden Rohstoffe nutzen, etwa den
       Kohlestaub für Koks oder die Quarzsande für die Glasherstellung, wird es
       schwer, wenn die Kohle wegbricht.
       
       Die fossile Ära wird und muss aber enden, und damit der Braunkohleabbau.
       2038 will Deutschland aus der Kohle aussteigen. In ihrem Koalitionsvertrag
       haben sich SPD, Grüne und FDP darauf geeinigt, den Ausstieg „idealerweise“
       auf 2030 vorzuziehen. In der Lausitz begegnet man dem mit großer Skepsis,
       die Diskussion über ein mögliches früheres Ausstiegsdatum verunsichert die
       Menschen. Erinnerungen werden wach an die Nachwendejahre, als schon einmal
       ein Strukturwandel bewältigt werden musste, und für die Region ging damals
       einiges ziemlich schief.
       
       ## Verlust
       
       Hannelore Wodtke hat vieles davon miterlebt. Sie wuchs in Cottbus auf, das
       in der DDR zum Zentrum der Energiewirtschaft avancierte. Die Ferien
       verbrachte sie oft auf dem Hof ihres Onkels und ihrer Tante in
       Groß-Lieskow, „man fuhr ja nicht weg in der DDR, sondern man hat Verwandte
       besucht.“ Sie erinnert sich noch an die Apfel- und Kirschbäume, die
       Schweine, Kühe und Gänse, die über den Hof gackerten und an den kleinen
       Teich zum Baden. „Die Sommer waren richtig schön dort.“
       
       Wodtkes Erinnerungen sind besonders wertvoll, denn der Ort, an dem sie
       entstanden, ist nicht mehr. Der Hof musste dem Tagebau Cottbus-Nord
       weichen, damit der weiter die DDR-Wirtschaft anfeuern konnte. Ihr Onkel
       bekam eine Entschädigung, „aber die reichte gerade so für 'ne
       Doppelgarage“, erzählt Wodtke. „Der ist daran zerbrochen.“ Es ist die
       Schattenseite der einst glorreichen Vergangenheit dieser Region. Für den
       Erfolg der Gemeinschaft musste der Einzelne im Zweifel weichen.
       
       ## Wut
       
       Wodtke zog 2006 nach Welzow, etwa 30 Kilometer südwestlich von Cottbus.
       Hier, im ehemaligen Zentrum des Dörfchens, steht heute nur noch eine
       Kneipe, daneben der riesige Parkplatz eines Discounters, tote Fläche.
       
       Trotzdem pilgerten im Juni 2023 hunderte Menschen in den Ort. Grund war der
       angrenzende Tagebau Welzow Süd. An diesem Tag konnte man einen Eindruck
       davon bekommen, wie rau das Klima in der Lausitz in der Auseinandersetzung
       zwischen Klimaschutz und Kohlewirtschaft bereits geworden ist. Fridays for
       Future hatte zu einer Demo im Dorfzentrum aufgerufen. Die
       Aktivist*innen plädierten für eine Begrenzung des Kohleabbaus und für
       das, was sie einen „sozial gerechten Strukturwandel“ nennen. Das
       provozierte in Welzow: Direkt neben der Kundgebung, im Garten eines
       Eckhauses, hatten sich mehrere Menschen in schwarzen T-Shirts versammelt,
       um mit lauter Musik und Zwischenrufen zu stören. Viele der Shirts hatten
       Aufdrucke in Frakturschrift, ein Mann trug einen Reichsadler im Stil der
       NS-Zeit auf der Brust.
       
       Auf dem Bühnenwagen trat gegen Mittag Timo Napparel vom Sozialistischen
       Deutschen Studentenbund Leipzig auf. Er sagte, es sei wichtig, die Menschen
       der Region bei der Transformation mitzunehmen. Man brauche sie und ihr
       Wissen – für die Renaturierung und die vielen Technologieparks, die hier
       entstehen sollen. Die Demonstrierenden sollten deshalb bei
       Antikohleprotesten beliebte Sprüche wie „Es gibt kein Recht auf
       Kohlebaggerfahren!“ unterlassen und die Menschen im Bergbau nicht zum Feind
       stilisieren. Während Napparel seine Deeskalationsstrategien erörterte,
       brüllte es aus den Mündern der Männer mit Kurzhaarfrisuren hinter dem
       Gartenzaun: „Linkes Gesocks!“ und „Macht erstmal eure Hausaufgaben!“
       
       ## Trauma
       
       Die Stimmung auf der Straße, sie spiegelt sich auch in Wahlen und Umfragen
       wider. Bei der Bundestagswahl 2021 konnte die AfD in den sächsischen
       Wahlkreisen der Lausitz zwei Direktmandate holen. Bei den Landtagswahlen in
       Brandenburg und Sachsen 2019 gewann die AfD in den Lausitzer Wahlkreisen
       32,8 Prozent der Wähler*innen, während sie auf Landesebene bei 23,5,
       respektive 27,5 Prozent lag. In aktuellen Umfragen steht die AfD in beiden
       Bundesländern bei über 30 Prozent und könnte bei den Landtagswahlen im
       Herbst stärkste Kraft werden.
       
       Um die aktuelle Stimmung zu verstehen, muss man die Vergangenheit der
       Region kennen. Jahrzehntelang war die Lausitz einer der wichtigsten
       Wirtschaftsstandorte der DDR. Die Ostrepublik war bis Mitte der 80er Jahre
       der Staat mit der weltweit größten Braunkohleförderung. Mit der Wende
       krachte das Bild in sich zusammen. Auf einmal wurde die Energiewirtschaft
       dem freien Markt ausgesetzt und stand in Konkurrenz zur Gas-, Öl- und
       Kernkraft der BRD sowie zum rheinischen Braunkohlerevier. Die ehemals
       volkseigenen Energiebetriebe wurden über die Treuhand an westdeutsche
       Unternehmen verkauft, viele davon selbst im Rheinland ansässig.
       
       80.000 Menschen arbeiteten hier zu DDR-Zeiten in den Gruben und
       Kraftwerken. Jetzt sind es nur noch ein paar Tausend. Zwischen 1995 und
       2015 zog knapp jede*r fünfte Lausitzer*in aus der Region weg, weil
       schlicht die Perspektiven wegbrachen. Auch Hannelore Wodtkes Tochter zog
       damals fort, nach Kempten im Allgäu.
       
       ## Kampf ohne Windmühlen
       
       Wodtke selbst blieb in der Lausitz, arbeitete weiter im Sozialamt in
       Cottbus. 2006 zog sie nach Welzow. Dort hörte sie fortan rund um die Uhr
       die quietschenden Förderbänder der benachbarten Kohlegrube, den darauf
       fallenden Abraum, die piepsenden Maschinen. Wodtke machte all das wütend:
       der Lärm, der Staub und die Ignoranz der Bergbaufirmen gegenüber den
       Anwohner*innen. Als dann auch noch publik wurde, dass das
       Energieunternehmen Vattenfall, das den Tagebau mittlerweile übernommen
       hatte, den Welzower Ortsteil Proschim opfern wollte, reichte es Wodkte.
       
       Sie begann, sich gegen die Kohle zu engagieren, sprach auf unzähligen Demos
       in Brandenburg und Sachsen und zog 2014 über die Liste „Grüne Zukunft
       Welzow“ in die Stadtverordnetenversammlung ein. Wodtke machte sich einen
       Namen als Kohlegegnerin.
       
       Im Frühjahr 2018 bekam sie einen ominösen Anruf: „Hier ist Altmaier.“ –
       „Hier ist Wodtke, haben Sie sich verwählt?“, erinnert sich Wodtke. Hat der
       damalige Kanzleramtschef nicht. Altmaier sollte die Kohlekommission der
       Bundesregierung zusammenstellen. Das Gremium sollte einen sozial
       verträglichen Fahrplan für den Kohleausstieg entwickeln, Altmaier suchte
       dafür nach einer Kohlegegnerin aus den ostdeutschen Revieren. Wodtke sagte
       zu – und stritt plötzlich mit Leuten wie Stanislaw Tillich, dem ehemaligen
       Ministerpräsidenten Sachsens, um die Zukunft ihrer Heimat. Vehement setzte
       sie sich für den Erhalt des Welzower Ortsteils Proschim ein.
       
       [2][Anfang 2019 legte die Kommission ihren Abschlussbericht vor.] Wodtke
       konnte sich am Ende nicht durchsetzen. Ein Absatz zum Erhalt Proschims kam
       nicht in das Dokument, nur der Hambacher Forst wurde explizit geschützt.
       Wodtke stimmte daher als einziges Mitglied dem Abschlussbericht nicht zu.
       
       Ihre Erzählung mutet an wie eine Geschichte aus einer anderen Zeit. Über
       eine riesige Entscheidung über die Zukunft von allen und ein paar Männern
       der Vergangenheit, die mit ihr beauftragt sind. Und sie entschied, die
       Kommission: [3][Bis 2038 soll Deutschland aussteigen].
       
       ## Die Zeit rennt
       
       Für viele junge Menschen kommt das zu spät. Die Klimaaktivist*innen
       von Fridays for Future stoßen sich vor allem an der Menge an Kohle, die in
       der Lausitz noch aus dem Boden gehoben werden soll. 700 Millionen Tonnen
       sollen das nach den Plänen der LEAG noch werden, so steht es in einer
       Studie der Forschungsgruppe Fossil Exit der TU Berlin – rund dreimal so
       viel, wie das CO₂-Budget [4][für einen 1,5-Grad-Pfad noch erlauben würde].
       Klimaaktivist*innen schauen daher besorgt auf die Lausitz, denn sie
       ist als eines von drei verbliebenen Kohlerevieren einer der wichtigsten
       Orte für den Wandel der deutschen Wirtschaft hin zur CO₂-Neutralität.
       
       Ladina Soubeyrand bereitet der Abbau in ihrer Heimat Sorge. Sie ist in
       Senftenberg aufgewachsen, das schon seit den 70er-Jahren einen See dort
       hat, wo zuvor ein Tagebau war, mit Stadtstrand und Hafen. In Soubeyrands
       Kindheit war das Hafenfest mit seinem Feuerwerk das Highlight des Jahres.
       Ein Graben trennt Stadt und Seeufer. An diesem Tag im Sommer 2023 steht nur
       ganz unten ein wenig braunes Wasser darin. „Das ist die Schwarze Elster“,
       sagt Soubeyrand trocken, „früher sind da Leute mit Kanus drauf geschippert,
       aber jetzt trocknet sie im Sommer fast immer aus.“ In Senftenberg erkennt
       man besonders deutlich, wie die Natur sich verändert: „Der See war das
       letzte Mal zugefroren, als ich elf war“, erzählt sie.
       
       Soubeyrand hat die Senftenberger Ortsgruppe von Fridays for Future
       mitgegründet. Sie wollen den Kampf gegen die Fossilen direkt ins Revier
       hineintragen: „Ich finde es total wichtig, nicht nur aus den Großstädten
       rüberzurufen“. Aber natürlich ist der Kampf hier auch ungleich härter als
       aus der Ferne. Existenzen und Identitäten hängen an der Kohle, alte Wunden
       werden wieder aufgerissen, die Gefahr, Menschen nach rechts zu verlieren,
       ist immer präsent. Dass dann auch ganz schnell die
       Klimaaktivist*innen selbst zur Zielscheibe werden können, konnte man
       bei der Demo in Welzow sehen.
       
       Wie betreibt man Aktivismus in diesem Umfeld? Im rheinischen
       Braunkohlerevier besetzen Klimaaktivist*innen Wälder wie den
       Hambacher Forst oder vom Abriss bedrohte Dörfer wie Lützerath, um sich dem
       Abbau in den Weg zu stellen. In der Lausitz gab es [5][seit mehr als vier
       Jahren keine Besetzungen mehr]. Warum? „Das schürt nur Aggressionen.
       Zumindest hier, wo man auch mit dieser Vergangenheit kämpft. Hier ist es
       wichtig, dass wir die Leute mitnehmen und nicht gegen sie arbeiten“,
       erklärt Soubeyrand.
       
       ## Chancen
       
       So sieht das auch Lars Katzmarek: „Wenn wir hier etwas bewegen wollen, dann
       schaffen wir das nur gemeinsam.“ Er hat die Härten des Strukturbruchs
       mitbekommen, damals verlor auch seine Mutter ihren Job. „Die Hilflosigkeit
       aus der Zeit haben die Leute noch in den Köpfen“, erklärt er, „und sie
       messen die Politik daran.“ Aber Katzmarek ist keiner, der sich mit der
       Vergangenheit aufhalten will. Viel lieber denkt er an die Zukunft der
       Lausitz, und die malt er sich golden aus.
       
       Katzmarek ist Elektrotechniker und bei der LEAG für die Telekommunikation
       in den Tagebauen zuständig. An diesem Tag im Herbst sitzt er vor einem
       hippen Café in der Cottbuser Innenstadt, an der Wand lehnt ein geliehener
       E-Scooter, mit dem er sich eben noch durch die Fußgängerzone schlängelte.
       Jemand kommt vorbei: „Hallo Lars!“ – „Hi Flo!“, die beiden unterhalten
       sich. Katzmarek ist gut vernetzt in der Region. Für den Deutschen
       Gewerkschaftsbund ist er als „Revierbotschafter“ der Lausitz tätig, er ist
       eines der Gesichter der Imagekampagne „Krasse Lausitz“, die besonders junge
       Menschen von der Region überzeugen will.
       
       Im Verein Junge Lausitz engagiert sich Katzmarek für deren Belange. Es gibt
       sogar zwei Songs von ihm, in denen er über die Zukunft der Region rappt.
       „Ich bin mir sicher, dass wir den Ersatz für die Kohleindustrie bekommen,
       den wir uns so erbarmungslos eingefordert haben“, sagt Katzmarek. Für die
       Lausitz wünscht er sich einen Campus für Firmengründungen. „Wenn wir hier
       etwas haben, dann sind das: Platz und Fachkräfte. Also alles, was man für
       ein Start-up braucht.“
       
       Auch der Bund hat große Pläne für die Region und stellt dafür einiges an
       Geld bereit. 17 Milliarden Euro sollen bis zum Ausstiegsdatum 2038 fließen.
       Zum Beispiel in den Lausitz Science Park, der auf dem ehemaligen Flugfeld
       von Cottbus über 1.000 neue Jobs in Forschung und Industrie schaffen soll –
       unterstützt mit 42 Millionen Euro vom Bund. Auch die Waldbühne Jonsdorf,
       eine Außenstelle des Zittauer Theaters, bekommt knapp 10 Millionen Euro aus
       dem Topf. Das „Wasserstoff-Referenzkraftwerk“ in Spreetal wird mit rund 28
       Millionen Euro bedacht. Und in Cottbus steht bereits die erste von zwei
       Hallen zur Instandhaltung für ICEs der Deutschen Bahn, bis 2026 sollen hier
       1.200 Arbeits- und Ausbildungsplätze entstehen.
       
       Gut möglich, dass diese Projekte der gebeutelten Region tatsächlich wieder
       zum Aufschwung verhelfen. Erste Ansätze sind schon jetzt zu sehen: 2022
       konnte etwa der jahrzehntelange Bevölkerungsrückgang umgekehrt werden. Auch
       die Eröffnung des ICE-Werks in Cottbus ist ein Lichtblick. Die Tickets für
       die Baustellenbesichtigung im vergangenen Jahr seien in Sekunden
       ausverkauft gewesen, meint Katzmarek, „die Leute konnten es kaum glauben,
       dass diese Werke wirklich gebaut werden“.
       
       ## Fallstricke
       
       Alte Abhängigkeiten könnten der Lausitz jedoch zum Verhängnis werden. Die
       LEAG ist mit Abstand das mächtigste Unternehmen in der Region. Um ihre
       Tagebaue betreiben zu können, muss sie sie trocken halten. Dafür pumpt sie
       stetig Grundwasser aus ihren Gruben, [6][wodurch Sulfate freigesetzt
       werden], die das Trinkwasser verunreinigen können. Die Stadt Frankfurt an
       der Oder klagte 2019 wegen der Sulfatbelastung am Europäischen Gerichtshof.
       Recherchen der Investigativplattform Correctiv zufolge hat die LEAG der
       Stadt daraufhin fünf Millionen Euro zugesagt – und ihr [7][laut Correctiv]
       untersagt, über die Trinkwasserbelastung zu sprechen. Die LEAG [8][weist
       diese Anschuldigung zurück].
       
       Aber die Probleme mit dem Wasser werden nicht einfach verschwinden, wenn
       die Gruben geschlossen sind und sich der Grundwasserspiegel eines Tages
       wieder normalisiert hat. Um ihr Geschäftsmodell in die CO₂-neutrale Zukunft
       zu retten, plant die LEAG, einige der alten Kohlekraftwerke
       wasserstofffähig zu machen. Außerdem will sie eine eigene
       Wasserstoffproduktion aufbauen. Dafür wird Wasser benötigt. Aber wie viel
       davon verbraucht werden soll, dazu äußert sich der Konzern bisher nicht.
       
       Das Wasser dürfte im Zuge des Kohleausstiegs das größte Streitthema der
       Lausitz werden. Denn die größte künstliche Seenplatte Europas wird zugleich
       auch die größte künstliche Verdunstungsfläche sein: Der Ostsee, der in
       weiten Teilen gerade mal eine Wassertiefe von etwa drei Metern haben wird,
       veranschaulicht das Problem paradigmatisch. Das Umweltbundesamt
       prognostiziert in einer Studie, dass die Spree, die in der Lausitz
       entspringt, in regenarmen Sommern „streckenweise fast vollständig
       austrocknen wird“. Grund dafür sind die riesigen Verdunstungsflächen und
       das Ausbleiben des abgepumpten Grundwassers, wenn die Gruben geschlossen
       werden. Für Berlin und Teile Brandenburgs, deren Trinkwasser aus dem Fluss
       und seinen angeschlossenen Seen gewonnen wird, ist das keine gute
       Nachricht.
       
       Umweltaktivist*innen und Menschen aus der Region wie Hannelore Wodtke
       plädieren deshalb dafür, die vielen weiteren Gruben, die mit dem
       Kohleausstieg dicht gemacht werden, zu renaturieren, statt sie zu fluten.
       Aber das ist teurer. Es ist unklar, ob die LEAG genug Rücklagen gebildet
       hat, um eine Renaturierung finanzieren zu können. Sollte das nicht der Fall
       sein, kann es sein, dass vieles davon an Bund, Ländern und Kommunen hängen
       bleibt. Die Zukunft der Region steht auf der Kippe. Und – so
       unterschiedlich sie auch sind – Menschen wie Hannelore Wodtke, Lars
       Katzmarek und Ladina Soubeyrand kämpfen dafür, dass sich ihre Heimat nicht
       in die falsche Richtung entwickelt.
       
       Jetzt, im Winter, sind die Schleusen zum Cottbuser Ostsee voll geöffnet,
       die Flutung läuft mit Maximaltempo. In wenigen Wochen könnte die
       Wasserdecke bereits geschlossen sein. Was mal darunter lag, ist dann
       endgültig verschwunden: 220 Millionen Tonnen Braunkohle, circa 280
       Millionen Tonnen CO₂, Tranitz, Lakoma, Groß-Lieskow, Klein-Lieskow. In der
       ewigen, flachen Seeoberfläche zeugt dann nichts mehr davon. Ob die Wunden
       aber wirklich heilen, die Region den Wandel schafft, die
       Lausitzer*innen wieder Vertrauen in die Politik gewinnen können, wird
       sich zeigen. Die Wahlen im Herbst dürften der Lackmustest dafür sein.
       
       9 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Tagebaue-in-der-Lausitz/!5952599
   DIR [2] /Abschlussbericht-der-Kohlekommission/!5568305
   DIR [3] https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/A/abschlussbericht-kommission-wachstum-strukturwandel-und-beschaeftigung.pdf?__blob=publicationFile&v=1
   DIR [4] /Studien-zu-Lausitz-und-Verkehr/!5927715
   DIR [5] /Protest-gegen-Braunkohle-im-Osten/!5570296
   DIR [6] /Sulfat-im-Wasser/!5480871
   DIR [7] https://correctiv.org/aktuelles/kampf-um-wasser/2023/09/23/wasser-gefaehrdet-leag-erkauft-schweigen/
   DIR [8] https://www.leag.de/de/news/details/leag-weist-correctiv-anschuldigungen-entschieden-zurueck/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jannik Grimmbacher
       
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       Im Theater beschreibt Lukas Rietzschel einen AfD-Aufsteiger. In seinen
       Romanen positioniert er sich eindeutig, agitiert aber nie. Ein Porträt.
       
   DIR Landtagswahl am 22. September: Der Zweckoptimist
       
       In Brandenburg führt die AfD in Umfragen klar vor der SPD.
       Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) peilt trotzdem einen Wahlsieg seiner
       Partei am an.
       
   DIR RWE und Kohleausstieg: Entschädigung vom Staat
       
       Deutschland steigt aus der Kohle aus, das steht schon lange fest. Zu einer
       Milliardenzahlung Deutschlands an RWE gibt es nun eine Entscheidung.​