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       # taz.de -- Prigoschins mutmaßlicher Absturz: Kreml-Astrologie hat Hochkonjunktur
       
       > Nichts ist klar, alle stochern im Nebel. Dennoch lässt sich eins mit
       > Bestimmtheit sagen: Auf Moskau kann man sich schon lange nicht mehr
       > verlassen.
       
   IMG Bild: Gedenkort für Wagner-Chef Prigoschin in St. Petersburg am 25. August
       
       Kreml-Astrolog*innen haben wieder Hochkonjunktur. Im Kalten Krieg waren sie
       die Spezies Mensch, die die politischen Motive der sowjetischen Machthaber
       zu ergründen versuchte, um daraus Rückschlüsse auf deren künftige
       Schachzüge zu ziehen. Das war schon damals keine
       vergnügungssteuerpflichtige Tätigkeit, heutzutage ist sie das erst recht
       nicht.
       
       Jüngstes Beispiel, das seit Mitte dieser Woche die Nachrichten beherrscht:
       [1][der Absturz eines Flugzeugs] in der russischen Region Twer, in dem auch
       der Chef der Söldner-Truppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, gesessen haben
       soll. Die Bandbreite der Analysen und Bewertungsversuche zeigt: Alle
       stochern im Nebel. Sie wissen, dass sie fast nichts wissen. Was ist die
       Ursache für den abrupten Sinkflug, der für alle zehn Insass*innen mit
       einer tödlichen Bruchlandung endete? War Prigoschin tatsächlich an Bord?
       Dafür sprechen nicht zuletzt die [2][floskelartigen Beileidsbekundungen von
       Russlands Präsidenten Wladimir Putin], der mit dem Schlächter Prigoschin
       spätestens seit dessen Meuterei im Juni mindestens eine Rechnung offen
       hatte. Dass diese jetzt auf Befehl von ganz oben beglichen worden sein
       könnte – dafür spricht einiges. Die Botschaft lautet: Der Arm des Kreml
       beziehungsweise der „Organe“ reicht auch noch bis in den Himmel und nicht
       nur in die Teetasse oder – wie im Fall des vergifteten Alexei Nawalny – gar
       die Unterhose unliebsamer Kritiker*innen.
       
       Dennoch bleiben viele Fragen offen: Wer profitiert vom Tod Prigoschins?
       Sind Putin und sein Regime gestärkt? Oder ist die absichtlich
       herbeigeführte Flugzeugkatastrophe ein weiteres Anzeichen für die
       fortschreitende Erosion eines Staates, in dem der Verteilungskampf um das
       Fell des Bären schon längst entbrannt ist?
       
       Last but not least: Was bedeutet Prigoschins Ableben für Wagner? Die
       Vorstellung, dass Schwerstkriminelle, bewaffnet mit Maschinengewehren und
       Vorschlaghämmern, unkontrolliert durch Städte und Dörfer marodieren, ist
       keine erbauliche.
       
       ## Die Details des „Vorfalls“
       
       Die Chancen, dass viele Details dieses „Vorfalls“ nie ans Tageslicht kommen
       werden, sind groß. Dieses Vorgehen hat in Putins Russland Methode. Dort
       sind die Grenzen zwischen Wahrheit und Lüge fließend, ja ganz aufgehoben.
       Ziel ist es, nicht nur in der eigenen Bevölkerung Angst und Unsicherheit zu
       verbreiten, verbunden mit der klaren Ansage: Niemand kann sich seines
       Lebens sicher sein – nirgends.
       
       Das ist zwar keine neue Erkenntnis, sie scheint aber hin und wieder in
       Vergessenheit zu geraten. Im Fall der Ukraine hätte das existenzielle
       Folgen. Denn für [3][Friedensverhandlungen] braucht es ein gewisses Maß an
       Vertrauen, zumindest jedoch Berechenbarkeit. Für beides steht Russland
       schon lange nicht mehr.
       
       25 Aug 2023
       
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   DIR Barbara Oertel
       
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