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       # taz.de -- Ärger um Hannovers Fahrradstraßen: Niemand will weichen
       
       > Nach einem Gerichtsurteil hat die Stadt alle Fahrradstraßen geprüft und
       > nachgebessert. Nun gibt's Ärger bei Anwohnern, die um Parkplätze
       > fürchten.
       
   IMG Bild: Wer auf und neben der Fahrradstraße wie viel Platz braucht, darüber herrscht in Hannover Uneinigkeit
       
       Hannover taz | Es war ein einigermaßen wegweisendes Urteil, dass das
       Verwaltungsgericht Hannover da gesprochen hat. Gleich zweimal, 2019 [1][und
       2021], musste sich das Gericht mit der zur Fahrradstraße deklarierten
       Kleefelder Straße im hannoverschen Zoo-Viertel befassen. Geklagt hatte
       jeweils ein Anwohner, selbst pensionierter Richter, der mit der Anordnung
       einer Fahrradstraße vor seiner Haustür nicht einverstanden war. Tatsächlich
       bekam er erst einmal Recht: Die Straße, urteilte das Gericht, ist viel zu
       schmal und weil die Stadt gleichzeitig Kraftfahrzeugverkehr in beide
       Richtungen zuließ, seien Radfahrer eher stärker gefährdet als irgendwie
       bevorrechtigt.
       
       Das hatte sich unter anderem in einem [2][spektakulären Twittervideo]
       gezeigt, in dem sich eine Radfahrerin und ein LKW-Fahrer 40 Minuten lang
       gegenüberstanden, weil keiner weichen wollte – bis die Polizei eingriff und
       die Radfahrerin zum Ausweichen nötigte.
       
       Die Freude über den Erfolg vor Gericht dürfte sich beim Kläger allerdings
       in Grenzen gehalten haben. Denn die Stadt reagierte nicht etwa mit einer
       Aufhebung der Fahrradstraße – sondern mit weiteren Einschränkungen für den
       Autoverkehr. Unter anderem wurde [3][das Parken am Straßenrand untersagt]
       und der Durchgangsverkehr wurde unterbunden.
       
       „Wo [4][Fahrradstraße] draufsteht, muss auch Fahrradstraße drin sein“,
       fasst Tiefbauamtschef Andreas Bode das Urteil zusammen. Es reicht nicht,
       ein paar Schilder aufzuhängen, sondern der Radverkehr muss tatsächlich
       fühlbare, messbare Vorteile haben. Bodes Fachbereich stand nun vor der
       Aufgabe, sämtliche Fahrradstraßen der Stadt noch einmal überprüfen zu
       müssen. Das wiederum sorgt jetzt für viel Ärger, vor allem in Hannovers
       Südstadt. Hier verlaufen die meisten Fahrradstraßen der Stadt: acht von
       insgesamt 23. Und, so stellte die Stadt bei ihrer Überprüfung fest, die
       haben an vielen Stellen Nachbesserungsbedarf, wenn man die neuen
       Gütekriterien, die man aus dem Gerichtsurteil destilliert hat, zugrunde
       legt.
       
       ## Viel Nachbesserungsbedarf
       
       Die sehen zum Beispiel eine Fahrbahnbreite von mindestens vier Metern vor –
       damit Radfahrer auch dann noch nebeneinander fahren können, wenn
       Gegenverkehr kommt. Parken Autos am Straßenrand, muss noch ein
       Sicherheitsabstand dazukommen, um zu verhindern, dass es zu Unfällen mit
       plötzlich geöffneten Autotüren kommt.
       
       Der Schmerzpunkt ist immer derselbe: Wo Parkplätze wegfallen, regt sich
       Protest – bei den Anwohnern und infolgedessen auch bei etlichen
       Bezirksratsmitgliedern. Im Bezirksrat Südstadt-Bult sehen sich Verwaltung
       und Grüne nun einer Kritiker-Phalanx aus CDU, FDP und SPD gegenüber. Obwohl
       hier – wie in der Stadt insgesamt – eigentlich Grüne und SPD
       zusammenarbeiten. Das wird vor allem deshalb aufmerksam registriert, weil
       die SPD auch auf Stadtebene gerade gegen das Verkehrskonzept des grünen
       Oberbürgermeisters Belit Onay schießt.
       
       Doch in der Südstadt geht der Riss nicht nur entlang der Parteigrenzen –
       sondern auch quer durch die Einwohnerschaft. Wenn sich in der einen
       turbulenten Bezirksratssitzung vor allem wütende Autofahrer zu Wort melden,
       mobilisiert zur nächsten die – ebenfalls nicht kleine – Fahrradfahrerlobby,
       die darauf pocht, mit der lang angekündigten Verkehrswende mal Ernst zu
       machen.
       
       Das hängt auch mit der sehr speziellen Struktur dieses Stadtteils zusammen.
       Die Südstadt ist eine der beliebtesten Wohngegenden Hannovers: sehr
       zentral, aber trotzdem idyllisch gelegen, zwischen Maschsee und dem
       Stadtwald Eilenriede, dicht bebaut und dicht besiedelt, eher bürgerlich,
       kinderreich und voller Grünen-Wähler. Mit einem S-Bahnhof, sieben
       U-Bahn-Linien und drei Buslinien ist der Stadtteil eigentlich optimal
       erschlossen, was den öffentlichen Nahverkehr angeht. Gleichzeitig ist bei
       den PKW der Parkdruck enorm, weil zahlreiche Kultureinrichtungen,
       Krankenhäuser, Firmen und andere Institutionen Autoverkehr von außen
       anziehen.
       
       ## Enormer Parkdruck
       
       Die Stadt hat hier gerade erst – nach langem Streit – neue
       Anwohnerparkzonen ausgewiesen. Man könne doch nicht, heißt es aus den
       Reihen der CDU und SPD, den Leuten erst teure Anwohnerparkberechtigungen
       aufdrängen und dann Parkplätze streichen.
       
       Doch, doch, erwidert die Verwaltung nüchtern. Es gebe ja immer noch circa
       1.700 Stellplätze für 1.900 berechtigte Anwohner. Das sei sogar ein
       vergleichsweise gutes Verhältnis, möglich wäre es nach aktuellem Recht,
       doppelt so viele Anwohnerparkausweise zu verkaufen wie Parkplätze vorhanden
       sind.
       
       Und während die Verwaltung versucht, ihre Pläne als weitgehend
       alternativlos darzustellen, lassen die Gegner des Fahrradstraßenausbaus
       nichts unversucht, um die Grundlage anzuzweifeln. Das Urteil sei doch nur
       in der ersten Instanz gefallen und beziehe sich auch nur auf einen
       Einzelfall – warum die Stadt denn nicht vor das Oberverwaltungsgericht
       gezogen sei, will ein CDU-Abgeordneter wissen – und vermutet den
       ideologisch verblendeten grünen OB dahinter.
       
       Ob diese vier Meter nun wirklich nötig seien, nur damit Radfahrer
       schwatzend nebeneinander herfahren können, will dagegen eine
       SPD-Abgeordnete wissen.
       
       Tiefbauamtsleiter Andreas Bode und der Leiter der Straßenverkehrsbehörde,
       Carsten Siegert, lassen sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Das ist
       alles sehr sorgfältig geprüft worden, sagen sie.
       
       Und der Bezirksrat könne sowieso nur hopp oder top sagen. Er kann
       Fahrradstraßen einrichten oder aufheben – aber nicht je nach Verkehrslage
       neu bestimmen, wie die Fahrradstraße nun an diesem Ort auszusehen habe.
       
       ## Die Debatte ist erst der Auftakt
       
       Diese Friss-oder-stirb-Logik kommt bei Kommunalpolitikern aber naturgemäß
       nicht gut an. Man könnte doch sehr wohl einzelne Maßnahmen zur Absicherung
       des Fahrradverkehrs beschließen, bohrt die SPD-Fraktionsvorsitzende Petra
       Adolph nach. Dann würde man das Ganze eben nicht mehr Fahrradstraße nennen,
       aber man könnte ja trotzdem zum Beispiel Durchgangsverkehre einschränken
       oder Sperrflächen für Radfahrer an Kreuzungen schaffen.
       
       Das wiederum stößt den Grünen sauer auf, die gern darauf verweisen, dass
       man im Koalitionsvertrag eigentlich die Schaffung zusätzlicher
       Fahrradstraßen vereinbart hatte und keine Abschaffung.
       
       SPD und CDU wollen außerdem eine stärkere Bürgerbeteiligung bei der
       Entscheidungsfindung, die Verwaltung weist dagegen daraufhin, dass es hier
       nicht nur um die Interessen der unmittelbaren Anwohner geht. „Dann müssen
       sie auch die fragen, die diese Straßen nutzen und nicht nur die, die dort
       wohnen“, mahnt Bode.
       
       Entschieden ist dieser Streit noch lange nicht, die Debatte in der
       Novembersitzung des Bezirksrates war erst der Auftakt. Aufmerksam
       beobachtet wird sie allerdings auch weit über diesen kleinen, feinen
       Stadtteil hinaus. Denn es gibt entweder am Ende höhere Standards für
       Fahrradstraßen – oder eine Rolle rückwärts und insgesamt weniger
       Fahrradstraßen.
       
       17 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Keine-Ausnahme-fuer-Autos/!5789989/
   DIR [2] https://twitter.com/LaSuze7/status/1063328946639593472
   DIR [3] /Fahrradfreundliche-Stadt/!5827259
   DIR [4] /Problemzone-Fahrradstrasse/!5961687
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nadine Conti
       
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