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       # taz.de -- Vorwurf gegen „Hamburger Abendblatt“: Gute Nachrichten für den Sponsor
       
       > Das „Hamburger Abendblatt“ lässt sich die Beleuchtung des TV-Turms in
       > Firmenfarben sponsern. Zugleich gibt es einen großen Artikel über den
       > Geldgeber.
       
   IMG Bild: Musste schon für manche Projektion herhalten: Hamburger Fernsehturm
       
       Hamburg taz | Das Geld ist knapp bei den Zeitungshäusern. Um die stark
       eingebrochenen Erlöse zu kompensieren, muss das Management kreativ sein.
       Das Hamburger Abendblatt lässt daher sich zur Kostendämpfung eine
       Jubiläumsaktion sponsern. Zufall oder nicht – gleich neben dem Artikel dazu
       steht ein großer Bericht über den Sponsor. 1.000 Arbeitsplätze wolle er
       schaffen, steht auf der Internetseite.
       
       Das Abendblatt als wichtigste Hamburger Lokalzeitung hat Axel Springer 1948
       gegründet und damit den Grundstein seines Medienimperiums gelegt. 2014
       verkaufte der Springer-Verlag das Blatt an die Funke-Mediengruppe. Im
       Jubiläumsjahr erscheint eine Artikelserie zu den wichtigsten Ereignissen
       der vergangenen 75 Jahre. Als Extra für die Leser hat sich Marketingchefin
       Vivian Hecker [1][einen Besuch des Fernsehturms – im Volksmund Telemichel –
       ausgedacht].
       
       400 Losgewinner dürfen noch bis Mittwoch mit dem Aufzug zur – eigentlich
       seit einigen Jahren geschlossenen – Aussichtsplattform in rund 130 Metern
       Höhe fahren. Für viele ältere Hamburger verbinden sich Erinnerungen damit,
       im Restaurant der gemächlich sich drehenden Plattform zu sitzen und den
       Blick über die Stadt schweifen zu lassen.
       
       Um das Ereignis in der ganzen Stadt sichtbar zu machen, wird die Plattform
       sowie die darüber liegende in diesen Tagen angestrahlt: Nachts erscheinen
       sie als zwei grüne Ringe. Die Beleuchtung lässt sich das Abendblatt von der
       städtischen Messegesellschaft Hamburg Messe und Kongress sowie der Firma
       Eins-Komma-Fünf-Grad sponsern.
       
       ## Unternehmen will Gebäude klimaneutral machen
       
       Zum Start der Aktion am Montag erschien in der Zeitung ein großer Artikel
       über Eins-Komma-Fünf-Grad. 500.000 Gebäude pro Jahr wolle das 2021
       gegründete Hamburger Unternehmen bis Ende des Jahrzehnts auf klimaneutrale
       Strom- und Wärmeerzeugung sowie Mobilität umrüsten. Dafür biete es ein
       Paket aus [2][Solarmodulen, Wärmepumpe, Stromspeicher und
       E-Auto-Ladestation] an – alles miteinander vernetzt und von einer selbst
       entwickelten Energiemanagement-Software gesteuert. Demnächst wolle die
       Firma ihre Solarmodule sogar selbst herstellen.
       
       Dieses Engagement für den Klimaschutz ist natürlich aller Ehren wert, wäre
       da nicht das unglückliche Zusammenfallen der Aktion mit der
       Veröffentlichung des Artikels. Dass das eine mit dem anderen zu tun haben
       könnte, drängt sich geradezu auf.
       
       Orientierung hierzu bietet der [3][Pressekodex] des [4][Deutschen
       Presserats]. Das ist das Organ der freiwilligen Selbstkontrolle der
       Printmedien und deren Online-Auftritte in Deutschland. „Die Verantwortung
       der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle
       Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen
       Dritter beeinflusst werden“, heißt es in Ziffer Sieben. Auf eine klare
       Trennung zwischen redaktionellem Text und Werbung sei zu achten.
       
       Ein Verdacht auf Schleichwerbung liege dann nahe, „wenn die
       Veröffentlichung über ein begründetes öffentliches Interesse oder das
       Informationsinteresse der Leser hinausgeht oder von dritter Seite bezahlt
       bzw. durch geldwerte Vorteile belohnt wird“.
       
       ## Verlag weist Vorwurf zurück
       
       Präzisiert wird das im Leitfaden zum Pressekodex: „Eine finanzielle
       Gegenleistung stellt einen eindeutigen Indikator für vorliegende
       Schleichwerbung dar“, heißt es darin. Gegen Schleichwerbung spricht der
       Nachrichtenwert eines Artikels. Die Berichterstattung müsse Informationen
       liefern, die von besonderer Qualität und dadurch von öffentlichem Interesse
       seien. Das könnte der Fall sein, wenn eine Firma ein Produkt als einzige
       anbietet oder etwas ganz Neues tut.
       
       Die Funke-Mediengruppe weist den Vorwurf der Schleichwerbung entschieden
       zurück. „Es ist ein – wenn auch ob der Wirkung unglücklicher – Zufall“,
       teilt die Pressestelle mit. Zwischen den beteiligten Ressorts habe es
       keinerlei Absprachen gegeben, geschweige denn einen Einfluss des
       Unternehmens. Es handle sich um einen Zufall, „getrieben allein von der
       Nachricht, dass 1 Komma 5 – ein Unternehmen, über das die Redaktion des
       Hamburger Abendblattes wie auch über andere lokale Unternehmen regelmäßig
       berichtet – 1.000 neue Arbeitsplätze schafft“.
       
       Tatsächlich hat das Abendblatt in einer Vielzahl von Artikeln über das
       Start-up-Unternehmen berichtet, nachdem es 2022 gut 200 Millionen Euro an
       Wagniskapital eingesammelt hatte. Die Hoffnung dahinter ist, dass hier ein
       „Einhorn“ der Energiewende entstehen könnte, ein Tech-Unternehmen mit
       gewaltigem Wachstum nach dem Vorbild der Amerikaner – und das mit dem
       Vorhaben, Einfamilienhäuser mittels standardisierter Prozesse klimaneutral
       zu machen.
       
       Den Hamburger Heinrich-Hertz-Turm grün anzustrahlen, passt insofern gut zum
       Unternehmen und natürlich auch zum Hamburger Abendblatt, das im grünen
       Gewande auftritt.
       
       10 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Gezerre-um-Fernsehturm/!5103817
   DIR [2] /Solarfoerderprogramm-fuer-Hausbesitzer/!5959939
   DIR [3] https://www.presserat.de/presserat-schleichwerbung.html?file=files/presserat/dokumente/download/Leitfaden%20Ziffer%207.pdf&cid=939
   DIR [4] /Presserat-ruegt-taz/!5925080
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
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