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       # taz.de -- Film „The Royal Hotel“: Lauern auf die Eskalation
       
       > „The Royal Hotel“ von Kitty Green folgt zwei Touristinnen in die
       > australische Einöde. Sie treffen dort auf maskuline Unsicherheit und
       > offenen Sexismus.
       
   IMG Bild: Allein unter Männern: Liv (Jessica Henwick) und Hanna (Julia Garner) in „The Royal Hotel“
       
       Hanna (Julia Garner) und Liv (Jessica Henwick) sind zwei typische
       Backpackerinnen. Die beiden Twentysomethings kommen aus Kanada und machen
       auf ihrer Reise durch Australien gerade Station in Sydney. Auf einem
       Partyboot im imposanten Sydney Harbour unweit der weltberühmten Oper merken
       sie schnell, dass sie kein Geld mehr haben. Die Kreditkarte ist gesperrt.
       
       Am nächsten Tag sitzen sie in einer Work-&-Travel-Agentur. Das Angebot: ein
       Job in einer Bar im australischen Outback. Die Angestellte zeigt ihnen auf
       einer Karte, wo sie hin müssen. Der Ort scheint nicht mal einen Namen zu
       haben. Sie deutet nur auf einen Punkt mitten im Nirgendwo.
       
       Es sei eine großes Bergbaugebiet. Und sie warnt die beiden vor einer Menge
       männlicher Aufmerksamkeit, die sie dort abbekommen würden. Ohne großes
       Zögern stimmen die Frauen in ihrer naiven Abenteuerlust zu. Solange sie
       Kängurus zu sehen bekämen, würden sie es machen.
       
       Der Prolog von „The Royal Hotel“, dem neuen Film der australischen
       Regisseurin Kitty Green, lässt leise vorausahnen, was die beiden noch
       erwartet. An der Haltestelle, wo sie der Bus rauslässt, werden Hanna und
       Liv von der Betreiberin der Bar, einer wortkargen Aboriginal namens Carol
       (Ursula Yovich), abgeholt.
       
       ## Drohkulisse aus Machismus und Frauenfeindlichkeit
       
       The Royal Hotel, so heißt die Bar, steht völlig isoliert im rotbraunen
       Nichts des Hinterlands. Der Name der Bar ist kaum zu lesen, so vergilbt und
       verwittert sind die Buchstaben auf dem Schild an der Hausfront. Die royalen
       Tage des einstigen Hotels, wenn es sie je gegeben hat, liegen weit in der
       Vergangenheit.
       
       Nachdem Hanna und Liv die Bar betreten haben, um zu ihren Zimmern im ersten
       Stock zu gelangen, sperrt Carol sie im Haus ein. Als würde sie die zwei
       Frauen noch vor dem schützen wollen, was sich nicht zurückhalten lässt.
       Etwas, das auch in ihrem Partner Billy, einem abgehalfterten Alkoholiker,
       grandios widerwärtig gespielt von Hugo Weaving, steckt. Auf seine Frage, ob
       sie denn überhaupt Englisch sprechen, zählt ihm Hanna leicht überheblich
       auf, welche Sprachen sie noch spricht.
       
       Seine angewiderte Antwort: „You are a smart cunt.“ Kitty Green spielt in
       ihrem erst zweiten Spielfilm sehr stilsicher auf der Klaviatur eines
       klassischen Thrillers. Die sich aufbauende Drohkulisse aus Machismus und
       Frauenfeindlichkeit deutet in jedem Moment auf ein großes Finale hin.
       
       In ihrer ersten Schicht hinter der Bar wirken Hanna und Liv wie die
       Attraktion in einer Zirkusmanege, umringt von den lüsternen Blicken der
       Männer, die sich in ihrer dunklen Minenmontur ein Feierabendbier nach dem
       anderen reinstellen. Die Bierflaschen und -dosen zischen, klacken und
       klirren, während erste sexistischen Sprüche fallen. Die Misogynie liegt
       hier wie eine dicke Schicht Patina auf dem schweren Holztresen.
       
       ## Männliche Machtausübung
       
       Die große Eskalation an diesem Abend bleibt jedoch aus, wie in so vielen
       Momenten im Film. Kitty Green unterwandert immer wieder die
       Erwartungshaltung des Publikums. Denn das Verhalten der Männer kann nie
       genau eingeschätzt werden. Resultiert die eine Grenzüberschreitung aus
       einer reinen Unbedarftheit oder ist sie willentliche Machtausübung?
       
       Im Badeausflug mit dem gleichaltrigen Minenarbeiter Matty (Toby Wallace) an
       einem kleinen Wasserlauf in der ansonsten staubtrockenen Gegend entfaltet
       sich eine Unbeschwertheit und Leichtigkeit, die am nächsten Tag sogleich in
       eine Bedrohung umschlägt, als jener Matty im Suff das klare „Nein“ von
       Hanna nicht akzeptieren will. Während Liv die Übergriffigkeit der Männer in
       ihrer Arglosigkeit herunterspielt, ist es vor allem Hanna, die auf die
       Warnsignale hört.
       
       Ähnlich wie [1][das Büro in „The Assistant“, Kitty Greens vielbeachtetem
       Spielfilmdebüt] über Ausbeutungsverhältnisse und Sexismus in der
       Filmindustrie, ist auch die Bar in „The Royal Hotel“ ein Mikrokosmos, in
       dem die Regisseurin männliche Machtdynamiken offenlegt.
       
       Dabei bedient sie sich Genreelementen, die auch an einen Horrorfilm denken
       lassen. Etwa wenn einer der Männer nach einer durchzechten Nacht
       angsteinflößend und mit einem manischen Blick wie Jack Torrance in „The
       Shining„ den Hotelflur zu Hannas und Livs Zimmer entlangtorkelt und sein
       Schatten im Schlitz der verschlossenen Tür durchscheint.
       
       Green verweigert sich angenehmerweise einer allzu einfachen
       Charakterzeichnung. Sie sucht vielmehr nach den Grautönen. In den Männern
       zeigt sich maskuline Unsicherheit und Einsamkeit ebenso wie offener
       Sexismus. Sie scheinen selbst nicht recht zu wissen, zu was sie alles im
       Stande sind. Einer der Saufbolde, ein verhältnismäßig schüchterner Typ,
       traut sich kaum, Liv anzumachen. Schließlich ist er es, der einen anderen
       Mann aus falschem Beschützerinstinkt halbtot prügelt.
       
       Die beiden Frauen stehen den Aggressionen beileibe nicht wehrlos gegenüber.
       Sie sind es, die den Grat ausmessen, an dem die Toleranz, das was sie
       zulassen und hinnehmen möchten, ein Ende hat. Wenn sie für sich selbst
       einstehen und beispielsweise die Axt herausholen.
       
       11 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
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   DIR Tobias Obermeier
       
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