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       # taz.de -- Buch über umkämpften Freiheitsbegriff: Der zwingende Neuanfang
       
       > Muss im Zeitalter der ökologischen Krise Freiheit neu gedacht werden? Eva
       > von Redecker präsentiert ein Plädoyer für eine Verzeitlichung von
       > Freiheit.
       
   IMG Bild: Die Schwalbe, das Wappentier eines neuen, verzeitlichten Freiheitsbegriffs
       
       Die [1][Freiheit wird mittlerweile im Heizungskeller verteidigt]. Dieser
       Eindruck drängt sich bei einer Beobachtung des öffentlichen Streits über
       das aktuelle Heizungsgesetz zumindest auf. Es geht dabei hintergründig um
       die Frage, welche staatlichen Eingriffe in die Freiheit der BürgerInnen
       erlaubt sind – und welche nicht.
       
       Ob die Begrenzung des Tempolimits auf Autobahnen, die Einführung eines
       Verbots von Einwegplastikverpackungen oder anderen politischen Vorschlägen,
       die zur Lösung der ökologischen Krise beitragen sollen: Stets wird darüber
       gestritten, ob diese Ver- oder Gebote einer illegitimen Begrenzung oder gar
       einer Abschaffung unserer Freiheit gleichkommen.
       
       Eva von Redecker diagnostiziert zu Beginn ihres neuen Essays
       „Bleibefreiheit“ daher auch, dass der liberale Freiheitsbegriff spätestens
       im Zeitalter von Klimawandel, Artensterben und weiteren ökologischen
       Zerstörungen zerbrochen ist. Als Kur verschreibt sie eine Neuinterpretation
       der Freiheit, welche sich dieser von der Zeitlichkeit her nähert und die
       bisherige Verengung auf Räumlichkeit hinter sich lässt.
       
       Bislang wurde Freiheit als Bereich verstanden, innerhalb dessen eine Person
       tun und lassen kann, was sie will – und der von Schranken in Form von
       Rechten anderer Personen umstellt ist. Dagegen macht von Redecker die
       zeitliche Dimension der Freiheit geltend: „Hier bleiben und frei bleiben
       können“, ist das zentrale Leitmotiv ihres Essays.
       
       ## Freiheitsfähig werden
       
       Das Wappentier dieser neuen Freiheit ist die Schwalbe, welche die Leserin
       zugleich durch das Buch begleitet. Dieser Vogel und dessen Anblick stehen
       für die Autorin symbolisch für das Einlassen auf die Zeitlichkeit der Natur
       und die Schöpferischkeit, die wiederum eine wichtige Rolle für die
       Bleibefreiheit spielen.
       
       In ihrem Essay soll es „um positive ökologische Freiheit“ gehen, die sich
       zum Beispiel mit der Anwesenheit der Vögel einstellt. Eine Schwalbe allein
       macht dabei noch keine Freiheit, wohl aber die Rückkehr einer
       Schwalbenpopulation im Rahmen intakter natürlicher Gezeiten.
       
       Von Redecker geht es darum, die Quellen unserer Freiheit aufzudecken. Dabei
       stößt sie nicht nur auf andere Menschen, die uns in die Kunst des Freiseins
       einweisen und durch [2][Sorgearbeit] überhaupt in die Lage versetzen, uns
       zu freiheitsfähigen Erwachsenen zu entwickeln – sondern ebenso auf die
       Natur und andere natürliche Wesen.
       
       Um wirklich frei zu sein, ist von Redecker zufolge nötig, dass wir uns
       unserer eigenen Endlichkeit bewusstwerden. Diese erste Dimension ist also
       eine Neuauflage des altehrwürdigen Memento mori.
       
       ## Neuanfänge setzen
       
       Außerdem kommt es darauf an, Neuanfänge zu setzen oder mitzugestalten: Der
       Generalstreik wird dafür als – besonders radikales – Beispiel angeführt –
       aber auch das Beginnen einer neuen, womöglich umweltschonenden Routine wäre
       ein solcher Neuanfang.
       
       Da allerdings auch die Anschaffung eines Spritschluckers ein Neuanfang sein
       könnte, führt von Redeckers noch eine weitere Dimension an, welche für die
       Nachhaltigkeit der Bleibefreiheit Sorge tragen soll.
       
       Diese dritte Dimension bezieht sich auf die Gezeiten der Natur, also die
       zyklischen Kreisläufe, wie die sich stetig wiederholende Abfolge der vier
       Jahreszeiten oder das Wachsen und Vergehen der Pflanzen. Mit diesen
       natürlichen Gezeiten sollten wir uns nicht nur vertraut machen, sondern sie
       durch unsere freiheitlichen Handlungen auch mindestens nicht beschädigen.
       
       Stellenweise scheint die Autorin sogar noch eine stärkere These zu
       verteidigen: Wir müssen nicht nur Abstand nehmen von der Zerstörung der
       natürlichen Kreisläufe, sondern dieser auch aktiv entgegenarbeiten und uns
       für die Verhinderung des ökologischen Kahlschlags einsetzen.
       
       ## Nachhaltigkeit und Feminismus
       
       In ihrem schwungvoll geschriebenen und mit reichem Erfahrungsschatz
       unterfütterten Essay bringt von Redecker also die Idee der Nachhaltigkeit
       mit feministischen Theorien zusammen und macht diese für den von allen
       Seiten beschworenen Freiheitsbegriff fruchtbar. Damit liefert die
       Philosophin einen wichtigen Beitrag zu einem der wohl drängendsten Probleme
       der Gegenwart, nämlich der nötigen Neuverhandlung unseres
       Freiheitsverständnisses vor dem Hintergrund der ökologischen Krise.
       
       Ihr Plädoyer, die verdeckten und gerade auch die natürlichen Quellen
       unserer Freiheit anzuerkennen und davon ausgehend vermeintliche
       Freiheitseinschränkungen neu zu überdenken, könnte die Schwalbe sein, die,
       wenn nicht vom nahenden Sommer, so doch von einer kommenden Veränderung
       unserer Idee der Freiheit Kunde bringt.
       
       31 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Kira Meyer
       
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