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       # taz.de -- Die Wahrheit: Schanflek
       
       > Ist „Die beiden Frankfurter und wöchentlich die Zeit“ nicht korrekt? In
       > Frankfurt nicht: Da gibt es noch die „Frankfurter Neue Presse“.
       
   IMG Bild: Verwurstete Dame von der IFFA, 2007
       
       Orrr, jetzt schon wieder der Hauptbahnhof – ich dreh noch mal durch!
       Durchdrehen tut allerdings wohl auch die Frankfurter Neue Presse, die
       gerade wieder ihren schrecklichen Artikel „Am Hauptbahnhof fühlen sich
       Frankfurterinnen und Frankfurter am unwohlsten“ aus dem späten Juni in den
       nächsten Umlauf geschickt hat.
       
       Neben der Rundschau und der Allgemeinen Zeitung gibt es in Frankfurt
       nämlich noch die Neue Presse als etwas dümmere Lokalzeitung für die etwas
       beschränkteren kleinen Leute. Sie hat ihren eigenen Weg aus dem
       Zeitungssterben gefunden: Im sozialen Medium Facebook, wo ihr knapp 70.000
       Leute folgen, verlinkt sie ihre beliebtesten, nieder- und klickträchtigsten
       Artikel immer wieder von Neuem, jedes Mal frisch anmoderiert, und verleiht
       ihnen auf diese Weise ewiges Leben.
       
       „Ihr habt abgestimmt: die unangenehmsten Orte in Frankfurt“, heißt der
       Artikel dort. Angeteasert wird er professionell mit fünf Worten, die krass
       neugierig machen: „‚Eine Schande‘, schreibt eine Leserin.“ Und das ist es
       wirklich und wahrhaftig, denn der superlangweilige Text auf der eigenen
       Homepage beruht lediglich auf einer Onlineumfrage, bei der in 376
       Antworten nicht mehr herausgekommen ist, als dass sich die
       Frankfurter:innen am meisten vor ihrem Hauptbahnhof ängstigen und vor
       auswärtigem Besuch sehr für ihn schämen.
       
       Im Text befinden sich außerdem Reizwörter wie „Gewaltdelikte“, „Lost
       Places“, „zwielichtige Gestalten“ und „Polizeipräsenz“. Der eigentliche
       Artikel ist jedoch unwichtig, denn der FNP geht es nur um eines: saftige
       Kommentare und Klicks drüben bei Facebook.
       
       Was genau jetzt im dortigen Kommentarbereich an raunenden Andeutungen über
       Drogenabhängige und weitere Minderheiten steht, muss man gleichfalls nicht
       wissen. Die Leute überbieten sich mit Gruselgeschichten, hinter denen, man
       ahnt es, vor allem jede Menge Angststörungen stecken. Dreck,
       Geruchsbelästigung, Urin, immer wieder die Forderung nach polizeilichem
       Aufräumen und sofortigen Ausweisungen, zwischendurch aber auch mal ein
       lapidares „Schanflek“. Und selbstverständlich die Scham, dass sich
       Frankfurt „gefühlt aufgegeben“ habe bzw.: „Die Zustände im Frankfurter
       Bahnhofsviertel und in der B-Ebene am Hbf. sind unbeschreiblich. So etwas
       wäre in keinem anderen Land der Welt möglich“, wie ein Martin schreibt. Und
       ein David sekundiert: „Ganz Deutschland ist eine Schande für die Welt!“
       Wenn er wüsste, wie recht er hat.
       
       Ich persönlich glaube, dass sich die Frankfurter:innen deshalb so vor
       ihrem Hauptbahnhof fürchten, weil er auch für jeden Außenstehenden die
       Fassade zusammenkrachen lässt, dass man sich in einer halbwegs intakten
       Stadt mit annehmbaren Sozialausgleich befindet. Wichtiger aber: Er erinnert
       die Bewohner:innen der Stadt schmerzhaft an die jederzeit
       offenstehende, vernachlässigte Möglichkeit, die Stadt ein für alle Mal zu
       verlassen.
       
       2 Nov 2023
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Mark-Stefan Tietze
       
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