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       # taz.de -- Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs zurück: Songs, die nicht dumm machen
       
       > Die Hamburger Postrock-Band mit dem vielleicht längsten Namen überhaupt
       > geht auf Tour. Ihr erfolgreichstes Album erlebt dabei ein Revival.
       
   IMG Bild: Stuhlkreis Postrock-Ahoi: Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs
       
       Was ist Spielfreude? „Spielfreude ist“, schrieb Kolossale-Jugend-Sänger und
       Gitarrist Kristof Schreuf 1996 zur ersten Veröffentlichung der EP
       „Leichte Teile“ von Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs in der taz, [1][„wenn
       man sich seiner Sache so sicher sein kann, dass man sich im Arrangement
       oder beim musikalischen Albern etwas herausnimmt, um festzustellen, dass
       aus dem Albern beim Spielen etwas Morgenröteschönes entsteht“.] Zwei Jahre
       später legten Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs nach und veröffentlichten die
       EP „Kleiner Rock“. Beide erschienen ebenfalls 1998 zusammengefasst als
       Album.
       
       Das Label Tapete ist seit Längerem dabei, Musik, die man damals etwas doof
       unter dem Namen Hamburger Schule zusammengefasst hat,
       wiederzuveröffentlichen und damit auszugraben, aber auch zugleich zu
       historisieren. „Leichte Teile, Kleiner Rock“ ist jetzt erstmals auf Vinyl
       erhältlich, Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs gehen damit auf Tour und
       spielen die fast 30 Jahre alten Songs.
       
       Jene Spielfreude, von der der 2022 verstorbene Kristof Schreuf sprach,
       kriegt man unüberhörbar mit, zum Beispiel in dem einzigen Instrumental des
       Albums, „Andere Baustelle, ähnlicher Auftrag“. Wie da ein Blasinstrument,
       eventuell eine Tuba, auftaucht und das rhythmisch vertrackte
       Postrock-Gefrickel freundlich Richtung Katharsis auflöst. Davon ab aber
       äußert Freude auf „Leichte Teile, Kleiner Rock“ sich, anders als auf den
       Vorgängern „Absolut nicht frei“ und „Keinseier“ nicht im Vertrackten,
       sondern im direkt Drauflosgeschraddelten.
       
       ## Laut nachdenken
       
       [2][Das Vertrackte ist in die Songtexte von „Suppenwürfel“-Sänger Carsten
       Hellberg gerutscht.] Er singt erstmals durchgängig auf Deutsch, zuvor wurde
       Englisch oder eben einfach gar nicht gesungen. In den Texten wird, so ahnt
       man zumindest, vom Ende einer Beziehung erzählt. Obwohl, „erzählen“ trifft
       es nicht wirklich. Hellberg denkt in seinen Texten laut nach.
       
       „Und ich denke manchmal, dass wir uns so gut verstehen, liegt doch auch
       daran, dass wir uns im andern sehen“. So weit, so schön. Aber dann,
       Problem, Problem: „Und ich denke manchmal, dass wir auseinandergehen, liegt
       doch auch daran, dass wir uns so gut verstehen“. Alltag in einem Lied von
       zwei Menschen. In den Songtexten von „Leichte Teile, Kleiner Rock“ werden
       die Gefühle und Verhältnisse gewendet und reflektiert.
       
       Text und Musik treiben immer wieder buchstäblich nach vorne („Einmal vorne
       sein / einmal nur sich selbst überholen / Schauen, wer dann kommt“), aber
       das geht nie ohne Widerspruch, schon weil man sich beim Nachvornegehen ja
       immer selbst mitnimmt. „Wir sind so gestört wie verlässlich/Und Misstrauen
       macht uns so hässlich“.
       
       ## Kurzer Schreck in der Herzgegend
       
       Der Song heißt „Respekt vor dem eigenen Hau“ und gehört zu den Rohdiamanten
       auf „Leichte Teile, Kleiner Rock“, in denen sich zart leiernde
       Schraddelgitarren, Boller-Schlagzeug und warmer Bass besonders schön
       ineinanderdrehen. Hellbergs Gedankengebilde wirken derart abgeklärt, dass
       man immer dann, wenn einer mal mit Karacho Richtung Herzgegend ausschert,
       einen kleinen Schreck bekommt.
       
       „Ich hab so gehofft/Und ich dachte, ich wär bereit /Doch was jetzt vor mir
       liegt/Ist meine eigene Einsamkeit“, heißt es in „Von Haus aus allein“, das
       Lied endet in einem Verzweiflungsmonolog („So, ich verlasse jetzt mal die
       klassische Liederform, weil von wegen Abstraktion, das ist doch wohl zum
       Aus-der-Haut-Fahren, dass man sich immer so kreuzblöd anstellt“).
       
       Die Gleichzeitigkeit von Aufwühlung und Reflexivität erzeugt Spannung, aber
       keine Verspanntheit und ist auch für die damaligen Hamburger Verhältnisse
       sehr besonders. Vielleicht ist es auch das, [3][was Kristof Schreuf, der
       sich auf dieser Baustelle sehr gut ausgekannt haben wird], meinte, wenn er
       schreibt, dass die 'Suppenwürfel „rockende Rockmusik“ einsetzen würden,
       aber „ohne die dazugehörigen hässlich machenden Haltungen“.
       
       Songs, die nicht dumm machen, die nervtötende Schlauberger-Position aber
       auch nicht haben wollen. Weil der Auftrag auf dieser Baustelle nicht ist,
       besonders clever zu erscheinen, sondern etwas loszuwerden. „Reiß das Maul
       auf / und beende diese Phase“.
       
       Diese Musik klingt so, dass man sich schon fragt, wie nach diesem Album
       Schluss sein konnte. Die Band spielt, als hätte sie sich gerade eben
       versehentlich neu erfunden, Spielfreude, Morgenröte. So euphorisch wie die
       Gitarren im Stück „Scheint gut“ klangen Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs
       sonst nie. Von da aus hätte es überall hingehen können.
       
       Aber das Finale wartet lakonisch am Schluss des Albums, „Anfang im Ende“,
       ein Stück, das die zehn Jahre davor betrachtet und darüber sinniert, was
       man eigentlich währenddessen gemacht hat. „Riss das Maul auf und fing an
       mich zu buchstabieren / Schrieb ins Weißbuch das Schwarzzeug“ und so
       weiter.
       
       „Leichte Teile, Kleiner Rock“ bleibt eines der besten Alben aus dem an
       besten Alben nicht armen Hamburg der neunziger Jahre.
       
       10 Nov 2023
       
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