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       # taz.de -- Radschnellwege in Nordrhein-Westfalen: Bürokratisch ausgebremst
       
       > Der seit mehr als zehn Jahren versprochene Bau von Fahrradautobahnen in
       > NRW kommt nur im Schneckentempo voran. Aktivist:innen machen jetzt
       > Druck.
       
   IMG Bild: Teilstücke: Hier eine Brücke des Radschnellwegs RS1 in Essen
       
       Bochum taz | Mit einer Kette von [1][Demonstrationen und Aktionen
       protestiert] der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) an diesem
       Wochenende gegen das Schneckentempo, mit dem der Bau von Radschnellwegen in
       Nordrhein-Westfalen vorangeht.
       
       Am Freitag gibt es eine Aktion in Dortmund, am Samstag eine
       Fahrraddemonstration am geplanten Radschnellweg RS6 zwischen Frechen und
       Köln. Und am Sonntag wollen Fahrradaktivist:innen die vorgesehene
       Teilstrecke des Radschnellwegs Ruhr (RS1) zwischen Moers, Duisburg und
       Mülheim „erkunden“ – denn hier im westlichen Ruhrgebiet ist auch 13 Jahre
       nach Präsentation der ersten Idee für den RS1 noch nicht ein einziger Meter
       der „Fahrradautobahn“ gebaut.
       
       „Wir sind sehr, sehr enttäuscht, dass der Bau der Radschnellwege in NRW so
       unglaublich langsam abläuft“, sagt Rebecca Heinz, Co-Landesvorsitzende des
       ADFC. Gerade der [2][Radschnellweg Ruh]r, der irgendwann von Moers im
       Westen quer durch das ganze Revier über Duisburg, Essen, Bochum und
       Dortmund bis nach Hamm führen soll, biete in dem Ballungsraum mit seinen
       mehr als fünf Millionen Menschen „enormes Potenzial, von den überlasteten
       Bahnen, Bussen und Autobahnen aufs Fahrrad umzusteigen“, wirbt Heinz.
       „Trotzdem sind von seinen 116 Kilometern heute nur 19 befahrbar – und das
       nicht einmal durchgehend.“
       
       Denn auf einer alten Bahnlinie ohne Kontakt mit dem Autoverkehr
       unterbrechungsfrei radeln – das geht bisher nur auf einer etwa 14 Kilometer
       langen Teilstrecke zwischen der Essener Universität und der Hochschule Ruhr
       West in Mülheim, die wiederum abschnittsweise zwischen 2015 und 2019
       fertiggestellt wurde.
       
       Dazu kommt ein knapp drei Kilometer langes Stück bei Gelsenkirchen und ein
       knapp ein Kilometer langer Teil im Bochumer Westpark – beide immerhin nach
       Radschnellweg-Standard, also mit asphaltierten, vier Meter breiten,
       getrennten und markierten Fahrbahnen, Beleuchtung, Winterdienst und einem
       zur Vermeidung von Konflikten abgetrennten Fußweg.
       
       Im angesagten Dortmunder Kreuzviertel wurde ein Kilometer bestehender
       Fahrbahnen dagegen zu „Fahrradstraßen“ umgelabelt. Sehr zum Ärger vieler
       Anwohner:innen, die um Parkplätze vor ihrer Haustür fürchteten, haben dort
       jetzt Radfahrende Priorität, wurden die Kreuzungsbereiche rot markiert.
       Allerdings: Am Ende dieser Teilstrecken endet die Fahrt allzu oft vor
       querstehenden Absperrungen – dahinter liegen entweder die alten,
       zugewachsenen Bahntrassen oder oft mehrspurige Ausfallstraßen, die
       abschreckend und gefährlich wirken.
       
       ## Vorzeigeprojekt wackelt
       
       Dabei galt der RS 1 einmal als Vorzeigeprojekt. Bis zu 400.000
       PKW-Kilometer, bis zu 16.000 Tonnen klimaschädlichen Kohlendioxids könnten
       jedes Jahr durch den Radschnellweg Ruhr eingespart werden, hieß es vor
       knapp zehn Jahren in einer Machbarkeitsstudie, die eine Fertigstellung bis
       2020 versprach.
       
       Schon ab 2013 wurden in NRW deshalb weitere Fahrradautobahnen [3][geplant]
       – etwa der Radschnellweg Westmünsterland zwischen Isselburg und Coesfeld,
       der RS3 zwischen Herford und Minden in Ostwestfalen oder der RS 6 zwischen
       Köln und Frechen im Rheinland. Ein zusammenhängendes Streckennetz wie bei
       den europäischen [4][Eurovelo-Radfernwegen] ergibt das zwar nicht – aber
       zusätzlich zu den 116 Kilometern im Ruhrgebiet sollten immerhin 174
       Kilometer weiterer höchst sicherer, komfortabler Radtrassen entstehen.
       
       Zehn Jahre später aber herrscht Ernüchterung: Fertiggestellt sind von
       diesen 174 Kilometern gerade einmal 1.500 Meter. Und gebaut wird aktuell an
       keinem einzigen Radschnellwegprojekt in NRW. Derzeit gebe es „keine
       Bautätigkeiten“, heißt es auf taz-Nachfrage vom Landesbetrieb Straßen NRW.
       
       ## Bürokratische Hindernisse
       
       Wer zu verstehen versucht, woran das liegt, trifft nicht nur bei RS1 im
       Ruhrgebiet auf ein ganzes Bündel von oft bürokratischen Hindernissen: Die
       Planungskompetenzen sind zersplittert. Innerorts sind die Kommunen,
       außerorts der Landesbetrieb Straßen.NRW zuständig – oder auch der
       Regionalverband Ruhr. Ihnen allen fehlen Ingenieur:innen, die sich wiederum
       mit viel Aufwand etwa mit Umwelt-, Wasser- und Denkmalschutzbehörden
       abstimmen müssen.
       
       Dazu kommt eine intensive Bürgerbeteiligung. Viele Anwohner:innen sind
       alles andere als begeistert, statt einer zugewucherten Bahntrasse plötzlich
       einen von tausenden täglich genutzten Radweg an ihrer Grundstücksgrenze
       vorzufinden. Außerdem bremst auch die Bahn, wo über die Reaktivierung
       stillgelegter Strecken nachgedacht wird – für neue Radwege stehen die dann
       nicht mehr zur Verfügung.
       
       Außerdem sei der Bau schlicht unterfinanziert, glaubt etwa der
       verkehrspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Gordan Dudas. Für
       neue und die Erhaltung bestehender Radwege standen 2023 in ganz NRW 43
       Millionen Euro zur Verfügung. Zum Vergleich: Allein für den Neubau der
       wegen Einsturzgefahr gesprengten Autobahnbrücke Rahmede auf der A45 bei
       Lüdenscheid sind 170 Millionen Euro vorgesehen. Die schwarz-grüne
       Landesregierung verschlafe die in ihrem eigenen Koalitionsvertrag
       versprochene „Verkehrswende“, kritisiert Dudas.
       
       Dabei fehlt es nicht an schwarz-grünen Willensbekundungen, den
       Radschnellwegbau beschleunigen zu wollen. „Da muss Druck drauf“, versprach
       der damalige CDU-Landesverkehrsminister und jetzige NRW-Ministerpräsident
       Hendrik Wüst schon im Sommer 2021 bei der Einweihung des Gelsenkirchener
       [5][Teilstücks] des Radschnellwegs Ruhr.
       
       „So, wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben“, ließ sich sein Nachfolger
       von den Grünen, Oliver Krischer, Ende 2022 [6][im] [7][Blog Ruhrbarone]
       zitieren. Und im März 2023 hieß es aus Krischers Düsseldorfer Umwelt- und
       Verkehrsministerium auf taz-Anfrage: Um endlich Ergebnisse zu sehen, gebe
       es bei Straßen NRW bereits mehr Stellen – und „organisatorische
       Anpassungen“.
       
       ## Planungsstellen im Aufbau
       
       Auch hausintern hat der Grüne offenbar Druck gemacht, um die
       jahrzehntelange Fixierung auf das Auto aufzubrechen – und seine
       Ministerialen zu einer „Neuordnung“ verdonnert. Im Verkehrsministerium gebe
       es jetzt eine neue „Gruppe Radverkehr“, ebenso eine „AG Radwege“, heißt es
       aus Düsseldorf.
       
       In der Zentrale des nachgeordneten Landesbetriebs Straßen NRW sei ein
       „Sachgebiet Radverkehr“ geschaffen worden, ebenso wie
       „Arbeitsgemeinschaften Radverkehr“ in „jeder der acht
       Regionalniederlassungen“. Außerdem solle ein „Netzwerk
       Radschnellverbindungen“ für einen „regelmäßigen Austausch aller an Planung
       und Bau Beteiligten“ sorgen – offenbar werkelten die bisher wenig
       koordiniert nebeneinander her.
       
       Vor Ort aber herrscht oft noch Enttäuschung. So befinde sich etwa der
       Radschnellweg Frechen – Köln auch zehn Jahre nach Veröffentlichung eines
       ersten Machbarkeitsberichts „in der Vor-Planung“, klagt die Frechener
       CDU-Bürgermeisterin Susanne Stupp – und mahnt, das Projekt dürfe „nicht in
       Vergessenheit geraten“. Bei der Demo des ADFC am Samstag will die
       Rathauschefin deshalb dabei sein – wie für viele überraschend auch Minister
       Krischer selbst.
       
       Kritik wird dem Grünen dabei auch nach den Umstrukturierungen in seinem
       Ministerium allerdings nicht erspart bleiben: „Die Fahrradinfrastruktur
       muss einfach schneller ausgebaut werden“, fordert die
       ADFC-Landesvorsitzende Rebecca Heinz – „Deshalb machen wir mit unseren
       Demos jetzt Druck von unten.“
       
       17 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://nrw.adfc.de/artikel/radschnellverbindungen-in-nrw
   DIR [2] /Radschnellweg-Ruhrgebiet/!5609926
   DIR [3] https://www.radschnellwege.nrw/
   DIR [4] https://de.eurovelo.com/
   DIR [5] /Radschnellweg-Ruhr-wird-nicht-fertig/!5812320
   DIR [6] https://www.ruhrbarone.de/radschnellweg-ruhr-so-wie-bisher-kann-es-nicht-weitergehen/215337
   DIR [7] https://www.ruhrbarone.de/radschnellweg-ruhr-so-wie-bisher-kann-es-nicht-weitergehen/215337
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Wyputta
       
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