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       # taz.de -- Russische Minderheit in Lettland: Am Sprachtest führt kein Weg vorbei
       
       > Russ*innen ohne lettischen Pass müssen künftig Grundkenntnisse des
       > Lettischen nachweisen. Andernfalls könnten sie ihr Aufenthaltsrecht
       > verlieren.
       
   IMG Bild: Blick auf das Stadtzentrum von Riga
       
       Riga/Berlin taz | Der Zentralmarkt in der lettischen Hauptstadt Riga, der
       sich am Ufer des Flusses Daugava über mehrere Hallen erstreckt, ist an
       diesem Vormittag erst mäßig gut besucht. In einer der Hallen werden an
       einem Stand Heißgetränke ausgeschenkt, in der dazugehörigen blitzblanken
       Vitrine locken Backwaren aller Art. An der Theke sitzt ein Pärchen, das
       sich auf Russisch unterhält und bereits ein Glas des landestypischen Likörs
       „Rigaer Balsam“ in Arbeit hat.
       
       Russisch spricht auch eine Mitarbeiterin am Stand, die hinter einer Scheibe
       Teig für einen Strudel vorbereitet. Sie sei Russin, erzählt die Frau und
       noch zu Sowjetzeiten nach Lettland gekommen. Ihr Mann, ihre Kinder und
       Enkel hätten alle lettische Pässe. Sie hingegen sei laut Ausweisdokument
       „Nichtbürgerin“, habe jedoch eine ständige Aufenthaltsberechtigung.
       
       Die lettische Sprache beherrsche sie kaum. Sich einbürgern zu lassen, habe
       sie daher nie versucht. „Mich dieser Prozedur zu unterziehen, das ist für
       mich erniedrigend“, sagt sie. Dann ballt sie ihre Faust, reckt sie in die
       Höhe und fügt lachend hinzu: „Hier in meiner Ecke weht noch ein echter
       russischer Geist.“
       
       Jahrzehntelang wohnhaft in Lettland, keine lettische Staatsangehörigkeit
       und Kenntnisse der Staatssprache, die gegen null gehen: Für Angehörige
       dieser Bevölkerungsgruppe könnte es in dem baltischen Staat demnächst
       ungemütlich werden.
       
       ## Gesetzliche Hintertür
       
       In dieser Woche verabschiedete das lettische Parlament (Saeima) in letzter
       Lesung eine Änderung des Migrationsgesetzes. Demnach müssen ethnische
       Russ*innen, die keine lettischen Staatsbürger*innen sind, bis zum 1.
       September dieses Jahres Lettischkenntnisse nachweisen, andernfalls wird ihr
       Aufenthaltstitel annuliert.
       
       Doch es gibt noch eine gesetzliche Hintertür: Sollte ein entsprechendes
       Zertifikat nicht vorgelegt werden können, wird der Aufenthaltstitel um ein
       Jahr verlängert, um die notwendigen Sprachkenntnisse zu erwerben.
       Diejenigen, die die Prüfung beim ersten Mal – aus welchen Gründen auch
       immer – nicht bestehen, dürfen bis zum 1. Dezember 2023 erneut zum
       Sprachtest antreten.
       
       Um etwaige Ängste zu zerstreuen, meldete sich auch gleich der lettische
       Innenminister Māris Kučinskis zu Wort. Er hoffe, dass es zu keinen
       Abschiebungen kommen werde, zitiert das russischsprachige Webportal
       Nastojaschee vremja Kučinskis.
       
       Bei den nachzuweisenden Kenntnissen handelt es sich um das Niveau A 2 – das
       heißt einfache Alltagskommunikation, wie Essensbestellungen in einem
       Restaurant, die Reservierung eines Tisches oder Einkäufe in einem
       Supermarkt.
       
       ## Renten aus Russland
       
       Laut Angaben lettischer Behörden, die Nastojaschee vremja nennt, sind rund
       28.000 Menschen im Alter zwischen 17 und 74 Jahren von der neuen Regelung
       betroffen. Vor allem ältere Personen haben zusätzlich zu dem
       „Nichtbürger-Ausweisdokument“ einen russischen Pass, weil sie so in den
       Genuss russischer Rentenzahlungen kommen.
       
       Für die jüngste Änderung des Migrationsgesetzes hatte das Parlament nach
       einer entsprechenden Entscheidung der Regierung bereits im vergangenen
       August – auch [1][als Reaktion auf Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine]
       – grünes Licht gegeben. Lettland hat knapp 1,9 Millionen Einwohner*innen,
       rund ein Viertel davon sind russische Muttersprachler*innen. Die
       Gesetzesänderungen hätten auch mit Fragen der nationalen Sicherheit zu tun,
       hatte es damals im Parlament geheißen.
       
       Auch vor wenigen Tagen nahm der Abgeordnete und Vorsitzender des
       Justizausschusses, Andrei Judin, noch einmal Stellung zu dem Thema. „Wenn
       sich eine Person mit einem dauerhaften Aufenthaltstitel in Lettland
       befindet, kann es nicht sein, dass die Staatssprache für sie fremd und
       unverständlich ist“, sagte Judin.
       
       Natürlich sei [2][Russlands Angriff auf die Ukraine] der Katalysator
       gewesen. Es sei kein Geheimnis, dass es in Lettland genug Leute gebe, die
       diesen Krieg rechtfertigten. „Ein Teil davon sind russische
       Staatsbürger*innen. Sie leben dauerhaft in Lettland, wollen sich jedoch
       nicht integrieren“, sagte Judin.
       
       Die lettische Juristin und Menschenrechtlerin Elisaweta Kriwzowa will die
       Gesetzesnovelle jetzt dem Verfassungsgericht vorlegen. Ihrer Meinung sei es
       falsch, rückwirkend Regeln für diejenigen einzuführen, die bereits einen
       ständigen Aufenthaltstitel hätten. Diesen wieder zu entziehen, müsse auf
       einige wenige Ausnahmefälle beschränkt bleiben.
       
       8 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Oertel
       
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