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       # taz.de -- Debatte der Grünen um Migration: Zwischen Humanität und Ordnung
       
       > Die grüne Spitze bringt einen Dringlichkeitsantrag zur Migration für den
       > Parteitag ein. Die Debatte birgt Sprengkraft, ist aber unvermeidbar.
       
   IMG Bild: Wollen Migrationsthema offenbar schnell abräumen: Grüne Bundesvorstände Nouripour und Lang
       
       Berlin taz | Der Bundesvorstand der Grünen geht in die Offensive. Das
       sechsköpfige Gremium um die Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Omid
       Nouripour hat einen Dringlichkeitsantrag [1][zum Thema Migration]
       eingebracht. Auf dem Parteitag in zwei Wochen soll dieser verabschiedet
       werden. So schafft die Parteipitze Raum für eine Debatte, die sie ohnehin
       nicht verhindern kann – und die für die Grünen eine enorme Sprengkraft
       birgt.
       
       In einem Teil der Partei ist der Unmut darüber, welche Verschärfungen in
       der Geflüchtetenpolitik die Grünen in der Bundesregierung mittragen, groß.
       Dort hat gerade erst Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried
       Kretschmann für Aufregung gesorgt, weil er bei der
       Ministerpräsidentenkonferenz gemeinsam mit der Union das Thema
       Asylverfahren in Drittstaaten auf die Tagesordnung gesetzt hat. Am Ende
       landete dies als Prüfauftrag im Abschlusspapier, so ähnlich steht es
       bereits im Koalitionsvertrag.
       
       Das sei weder realistisch noch mit dem Grundrecht auf Asyl vereinbar,
       kritisierte Katharina Stolla, [2][Sprecherin der Grünen Jugend, in der
       taz]. Und der Europaabgeordnete Erik Marquardt sagte Kretschmann im
       Tagesspiegel „eine gefährliche Desorientierung“ nach. Ein anderer Teil der
       Grünen, darunter der Ministerpräsident, ist der Ansicht, dass eine solche
       Politik eben nötig sei, will man Regierungsfähigkeit unter Beweis stellen
       und vermeiden, zurück in die parteipolitische Nische abzurutschen.
       
       ## Bewährtes und Neues mit Sprengkraft
       
       Der Antrag mit dem Titel „Humanität und Ordnung: für eine anpackende,
       pragmatische und menschenrechtsbasierte Asyl- und Migrationspolitik“
       enthält für beide Seiten etwas. Der Bundesvorstand hat ihn am Donnerstag
       beschlossen und eingereicht, am Abend wurde er dann auf der Website der
       Grünen veröffentlicht. Für vieles, wovon in dem Antrag die Rede ist,
       [3][setzen sich die Grünen seit Langem ein]: eine bessere Unterstützung der
       Kommunen, mehr Integrationsmaßnahmen, eine schnellstmögliche
       Arbeitsaufnahme von Geflüchteten und beschleunigte Asylverfahren.
       
       Auch macht sich der Antrag für Seenotrettung, einen besseren
       Verteilmechanismus innerhalb der Europäischen Union und die Bekämpfung von
       Fluchtursachen stark. Aber er enthält auch Sätze wie: „Auch wenn wir
       Punkte, wie etwa die geplante Verlängerung des Grundleistungsbezugs des
       Asylbewerberleistungsgesetzes oder die Prüfung von Asylverfahren in
       Transit- und Drittländern kritisieren: Unsere Demokratie ist stark und muss
       dies durch ihre Lösungs- und Handlungsfähigkeit zeigen.“
       
       Das kann man so lesen, als müsste man dafür das Kritisierte leider
       hinnehmen. Später im Text wird das „in Großbritannien gescheiterte
       Ruanda-Modell“ abgelehnt. Viele der Grünen halten dies wie auch die
       Verlängerung des reduzierten Sozialleistungsbezugs für Asylsuchende
       [4][wegen rechtlicher Bedenken ohnehin für nicht umsetzbar.]
       
       Weiter heißt es in dem Antrag: „Wir wollen Kapazitäten ausbauen, die
       soziale Infrastruktur stärken und tragfähige Strukturen schaffen. Daneben
       müssen, wo die Kapazitäten erschöpft sind, durch rechtsstaatliche und
       menschenwürdige Maßnahmen auch die Zahlen sinken.“ Wie das genau gelingen
       soll, bleibt allerdings – wie so oft in der Debatte – offen. Genannt werden
       Rückführungen, die rechtsstaatlich durchgeführt werden müssten, auch dazu
       brauche es Migrationsabkommen, die es noch zu verhandeln gilt.
       
       Nur eine Politik, die Werte und Wirklichkeit verbinde, werde auf Dauer
       tragen, heißt es weiter in dem Papier. Darüber, was das konkret bedeutet,
       dürften die Meinungen bei den Grünen auseinandergehen.
       
       Der viertägige Parteitag kommt vom 23. bis 26. November in Karlsruhe
       zusammen. Neben der Debatte dieses Antrags und eines weiteren
       Dringlichkeitsantrags zur Solidarität mit Israel steht die Neuwahl von
       Bundesvorstand und Parteirat, die Verabschiedung des Programms und die
       Aufstellung der Kandidat*innen für die Europawahl auf dem Programm. Die
       Tagesordnung ist sehr eng gesteckt, da dürfte ein Ziel der Parteispitze
       sein, das schwierige Thema Migration gleich zu Beginn abzuräumen.
       
       10 Nov 2023
       
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