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       # taz.de -- Ernährung und Genuss in Bayern: Blasse Würste und Stierhoden
       
       > Wer nach Bayern kommt, ist schnell vollständig von Fleisch- und
       > Wurstwaren umgeben – warum nur? Eine Abrechnung mit der bayerischen
       > Gastronomie.
       
   IMG Bild: Blasse Würstchen werden gezuzelt – und sind Teil der Fleischberge
       
       Bayern könnte so schön sein – Bamberg, Tegernsee, Schloss Neuschwanstein –,
       wenn da nicht das Essen wäre. Das besteht vor allem aus Fleisch: Weißwurst,
       Leberkäse, Schweinsbraten, Schweinshaxe, das ganze Programm bis hin zu
       Innereien.
       
       Nichts gegen Fleisch, auch nichts gegen die bayerische Art, es
       zuzubereiten: erst durch den Fleischwolf drehen, dann zusammenpressen,
       danach kochen oder braten. Auch nichts gegen die bayerische Fülle, die
       Fleischberge ragen nicht selten über den Tellerrand hinaus.
       
       Als Willkommensdinner ist das für nichtbayerische Carnivoren durchaus eine
       geschätzte Alternative zur Krossener Straße in Berlin-Friedrichshain, in
       der vegane asiatische Restaurants miteinander konkurrieren. Endlich
       hemmungslos dem Fleisch frönen, ohne dass jemand am Nachbartisch
       verächtlich von seiner [1][Salatbowl] rüberschaut und seiner Nachbarin
       zuflüstert: „In zwei Jahren Diabetes, in fünf Jahren sterben die an
       Darmkrebs. Und jetzt schon der ökologische Fußabdruck …“
       
       Aber nach zwei Tagen in Bayern ist Schluss mit lustig, dann kann sich einer
       schon beim Anblick von blassen Würsten, Kälberfüßen und Stierhoden der
       Magen umdrehen. Da geht nichts mehr mit der Konsistenz gepresster
       Fleischmasse. Das beliebteste Fastfood in München ist ein
       [2][Leberkäsebatzen in einem Brötchen], das die Bayer:innen liebevoll
       Leberkassemme nennen. Auf der Suche nach etwas Vegetarischem hat man die
       Wahl vor allem zwischen Obazda und Knödel. Die Bayern bilden sich sonst was
       auf ihre Knödeldiversität ein: Semmelknödel, Breznknödel, Kartoffelknödel,
       Serviettenknödel, Speckknödel. Aber auch so ein Knödel folgt dem Prinzip:
       alles zusammen in die Rührmaschine, knautschen, ab in den Topf.
       
       ## Bedienungen mit dem Charme eines Pitbulls
       
       Nichtbayer:innen haben es in Bayern nicht nur auf der Suche nach
       Nichtfleischlischem schwer, sie müssen in den Restaurants – sorry,
       Wirtshäusern – zudem damit klarkommen, mit dem Charme eines Pitbulls
       bedient zu werden. Einfach weil man nicht aus Bayern kommt.
       
       Das bayerische Bedienpersonal ist zwar auch bei Einheimischen bekannt für
       seine Unfreundlichkeit und Hektik, mit der die Fleischplatten, zack, zack,
       auf die Tische geknallt werden. Kein „Bitteschön“, kein „Lassen Sie es sich
       schmecken“, nur ein gebelltes „An Guad’n“. Wenn man ihnen [3][mit echt
       bayerischem Dialekt] begegnet, kann es sein, dass sie diese Mühe mit einem
       dezenten Kopfnicken honorieren. Einmal genickt, ist genug gesagt.
       
       Auf keinen Fall darf man den Fehler begehen, auf Bayerisch zu bestellen,
       wenn man es nicht beherrscht. Da werden die Kellner:innen zwieda und
       grantig, wie die Bayer:innen schlechte Laune bezeichnen. Den Versuch
       werten sie als Anschleimen, kommt gar nicht gut an. Die Preißn, also alle,
       die aus Berlin und Brandenburg kommen, können sie noch weniger ausstehen.
       Eigentlich können sie niemanden außerhalb Bayerns leiden.
       Nichtbayer:innen sollten besser mit bayerischen Freund:innen essen
       gehen und diese auch bestellen lassen. Aber gegen die Fleischberge können
       die auch nichts tun.
       
       1 Oct 2023
       
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