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       # taz.de -- Film „Music for Black Pigeons“: Für schwarze Tauben spielen
       
       > Der Dokumentarfilm „Music for Black Pigeons“ porträtiert den dänischen
       > Gitarristen Jakob Bro. Zugleich ist er Meditation über das Musikmachen.
       
   IMG Bild: Ein Mitstreiter von Jakob Bro: der Gitarrist Bill Frisell im Film „Music for Black Pigeons“
       
       Man könnte diesen Film mit ein paar Schlagworten sicher sehr leicht von
       seinem potenziellen Publikum fernhalten: ein Musikfilm über Jazzmusiker im
       Studio, die Platten aufnehmen. Auf „Music for Black Pigeons“ trifft das
       alles zu, doch dem Film wird es keinesfalls gerecht. Was die beiden
       dänischen Regisseure Jørgen Leth und Andreas Koefoed in anderthalb Stunden
       aus ihrer 14 Jahre währenden Langzeitbeobachtung mit scheinbar leichter
       Hand geschnitten haben, ist vieles auf einmal und geeignet, auch
       Nicht-Jazzfans zu erreichen.
       
       Vordergründig zeichnet „Music for Black Pigeons“ ein Porträt des
       [1][dänischen Gitarristen Jakob Bro] und seiner Mitstreiter, darunter
       einige der prominentesten Vertreter des US-amerikanischen und des
       europäischen Jazz. Jakob Bro mag ein außerhalb von Jazzkreisen nicht
       unbedingt geläufiger Name sein, er hat mit seiner leicht heruntergedimmten,
       in vorsichtigem Tempo ihre Räume erschließenden
       Improvisations-Kompositionsmusik international allerdings ein großes
       Renommee unter Kollegen.
       
       So zeigen die ersten Bilder den Saxofonisten Lee Konitz, einen der großen
       Innovatoren schon aus Cool-Jazz-Tagen. Hier ist der gealterte Konitz bei
       sich zu Hause in New York und spricht über musikalische Eingaben. „Ich
       fühle mich inspiriert“, sagt er. „Jedes Mal, wenn ich etwas auf dem Saxofon
       spiele, denke ich mir: Wo kommt das jetzt her?“ Sagt’s und bläst ein paar
       Töne, um dann abzubrechen und zu fluchen: „Meine Lippe ist wund, verdammt!“
       
       ## Die „Big Three“
       
       Einen ähnlich persönlichen Blick wählen die Regisseure auch für die anderen
       Musiker, die sie nach und nach zusammenführen und dorthin bringen, wo
       buchstäblich die Musik spielt. So folgt man Lee Konitz mit dem Gitarristen
       Bill Frisell, einem der sogenannten „Big Three“, im Taxi auf dem Weg in das
       New Yorker Avatar Studio. Beide sprechen mit Anerkennung von dem deutlich
       jüngeren Künstler, der sie dorthin gebeten hat: Bro ist 1978 geboren, die
       Session aus dem Jahr 2012.
       
       Im Studio stellt Frisell erst einmal einen Plüsch-Elch auf seinen
       Gitarrenverstärker, während die anderen Konitz Komplimente für seinen bunt
       gestreiften Pullover machen. Was er damit kommentiert, dass er diesen wegen
       seiner vielen Mottenlöcher lange im Schrank habe liegen lassen, bis er ihn
       zu einem Schneider gebracht habe, der alle Löcher stopfen konnte.
       
       Bevor es zu anekdotisch gemütlich wird, geht es im Film grundsätzlich
       weiter. Jakob Bro äußert sich vor der Kamera zu seinem Musikverständnis: Er
       suche nicht nach Perfektion, sondern nach der richtigen Stimmung. Bro, der
       die Virtuosität in seinem Spiel nicht an erste Stelle setzt, findet
       vielmehr, dass in der ersten Aufnahme eines Stücks, dem ersten „Take“, wenn
       die Musiker vielleicht noch nicht exakt aufeinander abgestimmt sind, alles
       womöglich ein wenig „rostig“ klingt, die Stimmung jedoch am stärksten ist.
       
       Das Neue scheint eines der Dinge zu sein, durch die Bro und seine Kollegen
       verbunden sind. Neu nicht im Sinne einer avantgardistisch geprägten
       Klangsprache, bei Bro geht es meistens überwiegend harmonisch und ruhig
       introspektiv zu, sondern neu im Sinn einer Entdeckung.
       
       Jørgen Leth und Andreas Koefoed befragen ihre Protagonisten denn auch ganz
       explizit zu ihrem Musikverständnis. Optisch von den übrigen Szenen des
       Films abgesetzt, sieht man die Künstler dabei über den Film verteilt immer
       wieder frontal vor neutralem Hintergrund, wie sie sich vorstellen und dann
       über Musik sprechen.
       
       ## Jeden Tag von Neuem beginnen
       
       Bill Frisell zum Beispiel sagt, dass er sein ganzes Leben lang Musik
       gemacht hat. Doch jeden Tag, wenn er sein Instrument in die Hand nimmt,
       fühle es sich an, als würde er von vorn beginnen. Ähnlich äußert sich,
       ebenfalls vor einer diskreten Wand, der Bassist Thomas Morgan. Er übe
       eigentlich nicht auf seinem Instrument. Nicht allein, weil er auf Tour ohne
       Kontrabass reise, sondern weil er beim Üben das Gefühl habe, dass dadurch
       Gewohnheiten entstehen. Was er zu vermeiden versuche.
       
       Thomas Morgan demonstriert in dieser Szene fast beklemmend, wie heftig es
       sein kann, um Worte für das eigene Tun zu ringen. Gefragt, ob er sich beim
       Spielen manchmal in der Musik verliere, beginnt er zu sprechen, bricht ab,
       macht eine lange Pause, sagt: „Ich bin nicht sicher.“ Um nach einer
       weiteren längeren Pause die verschiedenen Aspekte des Musikmachens
       herauszuarbeiten: Man kann sich darin verlieren, man kann sich damit aber
       genauso gut auf eine Sache konzentrieren. Und schließlich auch „Probleme
       lösen“.
       
       Zuvor hat man ihn bei seiner Morgenroutine beobachten können. Aufstehen,
       den Computer anstellen, Musikprogramme auswählen, dazu Yoga machen. Dann
       ins Bad und Frühstück, ständig mit Musik als Begleitung, von Klassik bis
       Neil Young.
       
       Eines der offensten Bekenntnisse zur Musik kommt gegen Ende des Films vom
       Schlagzeuger Andrew Cyrille. Er mache Musik, weil er Musik „liebe“. Und den
       Leuten, mit denen er spiele, gehe es ebenso. Musik, fährt er fort, sei eine
       Kommunikation ohne Worte, rein durch Sound.
       
       ## Weniger lehrreich, mehr Leidenschaft
       
       Wobei der Film mit diesen Selbstverständigungsmomenten weniger darauf aus
       ist, lehrreich zu sein, als vielmehr die Leidenschaft für Musik aus der
       Perspektive derer, die sie machen, zu zeigen. Die vielen Szenen mit
       Studiosessions, Konzerten und den Musikern beim Spielen daheim erfüllen
       exakt diesen Zweck. Nebenbei feiern sie die Vorzüge von Bros Musik und der
       seiner Partner.
       
       Zu denen gehört auch der Musikproduzent Manfred Eicher, Chef des Labels
       ECM, auf dem Jakob Bro seit einigen Jahren hauptsächlich veröffentlicht.
       Der klare, leicht hallige Sound, den Eichinger mit seinem Label etabliert
       hat, passt gut zu Bros Ansatz. Gleichermaßen gilt das für das Tempo. Eicher
       sagt dazu mit starkem deutschen Akzent, wie wichtig Pausen sind, dass sie
       aber sowohl sehr subjektiv als auch schwierig zu erklären seien. Was er mit
       dem schönen Satz zusammenfasst: „Eine Pause ist eine Pause, die man macht.“
       
       Wie überhaupt der Sinn für Humor der Beteiligten nicht zu kurz kommt. Die
       japanische Vibrafonistin Midori Takada etwa, mit der Bro im vergangenen
       Jahr in Berlin gemeinsam auftrat, stellt sich vor mit den Worten: „Ich bin
       Freiberuflerin.“ Dann beginnt sie zu lachen: „Ich habe ‚Freiberuflerin‘
       gesagt. Weil ich Angst vor dem Finanzamt hatte.“
       
       ## Erinnerung an vier Musiker
       
       Bei aller Hinwendung zur Gegenwart des Musizierens haben Leth und Koefoed
       dem Film noch eine weitere Ebene verliehen, die sich unter anderem der
       langen Entstehungszeit verdankt. Sie widmen ihn der Erinnerung an gleich
       vier Musiker, mit denen Bro zusammengearbeitet hat. Da ist der Schlagzeuger
       Paul Motian, der 2011 starb und nur in wenigen Szenen kurz zu sehen ist.
       
       Im Film erwähnt wird auch der Trompeter Tomasz Stańko, dessen Tod fünf
       Jahre zurückliegt. Schließlich starben 2020 der norwegische Schlagzeuger
       Jon Christensen, mit dem Bro einige Alben einspielte, und Lee Konitz, der
       einer Covid-Infektion erlag. Bro besucht kurz vor dem Ende des Films das
       Grab von Konitz.
       
       Seinen rätselhaften Titel verdankt der Film übrigens einem Stück Bros von
       dessen Album „Uma Elmo“. Die Idee dazu stammt von Lee Konitz, der die Worte
       während eines Telefongesprächs mit Bro fallen ließ, um dessen eigenartigen
       Stil mit einem Bild zu charakterisieren. So ein Kompliment bekommt man
       nicht alle Tage.
       
       24 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /35-Copenhagen-Jazz-Festival/!5063645
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tim Caspar Boehme
       
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