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       # taz.de -- Gebietsstreit Venezuela und Guyana: Maduro will das Nachbarland
       
       > Per Referendum unterstreicht Venezuelas Präsident seinen Gebietsanspruch
       > auf zwei Drittel des benachbarten Guyana. Da gibt es Öl und Mineralien.
       
   IMG Bild: Präsident Maduro hält nach dem Referendum eine Rede, Caracas am 04.12.23
       
       Bogotá taz | Bei einem Referendum hat sich am Sonntag eine Mehrheit der
       Venezolaner:innen für die Teil-Annexion des Nachbarlands Guyana
       ausgesprochen. Ein neuer venezolanischer Bundesstaat mit dem Namen Guyana
       Esequiba soll geschaffen werden, die jetzigen Bewohner:innen sollen die
       venezolanische Staatsbürgerschaft erhalten.
       
       Laut der Wahlbehörde Venezuelas stimmten 95 Prozent den – mehr als
       suggestiv formulierten – [1][fünf Fragen] zu, die die Regierung zur
       Abstimmung gestellt hatte. Die Wahlbeteiligung lag bei 51 Prozent.
       Allerdings sind solche Aussagen in dem autoritär regierten Land mit
       Vorsicht zu genießen. Die Regierung von Präsident Nicolás Maduro hatte das
       Plebiszit mit einer nationalistischen Kampagne vorbereitet.
       
       In dem nicht bindenden Plebiszit ging es um die Essequibo-Region, ein rund
       160.000 Quadratkilometer großes Gebiet, das zwei Drittel der Staatsfläche
       Guyanas ausmacht. Seit rund einem Jahrhundert beansprucht Venezuela das
       waldreiche Gebiet für sich, war allerdings viele Jahrzehnte lang nicht
       besonders interessiert.
       
       Das änderte sich 2015, als dort reiche Ölvorkommen entdeckt wurden. Der
       US-Konzern Exxon bekam die Konzession – und würde diese gerne ausbauen.
       Nach jüngsten Funden im Oktober sollen die Vorkommen sogar denen von Kuwait
       entsprechen. Außerdem befinden sich dort andere Rohstoffe wie seltene
       Erden, Gold, Bauxit, Mangan und Diamanten.
       
       ## Menschenketten für Essequibo in Guyana
       
       Benannt ist die Region nach dem größten Fluss Guyanas, dem Essequibo. Geht
       es nach Nicolas Maduro, soll der künftig die natürliche Grenze zwischen
       beiden Ländern sein. Von den rund 120.000 Menschen, die dort derzeit leben,
       sind viele Indigene. Sie haben wohl kein Interesse daran, venezolanische
       Staatsbürger:innen zu werden. Venezuela ist seit Jahren dank seiner
       korrupten autoritären Regierung in einer massiven Wirtschaftskrise. Rund
       acht Millionen Venezolaner:innen flohen aus ihrer Heimat.
       
       Tausende Guyaner:innen bildeten am Sonntag Menschenketten, um für die
       Verbundenheit von Guyana mit Essequibo zu demonstrieren. An einer der Demos
       nahm auch [2][Präsident Irfaan Ali] teil. Er hatte sich am Tag der
       Abstimmung ostentativ per Facebook-Stream aus dem umstrittenen Gebiet
       gemeldet und Venezuela aufgefordert, Reife und Verantwortung zu beweisen.
       
       Ein paar Tage zuvor hatte Ali noch ostentativ im Militäranzug nahe der
       Grenze die Landesfahne gehisst und dort eine Nacht [3][mit seinen Soldaten
       im Zeltlager verbracht].
       
       Das englischsprachige Guyana war zuletzt britische Kolonie. Seine
       derzeitigen Grenzen wurden 1899 auf Betreiben von USA und Großbritannien
       von einem Schiedsgericht festgelegt. Venezuela beruft sich hingegen auf ein
       Abkommen mit dem Vereinigten Königreich von 1966. Das entstand wenige
       Monate, bevor die damalige Kolonie Britisch-Guyana unabhängig wurde. Dieses
       sah eine Verhandlungslösung des Disputs vor.
       
       ## Plebiszit als Stimmungstest für Maduro
       
       Guyana hatte nach den ersten Erdölfunden den Internationalen Gerichtshof
       (IGH) in Den Haag angerufen – in der Hoffnung, dass dieser die Grenze von
       1899 für gültig erklären würde. Der IGH hatte am Freitag Venezuela
       angewiesen, „jede Handlung zu unterlassen, die die gegenwärtige Lage in dem
       strittigen Gebiet ändern würde“. Venezuela erkennt das Gericht nicht an.
       Eine der Fragen untermauert das. Die Entscheidung des IGH sollte frühestens
       2025 fallen.
       
       Hinter Guyana stehen nicht nur die USA und das Vereinigte Königreich,
       sondern auch Brasilien, das Nachbarland von Venezuela und Guyana ist.
       Brasilien hatte am Wochenende seine Truppen an der Grenze verstärkt. Auch
       die karibische Staatengemeinschaft (Caricom) und die Organisation
       Amerikanischer Staaten (OAS) unterstützen Guyana.
       
       Abgesehen von den potenziellen Öl-Einnahmen hat Präsident Maduro noch
       andere Beweggründe, sagen Expert:innen. Trotz der Ukraine-Vergleiche im
       Vorfeld ist es unwahrscheinlich, dass die venezolanische Armee demnächst in
       Guyana einmarschiert.
       
       Doch das Plebiszit galt als Stimmungstest, ob Maduro seine
       Anhänger:innen noch hinter sich hat. Es könnte auch dazu dienen,
       zwischen „Patriot:innen und Verräter:innen“ zu unterscheiden – und
       [4][Letztere zu verfolgen].
       
       Gleichzeitig könnte das Ergebnis als Blankoscheck fürs Regime dienen. Zum
       Beispiel, um unter dem Vorwand einer Mobilisierung die für 2024 anberaumten
       Präsidentschaftswahlen zu verschieben. Das wäre für Maduro besonders
       spannend, sollte die vom Obersten Gericht wegen angeblicher
       Unregelmäßigkeiten suspendierte Oppositionspolitikerin [5][Maria Corina
       Machado] doch noch zugelassen werden. Die hatte sich gegen das Plebiszit
       ausgesprochen.
       
       [6][Präsident Nicolás Maduro] feierte am Sonntag das Ergebnis vor seinen
       Anhänger:innen auf der Plaza Bolívar der Hauptstadt Caracas als „großen
       Sieg für das Volk von Venezuela“.
       
       4 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://efectococuyo.com/politica/cne-dice-que-se-emitieron-mas-105-millones-de-votos-en-el-referendo/
   DIR [2] https://www.dw.com/es/nada-que-temer-dice-presidente-de-guyana-sobre-referendo/a-67620198
   DIR [3] https://www.facebook.com/story.php/?story_fbid=893801125446776&id=100044506896578&paipv=0&eav=AfZ1LFPOpG0dmgXK1pg9kno2ZY6mtIvUbGOYYz1w5xKxcSGUbMWKZAFVbFRYJVfQ3W8&_rdr
   DIR [4] https://elpais.com/america/2023-12-03/aumenta-la-tension-en-visperas-de-un-referendum-en-venezuela-sobre-un-territorio-que-se-disputa-con-guyana.html#
   DIR [5] /Opposition-in-Venezuela/!5045697
   DIR [6] https://x.com/NicolasMaduro/status/1731500117482463727?s=20
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Wojczenko
       
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