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       # taz.de -- Berghauptmann über neue EU-Gesetzgebung: „Nicht auf Kosten der Umwelt“
       
       > Bernhard Cramer ist Berghauptmann. Er ist überzeugt, dass Unabhängigkeit
       > im Bergbau nicht zulasten des Umweltschutzes gehen darf.
       
   IMG Bild: Früher wurde hier auf dem Sauberg bei Ehrenfriedersdorf Zinn gewonnen, jetzt finden nur noch Erlebnisführungen statt
       
       taz: Herr Cramer, wer über Bergbau in Deutschland spricht, spricht von
       Sachsen. Große Erzvorkommen gibt es eigentlich nur dort. Wie viele
       Bergwerke gibt es dort inzwischen wieder? 
       
       Bernhard Cramer: Es gibt auch in Sachsen seit Anfang der neunziger Jahre
       keinen Erzbergbau mehr. Wir erleben hier aber seit 2005 intensive
       Bemühungen, wieder Bergwerke zu eröffnen, das sogenannte „neue
       Berggeschrey“. Derzeit bearbeiten wir 35 neue Bergbauprojekte in
       unterschiedlichen Stadien. Einige sind noch am Anfang, bei der ersten
       geologischen Erkundung, andere schon sehr weit, im Zulassungsverfahren.
       Statistisch gesehen ist das Verhältnis weltweit so: Aus etwa 100 derartiger
       Projekte entsteht am Ende tatsächlich ein Bergwerk.
       
       Wenn sich ein Unternehmer an ein Bergbauprojekt in Europa herantraut, hat
       er die Aussicht, beginnend mit ersten geologischen Erkundungen in 10 bis 15
       Jahren mit dem Abbau zu beginnen. Das Projekt kann aber auch jederzeit
       scheitern, etwa weil Genehmigungen nicht erteilt werden oder die
       Finanzierung schwierig ist. Sie benötigen von Anfang an viel Geld für die
       erforderlichen Investitionen. Gewinne fließen in der Regel aber erst
       Jahrzehnte später. Umso beachtlicher ist das, was wir gerade im Erzgebirge
       erleben.
       
       Sachsen wandelt sich wieder zur Bergbauregion? 
       
       Das sind wir immer gewesen, denn wir haben 230 aktive Bergwerke, die im
       Tagebau Steine- und Erdenrohstoffe abbauen, darunter Sande oder Lehme, wie
       etwa Kaolin, als weißer Ton berühmt für die Porzellanherstellung. Und wir
       gewinnen Braunkohle. In der Wahrnehmung des Bergbaus koppeln sich diese
       Rohstoffe aber vom neuen Berggeschrey auf Erz ab, obwohl die
       Rechtsgrundlagen und auch viele technische Rahmenbedingungen für den
       Bergbau bei uns die gleichen sind.
       
       Welche Rolle spielt die Tradition für neue Projekte? 
       
       Der Erzbergbau hat die Region 850 Jahre lang geprägt, nicht von ungefähr
       ist die Montanregion Erzgebirge Weltkulturerbe. Die Tradition führt aber
       nicht pauschal zu mehr Akzeptanz für neuen Bergbau. Die Menschen hier
       kennen die positiven und negativen Folgen des Bergbaus. Am Ende zählt die
       persönliche Betroffenheit von einem Projekt mehr als Traditionen.
       
       Aus Dörfern im Erzgebirge ist zu hören: [1][Hier soll das Erz gewonnen
       werden, mit allem Dreck und Lärm.] Und dann gehen die Rohstoffe direkt nach
       China, werden dort veredelt und zu Geld gemacht. Was ist da dran? 
       
       Derartige Planungen sind mir für die sächsischen Bergbauprojekte nicht
       bekannt. Sie machen auch keinen Sinn, weil durch die immensen Kosten für
       den Transport um den halben Globus die Rohstoffe derart teuer würden, dass
       sich die Gewinnung bei uns gar nicht mehr rechnet. Umgekehrt macht aber
       diese Rechnung Sinn.
       
       Aktuell ist unsere Wirtschaft beim Metall ausschließlich auf Bergbau aus
       aller Welt angewiesen, gerade aus China. Mit Blick auf die massiven
       Veränderungen der globalen Rohstoffmärkte infolge des russischen
       Angriffskrieges gegen die Ukraine ist heimischer Bergbau mit
       angeschlossener Wertschöpfungskette in Deutschland und Europa ein wichtiger
       Schritt zu geringeren Abhängigkeiten. Anders als der Bergbau in vielen
       Ländern der Welt genügt der Bergbau in Sachsen den strengsten Umwelt- und
       Sicherheitsstandards.
       
       [2][Diese Idee steckt auch hinter dem sogenannten CRMA], dem
       Kritische-Rohstoffe-Gesetz, mit dem die EU den heimischen Bergbau befeuern
       will. Ist es ein gutes Instrument? 
       
       Das gesellschaftliche Verständnis für die Bedeutung eigener
       Rohstoffgewinnung zu schärfen, ist wichtig. Und die anstehenden Aufgaben im
       Klimaschutz und der Digitalisierung lösen wir nur, wenn wir über genügend
       Rohstoffe verfügen, insofern kommt der Critical Raw Materials Act (CRMA)
       zum richtigen Zeitpunkt.
       
       Trotzdem wird in Europa dadurch nicht der Bergbau aus dem Boden schießen.
       Ich wünsche mir, dass wir in naher Zukunft erst einmal ein Erz-Projekt
       tatsächlich genehmigen und realisieren können, um zu zeigen, dass es in
       unserem hochgradig regulierten Land noch möglich ist. Das wäre ein
       wichtiges Signal an Unternehmen, dass sich Investitionen in Deutschland in
       diesem Sektor lohnen.
       
       Mit dem CRMA will die EU Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigen … 
       
       Eine abschließende Version des CRMA liegt uns noch nicht vor. Bekannt ist,
       dass er zwei Jahre für Genehmigungsverfahren für Projekte vorsieht, bei
       denen es mit Blick auf die grüne Transformation um sogenannte strategische
       Rohstoffe geht. Abschließend können wir diese Vorgabe aber noch nicht
       bewerten. Schließlich sind für lange Genehmigungsverfahren nicht immer die
       Behörden verantwortlich.
       
       Auch Unternehmen benötigen Zeit, bis sie die notwendigen Informationen für
       das Verfahren beibringen. Ich sehe die Verfahrenslänge auch gar nicht so
       kritisch. Genehmigungsverfahren für Bergbauprojekte mit erheblichen
       Eingriffen in Natur und Umwelt erfordern ihre Zeit, um auftretende
       Konflikte zu lösen. In diesem Prozess Abstriche zu machen muss nicht im
       Interesse des Staates, der Bürger und der Umwelt sein. Das wäre genau das
       falsche Signal. Rohstoffe für die grüne Transformation dürfen nicht aus
       einem Bergbau stammen, der auf Kosten des Umweltschutzes umgesetzt wird.
       Hier werden wir uns den CRMA noch einmal genau ansehen.
       
       Ist Ihre Behörde, das Oberbergamt, für größere Geschwindigkeiten
       ausgestattet? 
       
       Wir wären natürlich deutlich mehr gefordert. Entweder wir müssten andere
       Aufgaben wegpriorisieren oder wir hätten zusätzlichen Bedarf an
       Ressourcen. Andere Bergbauunternehmen, etwa aus dem Steine- und
       Erdenbergbau, können ja nicht länger auf ihre Genehmigungen warten, nur
       weil [3][kritische Rohstoffe für die Energiewende] auf einmal wichtiger
       sein sollen.
       
       10 Jan 2024
       
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