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       # taz.de -- Einflussnahme auf Gesetze: Versicherer lobbyieren am meisten
       
       > Die Finanzbranche wirkt massiv auf die Politik ein. Die NGO Finanzwende
       > fordert, dass der Einfluss von Lobbyisten auf Gesetze sichtbar wird.
       
   IMG Bild: Für mehre Transparenz? – Fensterputzer putzen die Reichstagskuppel
       
       Berlin taz | Allein die Finanzbranche investiert mehr als doppelt so viel
       Geld in die Einflussnahme auf Entscheidungen von Bundestag und
       Bundesregierung wie alle zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammen.
       Versicherer und Banken steckten 2022 mehr als 42,8 Millionen Euro in
       Lobbyarbeit, bei den Organisationen waren es 19,2 Millionen Euro. Das ist
       [1][das Ergebnis einer Analyse des offiziellen Lobbyregisters], die die
       Organisation Finanzwende am Montag veröffentlicht hat. Finanzwende fordert
       eine [2][Reform des Lobbyregisters], damit künftig nachvollziehbar ist, wer
       in welcher Weise Einfluss auf die Gesetzgebung nimmt.
       
       Der Verein Finanzwende versteht sich als Gegengewicht zur Finanzlobby und
       setzt sich für faire, nachhaltigere und stabilere Finanzmärkte ein. Für die
       Analyse der Geldmittel der Interessenvertreter:innen hat der Verein
       die 100 größten Lobbyorganisationen untersucht, die in Berlin registriert
       sind. Davon sind zehn der Finanzwirtschaft zuzuordnen, acht der
       Energiebranche und jeweils sechs der Auto- und Chemieindustrie.
       
       Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) investiert
       mit mehr als 15 Millionen Euro am meisten in die politische Einflussnahme.
       „Die Finanzlobby hat eine ungeheure Macht, die viel zu oft unsichtbar
       bleibt“, kritisiert Daniel Mittler, Geschäftsführer von Finanzwende.
       
       Ein Beispiel: Die Versicherungswirtschaft spielte bei der
       Teilprivatisierung der gesetzlichen Rente eine wichtige Rolle, wie sie mit
       der Einführung der Riester-Rente durch die rot-grüne Bundesregierung
       erfolgt ist. „Hier ist es dem GDV gelungen, eine private Altersvorsorge
       voranzubringen, die große Renditen für die Finanzwirtschaft erzeugt, aber
       nicht die Probleme der Menschen im Alter löst“, sagt Mittler. Denn die
       Riester-Verträge können auch wegen ihrer hohen Kosten nicht die Lücken
       füllen, die die Kürzung von Rentenansprüchen gerissen hat.
       
       Weil die Verträge so teuer sind, sollen sie reformiert werden.
       Vertreter:innen der Versicherer sind in den zuständigen Gremien stark
       vertreten und können sich dort für die Interessen der Branche einsetzen,
       kritisiert Finanzwende.
       
       Die Organisation wendet sich nicht gegen das Lobbyieren an sich – das macht
       der Verein schließlich selbst, ebenso wie Menschenrechts- oder
       Verbraucherschutzvereinigungen. „Das Problem ist die ungleiche
       Ressourcenverteilung“, sagt Mittler. Die ungleichen Kräfteverhältnisse
       führen dazu, dass manche Akteure unverhältnismäßig viel Einfluss nehmen
       können. So habe der GDV zwischen 2014 und 2020 fast jeden finanzpolitischen
       Referentenentwurf aus dem Bundesfinanzministerium kommentiert. „Das kann
       die Gegenseite niemals leisten“, sagt Mittler.
       
       ## Reform des Lobbyregisters
       
       Der GDV sieht in seiner Lobbytätigkeit kein Problem. „Interessenvertretung
       ist legal und legitim, aber sie muss transparent sein“, so
       Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen, der einst Finanz-Staatssekretär für die
       SPD war. „Dafür sorgt das Lobbytransparenzregister, dessen Einführung wir
       von Anfang an unterstützt haben.“
       
       Das sieht Finanzwende anders. Seit der Einführung des Registers 2022 sind
       Lobbyorganisationen zwar sichtbar. Das Register listet Namen von 33.200
       Personen und 6.100 Organisationen auf. „Aber es ist nicht nachvollziehbar,
       wer wo und wie Einfluss nimmt“, erklärt Finanzwende-Geschäftsführer
       Mittler.
       
       Im März tritt eine Reform in Kraft. Dann müssen Lobbyist:innen etwa
       benennen, welche Gesetze sie beeinflussen wollen. Das geht Finanzwende
       nicht weit genug. Die Organisation fordert die Einführung des sogenannten
       [3][legislativen Fußabdrucks]. Der sieht vor, dass bei jedem Gesetz
       aufgeführt wird, welche Lobbyisten wie versucht haben, Einfluss zu nehmen.
       Damit sollen Bürger:innen nachvollziehen können, wer sich am
       Gesetzgebungsverfahren beteiligt und durchgesetzt hat. SPD, Grüne und FDP
       sehen [4][in ihrem Koalitionsvertrag] die Einführung des legislativen
       Fußabdrucks vor – bislang aber folgenlos.
       
       8 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.finanzwende.de/themen/finanzlobbyismus/die-macht-der-finanzlobby-im-zweiten-jahr-des-lobbyregisters
   DIR [2] /Neues-Lobbyregister/!5903768
   DIR [3] /Transparenzregeln-und-Lobbyregister/!5758144
   DIR [4] https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anja Krüger
       
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